MAN TGS und TGX Erste Ausfahrt

MAN TGS und TGX, Fahrbericht Foto: © MAN 7 Bilder

In München, dem Sitz des Löwen, hatte lastauto omnibus Gelegenheit, die neuen Schweren von MAN zu fahren und einen Blick auf die überarbeiteten TGL und TGM zu werfen.

Bei 480 PS ist Schluss. Vorerst. Denn mehr Leistung gibt es in den schweren MAN im Euro-6-Format derzeit nicht. Der große V8 ist sozusagen tot, der neue und gut 15 Liter große Reihensechszylinder lässt noch auf sich warten und die bisher stärkste Version des 12,4 Liter großen Sechszylinders (D2676) mit 540 PS respektive 397 kW tritt erst gar nicht an. "Nun gut", werden die meisten Kunden denken, "480 PS reichen schließlich in fast allen Fällen aus." Doch der Wunsch nach mehr Leistung ist allenthalben vorhanden: Sei es im Fernverkehr mit höherer Tonnage, sei es im Schwertransport oder auch auf der Baustelle, wenn es darum geht, einen schweren Bagger zu transportieren.

Fünf Motoren von 320 bis 480 PS

Das aktuelle Motorenangebot für die schweren Baureihen TGS und TGX konzentriert sich jetzt auf die fünf Leistungsstufen von 320 PS bis 480 PS (235 bis 353 kW). Für Leistungen bis 400 PS (294 kW) kommt der 10,5 Liter große D2066 zum Einsatz, der auch in der stärksten Version, so zeigen die Erfahrungen, nicht unbedingt das richtige Maß für schwere Arbeit ist.  Mehr Leistung und mehr Kraft liefert der schon angesprochene und 12,4 Liter große D2676. Die vielen Hügel von München in Richtung Nürnberg nimmt er mit 440 und erst recht mit 480 PS ganz gelassen unter die Räder. Der Sprung von 440 auf 480 PS macht sich zwar gefühlsmäßig kaum bemerkbar, doch an Steigungen geht es einen Gang schneller hinauf.

Einzige Einschränkung im Motorenangebot: 320 PS gibt es nur im TGS, der grundsätzlich die schmalen Varianten (2.280 Millimeter) der typischen kubischen Kabine trägt. Denn schließlich übernimmt der TGS im MAN-Programm unter anderem auch die Rolle des gewichtsoptimierten Lkw für Flüssigkeitstransporte oder der Zugmaschine für Silozüge. Ein solcher TGS zählt als Sattelzugmaschine und auch als Fahrgestell zu den leichtesten Angeboten auf dem Markt. Dies gilt auch für die Euro-6-Ausführung, die – wie bei fast allen Wettbewerbern – rund 200 Kilogramm schwerer als mit Euro 5 geriet.

Weniger Verbrauch dank Efficient Line

Auf Flotten im generellen Gütertransport hingegen zielt der TGX mit mittelhohem Fahrerhaus (XLX) in 2.480 Millimeter Breite, der zugleich als Basisfahrzeug der Efficient Line auftritt.  Den Begriff Efficient Line hatte MAN erstmals im Zusammenhang mit verbrauchsoptimierten Zwei- und Dreiachsern in Euro-5-Ausführung geprägt und ihn jetzt auf Euro 6 übertragen.

Die Zutaten, die gegenüber einem vergleichbaren Standard-MAN bis zu drei Liter pro 100 Kilometer sparen sollen, sind bei Euro 5 und Euro 6 quasi identisch – also ein auf 85 (statt 89) km/h begrenztes Tempo, Energy-Reifen, der Verzicht auf die aerodynamisch ungünstige Sonnenblende und Drucklufthörner sowie verbrauchsoptimierte Nebenaggregate wie Lichtmaschine und Kompressor. Selbst das Tagfahrlicht, dessen Stromverbrauch nur ein Viertel des herkömmlichen Abblendlichts beträgt, muss zum Dieselsparen herhalten. Klarer Fall, dass auch automatische Getriebe und lange Achsübersetzungen beim Sparen helfen müssen. Auch wenn der TGX mit XLX-Haus das Basisfahrzeug der Efficient Line ist – die Dieselsparmodelle gibt es auch als TGS und mit anderen Fahrerhäusern.

MAN verspricht drei Liter weniger

Die versprochene Verbrauchsdifferenz von bis zu drei Litern soll auch im Fall Euro 6 erhalten bleiben. Die große Kunst allerdings bestand darin, den von Euro 6 prinzipiell verursachten Mehrverbrauch in den Griff zu bekommen, um auch den selbstbewussten Slogan "Euro 6 kommt, Effizienz bleibt" mit Leben zu füllen.  Um die üblichen Mittel zur Schadstoffreduzierung, also AGR, SCR und Partikelfilter, kommt auch MAN nicht herum. An einer Stelle unterscheidet sich MAN grundsätzlich von den meisten Wettbewerbern. In fast allen Leistungsstufen setzt der Hersteller auf eine zweistufige Aufladung mit hintereinander geschalteten Ladern und einer Zwischen- sowie Hauptkühlung der Ladeluft (Ausnahme: die unteren Leistungsstufen des kleinen Vierzylinders für den TGL).

Die Regelung der beiden Lader obliegt jeweils einem Wastegate. Die Arbeitsteilung des Lader-Duos sieht grundsätzlich folgendermaßen aus: Bei niedrigen Drehzahlen und wenig Last sorgt ein kleiner Hochdrucklader für das nötige Drehmoment, bei hohen Drehzahlen und hoher Last ein größerer Niederdrucklader. Von diesen ­Extremen abgesehen, arbeiten beide Lader in der Regel Hand in Hand, um in allen Situationen die Abgasenergie bestens zu nutzen.  Das hat Vorteile beim Verbrauch und zielt zudem auf eine partikelarme Verbrennung. Und auch beim Fahren zeigt sich ein ziemlich gleichmäßiger Drehmomentaufbau, der dem Fahrer das Gefühl von reichlich Kraft vermittelt.

Optisch kaum Unterschiede

Wenn es um den Verbrauch der neuen Euro- 6-Lkw geht, verspricht MAN ein Niveau wie bei Euro 5 und EEV und verweist auf ein gekonntes sowie optimiertes Zusammenspiel von Common-Rail-Einspritzung, geregelter Abgasrückführung, SCR-Technik und Partikelfilter. Optisch unterscheiden sich TGS und TGX im Euro-5- beziehungsweise Euro-6-Trimm kaum und verlangen nach einem intensiven Blick, um Alt und Neu zu unterscheiden. Die wenigen äußerlichen Korrekturen verbessern den Luftwiderstand marginal.

Auch beim Fahren sind die Unterschiede nicht sonderlich gravierend. Auf Bewegungen des Gaspedals reagieren die Euro-6-Motoren etwas vorsichtiger, die Durchzugskraft – vor allem bei fallender Drehzahl und sinkendem Tempo – ist quasi identisch. Generell laufen die beiden altbekannten Sechszylinder sehr kultiviert und im Fall Euro 6 auch um einiges leiser als in Euro-5-Ausführung. Zwei bis drei dB(A) weniger drücken bei Tempo 85 aufs Ohr des Fahrers.

Keine so gute Figur machen die automatisierten Zwölfgang-Getriebe namens Tipmatic (alias ZF AS-Tronic), deren Schaltqualität, Schaltgeschwindigkeit und Laufgeräusch im Vergleich mit den jüngsten Wettbewerbern nicht mehr mithalten können. Mit Blick auf den hohen Komfort ist dies ein deutlicher Schwachpunkt der schweren MAN-Lkw.

Scanias Opticruise im MAN?

So warten die MAN-Techniker händeringend auf eine neue Lösung, die "Scania-Opticruise" heißen könnte, aller Voraussicht nach aber "Traxon" heißen wird. Traxon nämlich nennt ZF die neuen automatisierten Getriebe mit zwölf oder 16 Gängen, die sich mit verschiedenen Modulen kombinieren lassen. Eines davon bietet eine Doppelkupplungsfunktion in den oberen Gängen für äußerst schnelle Schaltungen fast ohne Zugkraftunterbrechung. Dies wiederum passt trefflich zu nochmals schneller übersetzten Antriebsachsen, die mit Verhältnissen in der Größenordnung von 2,2 bis 2,4 zu 1 und entsprechend niedrigen Drehzahlen bei Marschtempo aufwarten und weiter Diesel sparen sollen. Nur noch 1.000 bis 1.100 U/min liegen dann bei 85 km/h an.

Wann die neuen Getriebe kommen, dazu wollte MAN noch nichts Genaues sagen. Auch nicht dazu, wann es den neuen und gut 15 Liter großen Sechszylinder denn endlich gibt. Stillschweigen auch zu den Leistungen. Fest steht, dass es mehrere Leistungsstufen geben wird, 500 bis über 600 PS stehen zur Diskussion. Fest steht aber auch, dass der große Sechszylinder, das Traxon-Getriebe mit Doppelkupplungsfunktion und die lange Achse eine äußert verbrauchsgünstige Kombination ergeben könnten. So ähnlich funktioniert der für das Jahresende erwartete neue Volvo-Triebstrang, der zudem mit besonders hohem Drehmoment aufwartet.

Notbremse ab Sommer

Die Umstellung der schweren Münchner auf Euro 6 nutzte MAN auch, um das gesamte Programm bis hinunter zum 7,5-Tonner zu modernisieren und um das eine oder andere Detail zu verbessern oder um Neues zu ergänzen. Ab Sommer lieferbar für alle Baureihen ist jetzt beispielsweise das Notbremssystem EBA, das langsam fahrende, aber auch stehende Hindernisse erkennt. Neu auch: das Lane Guard System für TGL und TGM.

Die "neue TG-Generation" nennt MAN dieses überarbeitete und teilweise deutlich aufgewertete Lkw-Programm und zeigt sich damit für den Zeitpunkt X, also der Euro-6-Einführung zum Jahresende, gerüstet. Etwas spät vielleicht, aber immer noch rechtzeitig. 

Die neuen TGL- und TGM-Baureihen von MAN

Leichte Lkw sind europaweit nicht sonderlich populär, aber in Ländern wie Deutschland oder auch England aufgrund der Führerscheinregelung (der alte Pkw-Führerschein reicht bis 7,5 Tonnen) noch gefragt. Auch das mittelschwere Segment unterhalb von 18 Tonnen Gesamtgewicht schrumpft merklich. Da bleibt den Herstellern keine andere Wahl, als vorhandene Komponenten für das komplette Programm, also auch für die Leichtgewichte, zu nutzen.

Bei MAN tragen die beiden Baureihen TGL (bis 12,0 Tonnen Gesamtgewicht) und TGM (ab 12,0 Tonnen) also die schmalen Fahrerhausvarianten des TGS in kurzer oder langer Ausführung und verfügen über eine quasi identische Einrichtung wie die großen Fahrzeuge. Was sich erst mal wie ein Sparprogramm anhört, hat aber auch seine Vorteile. Vor allem für den Fahrer, der auch im kleinen Lkw ordentlich Platz und eine durchdachte Bedienung findet. Im Fall MAN gilt sogar, dass TGL und TGM in ihrer Klasse mit Blick auf Raum und Komfort einen Spitzenplatz belegen.

Kompromiss beim Getriebe

Hinzu kommt eine deutlich Aufwertung durch die Assistenzsysteme, die mittlerweile Einzug gehalten haben. Verfügbar in diesen Baureihen sind auch automatische Schaltungen für die verschiedenen Getriebe mit sechs oder zwölf Gängen, deren Schaltprogramme allerdings nicht so gekonnt arbeiten wie vom schweren Lkw gewohnt. Das wiederum hat seine Ursache darin, dass diese Fahrzeuge sehr unterschiedlich eingesetzt werden. Es musste also ein Kompromiss gefunden werden, der möglichst viele Einsatzarten abdeckt. Ohnehin geht es in dieser Lkw-Klasse nicht unbedingt um den perfekten Triebstrang, sondern um Arbeitserleichterung im Verteilerverkehr.

Mit der Umstellung auf Euro 6 blieb es beim Hubraum (4,6 und 6,9 Liter) der beiden Vier- und Sechszylinder, die jetzt mit einer zusätzlichen SCR-Anlage zur Stickoxid-Reduzierung arbeiten. Schon zuvor hatte MAN die D0834 und D0836 genannten Motoren mit einer Common-Rail-Einspritzung und Abgasrückführung ausgerüstet. Die Leistungen reichen wie bisher von 150 bis 220 PS (110 bis 162 kW) beim Vierzylinder und von 250 bis 341 PS (184 bis 251 kW). Maximal 220 PS sind im TGL zu bekommen, der TGM startet mit 250 PS. Das Euro-6-Mehrgewicht beträgt 150 bis 190 Kilogramm. Ähnlich wie bei TGS und TGX hat MAN die Front modifiziert und dabei die Aerodynamik leicht verbessert.

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