Ford spendiert dem Tourneo Custom ein paar Dieselpferde mehr. Das neue Euro-6-Triebwerk mobilisiert 170 PS aus dem nun kompakteren 2,0-Liter-Block.
Transporterkunden greifen bei den Passagiervarianten, beispielsweise für den Shuttle-Betrieb, gerne zu kräftigeren Triebwerken. Hier hat Ford mit seiner neuen Motorengeneration für den Custom nachgebessert. Statt wie bisher 155 leistet die potenteste Ausbaustufe nun 170 PS, obwohl der Hubraum von 2,2 auf knapp 2,0 Liter geschrumpft ist. Vom rein akustischen Standpunkt aus mag man das den Kölnern kaum glauben, klingt der Motor doch teilweise nach wesentlich mehr Volumen. Das Drehmoment wächst auf bullige 405 Newtonmeter. Wie sich das neue Triebwerk in der Praxis bewährt, soll der mit neun Sitzen bestückte Tourneo Connect samt langem Radstand zeigen.
An dieser Stelle offenbart sich bereits ein erstes Problem des Triebwerks oder vielmehr des ganzen Antriebstrangs. Schon der 105-PS-Bruder glänzt nicht gerade mit überragender Traktion. 45 Newtonmeter und 65 PS zusätzlich zerren naturgemäß noch einmal stärker an den Antriebsrädern. Beim Anfahren verlangt der Tourneo nach einem zarten Gasfuß.
Verbrauch fällt zu hoch aus
Andernfalls lässt der Wagen jede Contenance fallen und wirbt mit pfeifenden Reifen um Aufmerksamkeit. Bei der Traktionskontrolle fehlt einiges an Feinschliff. Zunächst lässt diese relativ viel Schlupf zu und wirft dann fast schlagartig den Anker. Ebenso unwirsch zerrt der Antrieb im niedrigen Geschwindigkeitsbereich am Lenkrad. In der Vergangenheit hat Ford allerdings zumindest im Pkw-Bereich, beispielsweise beim Vorgänger des aktuellen Focus RS bewiesen, dass sich auch weit mehr Leistung mit einem Frontantriebslayout vereinbaren lässt. Es steht allerdings zur Debatte, inwieweit teure Sportwagentechnik mit der Preisgestaltung im Transporterbereich einhergeht. Obwohl die Vorderachse also ihre liebe Not hat, der Übermacht aus dem Maschinenraum Herr zu werden, bleibt am Ende rein subjektiv nicht viel von der Leistung übrig. Besonders im Vergleich zum angesprochenen 105-PS-Derivat mangelt es an zusätzlichem Druck im Kreuz.
Objektiv löst der Tourneo indes ein, was das Datenblatt verspricht, wenn die Tachonadel auch minimal unter der im Fahrzeugschein angegebenen Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h verharrt. Deutlich großzügiger geht der Kombi mit dem Kraftstoff um. Statt der angegebenen 6,4 Liter pro 100 Kilometer genehmigt sich der Ford rund neun Liter Diesel. Zugute halten muss man dem Ford zwar die tiefen Temperaturen während der Messfahrt. Dennoch fällt der Verbrauch einen ordentlichen Schluck zu hoch aus. Im Innenraum brilliert der Custom mit fürstlichen Platzverhältnissen. Besonders die zweite Sitzreihe profitiert vom längeren der beiden für die Pkw-Version verfügbaren Radstände. Auch in Reihe drei lässt es sich noch komfortabel reisen, wenn auch der Einstieg etwas Übung braucht.
Üppig bemessenes Platzangebot
Die Klappvorrichtung für den im Weg stehenden Sitz der zweiten Reihe arbeitet etwas hakelig. Im Heck des Transporters erstreckt sich das großzügige Gepäckabteil. Dort ist auch bei voller Bestuhlung genug Platz für sämtliche Koffer der Fahrgäste. Allerdings hat die enorme Heckklappe – manch ein Camping-Vorzelt bietet weniger Regenschutz – ihren Preis: Allzu nah sollte man den Tourneo damit nicht an Wände parken. So üppig das Platzangebot bemessen ist, so schwer tut sich der Kombi mit der richtigen Temperatur im Innenraum. Bei Minusgraden dauert es sehr lange, bis die Heizung auf Touren kommt. Auch hinter dem Fahrer strömt dann erst nach einer halben Stunde Fahrt warme Luft durch die zusätzlichen Düsen. Dazu kommt, dass sich das Lenkrad bei ebensolchen Umweltbedingungen beim Einsteigen überaus eisig anfasst und ohne Handschuhe für blaue Finger sorgt. Auch das Infotainmentsystem des Ford kann nicht vollends überzeugen.
Das Display rangiert in der Größe eher am unteren Rand, überzeugt aber mit der passenden Auflösung. Die Menüführung wirkt recht verschachtelt und flutscht erst nach etwas Eingewöhnung. Die Navigation arbeitet im Testwagen unerwartet träge. So braucht das Navi schon bei der Adresseingabe sehr lange, um von Buchstabe zu Buchstabe zu springen. Ist diese Hürde gemeistert, genehmigt sich das System minutenlange Bedenkzeit. Teilweise muss die Routenführung sogar komplett neu gestartet werden. Unter dem Strich hinterlässt der Tourneo Custom in der neuesten Ausbaustufe also gemischte Gefühle. Der größte Trumpf des neuen 170-PS-Motors dürfte die Einstufung gemäß Euro 6 sein, die den Haltern auch in Innenstädten eine gewisse Planungssicherheit beschert. Der Leistungszuwachs verpufft dabei praktisch und auch im Verbrauchskapitel ist der Ford kein absoluter Musterknabe. Als Shuttle weiß der großzügige Custom allerdings nach wie vor zu gefallen.