Orten Electric-Trucks Vollelektrischer Antrieb im Gebrauchtfahrzeug

IAA Nutzfahrzeuge 2016 Foto: Albert Grundhöfer 7 Bilder

Orten Electric-Trucks bringt Verteiler-Lkw mit vollelektrischem Antrieb auf die Straße. Der Kostenkniff: Orten verwendet ein gebrauchtes Basisfahrzeug.

Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen! Goethes Faust mag so manchem IAA-Besucher in den Sinn gekommen sein, wenn auf der Lkw- Weltleitmesse von Elektromobilität vornehmlich nur gesprochen wurde. Die Firma Orten – seit 91 Jahren Aufbauexperte – kontert diese Zukunftsexpertisen der großen Hersteller mit der Dynamik eines Mittelständlers. Die rührige Firma bietet bereits jetzt rein Strom-getriebene Lkw für den Distributionseinsatz an. Dabei bedienen sich die Orten-Elektrospezialisten gleich mehrerer Allianzen. So vertraut Orten auf die Erfahrungen der Elektro Fahrzeuge GmbH Stuttgart, kurz EFA-S, wenn es um das elektrische Herzstück geht.

Bei EFA-S hat man mit mehr als hundert Umrüstungen auf Elektroantrieb – vornehmlich von Paketzustellfahrzeugen – bereits einen reichen Erfahrungsschatz, dessen sich Orten so ohne quälend lange Phasen von Kinderkrankheiten bedienen kann.

Umrüstung eines Gebrauchtfahrzeugs

Clever, aber davon allein kommt der Verteiler-Lkw noch nichts ins Rollen. Teil zwei der ortenschen Kosten-Nutzen-Gleichung ist die Wahl des geeigneten Trägerfahrzeugs. Dazu hat Orten ein Gebrauchtfahrzeug auserkoren, eine unkonventionelle Entscheidung, aber nicht unlogisch. So vermeidet der Fahrzeugbauer das unterm Strich kostspielige Herausreißen eines konventionellen Antriebsstranges aus einem Neufahrzeug und kann auf einen gebrauchten Lkw zurückgreifen, dessen Diesel-Herz nach einem erfüllten Leben reif für den Ruhestand ist. Seines Verbrennungsmotors entledigt, wird der Verteiler-Lkw – bislang sind Iveco Eurocargo, Mercedes Atego und seit der IAA auch ein MAN TGL damit ausstaffiert worden – rundum aufbereitet.

In der Folge rüstet das Unternehmen den leeren Lkw mit dem 90 kW starken Elektromotor, Einganggetriebe und einem modularen Batteriepaket für rund 100 Kilometer Reichweite aus. Damit ist der Elektro-Lkw einsatzfertig, krankt aber noch an rund einer Viertel Tonne Mehrgewicht gegenüber dem Diesel-Vorfahren. Hier greift der dritte Akt des Umrüstkonzepts. Anstelle des konventionellen Kofferaufbaus bekommt der Elektro-7,5-Tonner einen gewichtsoptimierten Orten-Aufbau auf den Rahmen geschnallt. Aus der Zusatzlast von 250 Kilo, den vornehmlich die 126 verbauten Lithium-Eisenphosphat-Batteriezellen verursachen, erzielt Orten je nach Ausbauvariante ein Zuladungsplus von bis zu 30 Prozent gegenüber dem Ur-Modell. Aller Bürden des bisherigen Dieselantriebs beraubt, tritt der Orten E 75 TL, der früher mal auf MAN TGL hörte, zur Testfahrt an.

Elektrischer Antrieb sorgt für schnelle Beschleunigung

Um den Orten anzuwerfen, bedarf es keiner besonderen Kenntnisse. Zündschlüssel drehen, Fahrstellung am Lenkstockhebel wählen und Feststellbremse lösen – und ab geht die stürmische Reise. Flott wie kein Diesel kommt der Synchronmotor dabei auf Touren. E-Motor-typisch steht das maximale Drehmoment – hier sind es üppige 1.150 Newtonmeter – unmittelbar ab Drehzahl Null zur Verfügung. Der E-Truck-Fahranfänger sieht sich angesichts so viel Antrittskraft mit dem Laster der vollen Leistungsabfrage konfrontiert. Die fahrstuhlartige Beschleunigung, die weder durch Gangwechsel noch durch Drehzahltäler führt, verleitet zu äußerst flinkem Fahrstil.

Der E 75 TL quittiert die Leistungsabfrage nur mit einem leisen Motorsummen, das ab 40 km/h von Reifenabroll- und Windgeräuschen übertönt wird. Bei 80 km/h regelt die Bordelektronik den Vorwärtsdrang sanft ab. Nach ein paar Beschleunigungsversuchen gewinnt die Vernunft und die Erkenntnis Oberhand, dass durch zügelloses Beschleunigen die 100 Kilometer maximale Reichweite in weite Ferne rücken. Wer sich dagegen zügelt, genießt nicht weniger vom sanften Elektro-Charme.

100 Kilometer Fahrt pro Aufladung möglich

Schnell lässt man den 7,5-Tonner im Freilauf segeln. Dankenswerter Weise setzt die Rekuperation der Batterie nicht schon im Leerlaufrollen, sondern erst beim zarten Tippen aufs Bremspedal ein. Rund 100 Kilometer soll die Fahrt durchschnittlich im urbanen Lieferverkehr gehen, dann brauchen die Batterien frische Ladung aus einer 400-Volt-Wechselstromstation. Wer mehr benötigt, kann bei einer Zwischenaufladung unterwegs neue Antriebsenergie tanken.

Die Batterie, die ohne Kühlung auskommt, nimmt es nicht krumm. Bleiben noch die Kosten für den emissionsfreien Gütertransport in der Stadt. Ohne Begünstigung oder finanzielle Zuwendung durch Kommunen, Staat oder Industrie muss der Kunde bei Orten zusätzliche Mittel aktivieren. Rund 50 Prozent mehr als die Einstandskosten eines vergleichbaren Diesels soll der E-Truck kosten. Auch hier findet sich bei Goethe Passendes: "Was heute nicht geschieht, ist morgen nicht getan!"

Elektromobilität à la Orten im Kleinen

Das Prinzip der Elektromobilität aufbauend auf Gebrauchtfahrzeugen, die einen neuen, elektrisch betriebenen Antriebsstrang implantiert bekommen, wendet Orten Elektric-Trucks auch in der Transporter-Klasse an. Als Trägerfahrzeug kommt hier die fünfte Generation des VW Transporter zum Einsatz. Seines Dieseltriebwerks entledigt, trägt der Transporter-Bestseller nun einen 90 kW starken Synchronmotor unter den Blech. Als Drehmomentbestwert, der über den gesamten Drehzahlbereich zur Verfügung steht, gibt
Orten stattliche 560 Nm an. Seine Durchzugskraft in der Papierform stellt der ET 30 V genannte Dreitonner unmittelbar beim Tritt aufs Fahrpedal unter Beweis. Nicht nur gefühlt beschleunigt der elektrifizierte Transporter deutlich agiler als der dieselgetriebene Bruder.

Ohne Drehmomentanstieg und vor allem zugkraftunterbrechungsfrei stürmt der T5 bis zum Höchsttempo von 130 km/h voran. Für die Antriebsenergie sind auch hier genauso wie im Lkw Lithium-Eisenphosphat-Einzelzellen verbaut, die von einem Batteriemanagement überwacht und geregelt werden. Rund 150 Kilometer weit soll so die emissionsfreie Fahrt dauern können, bis der Orten ET 30 V an die Stromzapfsäule muss. Dass es auch hier eine 400-Volt-Anlage sein muss, schränkt die Zahl der verfügbaren Ladestellen etwas ein.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 01 2017 Titel
lastauto omnibus 01 / 2017
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