Als Tourer wird der Mercedes Vito zum vielseitig einsetzbaren Talent. Für den Shuttle-Betrieb ist der Kombi genau richtig ausgestattet. Der Umbau zum Laderiesen geht erfreulich einfach von der Hand.
Einsteigen und wohlfühlen lautet die Devise – mehr denn je versprüht der neue Mercedes Vito Pkw-Atmosphäre. Das gilt vor allem für das Kombi-Modell Tourer. Klar, im direkten Vergleich mit der schon in Basisausführung gut 7.000 Euro teureren, vergleichbaren Pkw-Ausführung namens V-Klasse (ab 37.740 Euro, die Aufpreisliste ist nicht direkt vergleichbar) fällt die Innenraumausstattung ab. Zum Beispiel kommen beim Vito Tourer der schlichtere Armaturenträger und die einfach gehaltenen Instrumente zum Einsatz. Aber selbst bei der Nutzfahrzeug-Variante der Innenausstattung sind Anmutung und Verarbeitung auf höchstem Niveau. Mehr braucht es nicht, insbesondere wenn der Nutzen des Fahrzeugs als flexibles Transportmittel für Mensch und Material im Vordergrund steht.
Uhren und Displays sind sehr gut ablesbar, alle Bedienelemente befinden sich im Blickfeld oder lassen sich intuitiv ertasten. Das schick in Leder verpackte Multifunktions-Lenkrad vereint alle wichtigen Bedienelemente für Entertainment, Telefon und Multifunktionsdisplay (MFD).
Gelungener Kompromiss bei der Inneneinrichtung
Ablagen in verschiedenen Formaten sind vorhanden, Anschlussmöglichkeiten für Mobilgeräte wie USB-Schnittstellen gibt es, ein Platz fürs Handy findet sich ebenso wie Stautaschen für Flaschen und Kaffeebecher. Wobei es zur sicheren Unterbringung eines Handys bessere Ideen gibt als die halbrunde Ablage gleich neben dem USB-Port. Besser löst das beispielsweise Ford im Transit Custom. Dort fixiert eine Gummilippe das Handy zuverlässig in einer Tasche. Dafür ist die Mercedes-typische Tastatur am Navi-Display fürs Telefon eine große Hilfe. Auch das Navi selbst ist Mercedes gut gelungen. Es weist ebenso zuverlässig wie präzise den Weg. Die Reise durch die Menüs ist unkompliziert. Auf dem großen Display stellt das System die Route unmissverständlich dar.
Die Inneneinrichtung wie Bezüge und Teppiche stehen für den gelungenen Kompromiss aus den Attributen robust, reinigungsfreundlich auf der einen und hochwertig auf der anderen Seite. Und eine Sparausgabe ist das Nutzfahrzeug-Interieur auch nicht. Selbst in der zweiten und dritten Sitzreihe sind noch Zwölf-Volt-Anschlüsse sowie große Taschen für Flaschen vorhanden. Ein schickes Extra sind die elektrisch betätigten Seitentüren, allerdings mit 756 Euro Aufpreis kein ganz billiger Spaß. Für Shuttle-Dienste als Service für die geschätzte Kundschaft aber eine Erwägung wert.
Kluge Abstimmung des Fahrwerks
Und wenn statt Personen mal Waren mit müssen und der Kofferraum dafür nicht ausreicht, dann fliegen eine oder gleich beide Sitzreihen komplett raus. Mit wenigen, erfreulich leichten Handgriffen lassen sich die Sitze einzeln klappen und wickeln. Wer das System nicht auf Anhieb versteht, dem helfen die Piktogramme auf dem Sockel der Sitze auf die Sprünge. So wird fast schon ein Kastenwagen aus dem Vito Tourer, wobei freilich die Trennwand fehlt und somit Niederzurren des Ladeguts oberstes Gebot ist. Hier zeigt sich die Kehrseite des Kombis, zumindest ab der Ausstattungsvariante Select oder wenn der Käufer in den niedriger positonierten Ausstattungslinien die dann optionalen Sitzschienen gewählt hat: als Zurrpunkte dienen hier nur die Schienen des Sitzsystems. Darin lassen sich zwar Fittings für Gurte einsetzen, die müssen aber einzeln zugekauft werden.
Für die weniger hochwertigen Ausstattungslinien gibt’s klappbare Zurrösen. Bei vielen Warentransporteinsätzen dürfte das die bessere Wahl sein. Die robusten Seitenverkleidungen machen den Transport mit, ohne bei einer Berührung gleich Schaden zu nehmen. Auch in voller Fahrt leidet das Klima im Fahrzeug nicht, denn der Vito ist trefflich geräuschgedämmt. Der kraftvolle 114-CDI-Turbodiesel treibt den Transporter vehement an. Die Kombination mit dem Sechsgang-Schaltgetriebe ist gelungen. Gelungen ist ebenso die Abstimmung des Fahrwerks, das den Spagat aus komfortabel bei leichter und voller Zuladung bewältigt und auch bei sportlicher Fahrweise jederzeit einen sicheren und spurtreuen Eindruck vermittelt. Kaum etwas trübt den überaus positiven Gesamteindruck.
Kaum Mängel am schicken Testwagen
Nur einige Kleinigkeiten lassen sich bemängeln. So verweigerte beim Testwagen zunächst die Start-Stopp-Automatik ihren Dienst, was sich vom Fachmann aber schnell beheben ließ. Die Ursache: Ein Kabel war nicht eingesteckt. Danach machte sich das sinnvolle System unauffällig, aber effektiv ans Werk und ließ den Motor ebenso unverzüglich bei grüner Ampel anspringen, wie es ihn beim Stopp am Rotlicht auch abschaltete. Außerdem plumpste eine Verkleidung der Ecksäule hinten aus der Halterung, sie war wohl bei der Montage nicht sauber eingesteckt worden. Sie selbst wieder zu fixieren, stellte sich aber als kinderleicht heraus.
Bleibt nur die Frage, warum sich der schicke Tourer-Testwagen der Redaktion in mausgrauem Lackdress (Mercedes nennt es Flintgrau) vorstellte. Das hat er nicht nötig – auch nicht angesichts der feudaleren V-Klasse-Verwandtschaft. Wer das Auto gewerblich nutzt oder Gewerbe mit Familie und Freizeit verquickt, ist mit dem etwas schlichteren, aber preisgünstigeren Vito Tourer bestens bedient.