Fahrvergleich der Generationen Fünf epochale Lkw im Vergleich

100 Jahre MAN Lkw Vergleich Foto: Karl-Heinz Augustin 21 Bilder

Vom Nachkriegshauber bis zum modernen TGX reicht das Spektrum der Kandidaten. Jeder von ihnen ist ein typischer Vertreter seiner Zeit, wenn auch mit ganz eigenem Charakter.

Sechs Tonnen Nutzlast und 130 PS. Das ist es, was das Kürzel "630" zur Technik sagt. Im Jahr 1953 vorgestellt, kommt der MAN 630 L1 in mehrfacher Hinsicht wie die Verheißung einer neuen Zeit daher. Denn es sind zumindest jene Zeiten vorbei, zu denen Zwangsbewirtschaftung im Allgemeinen und technische Restriktion im Besonderen beim Lkw herrschte. Turbulent ist das Jahr 1953 dennoch. So kehrt im Koreakrieg Waffenruhe ein, während in der DDR der Aufstand vom 17. Juni losbricht. Im Himalaya steigen ein neuseeländischer Bienenzüchter namens Edmund Hillary und Sherpa Norgay dem Everest erstmals aufs Haupt. Stalin stirbt. Der Friedensnobelpreis geht an den amerikanischen Außenminister Marshall, der 1948 den gleichnamigen Plan für die wirtschaftliche Stärkung Europas nach dem Krieg entworfen hatte. Und dieser Plan beginnt in den 50er-Jahren Früchte zu tragen.

Da kommen die Kurzhauber vom Schlage des MAN 630 L 1 gerade recht, die ihre kecke Stupsnase frech in den Wind recken. Trotz des zulässigen Gesamtgewichts von nur 12,4 Tonnen gilt er den Zeitgenossen als schwerer Lkw. Vielleicht noch mehr als die Großen vom Schlage des F8 ist der 630er genau die Sorte Lkw, mit der die Deutschen ins Wirtschaftswunder hineinbrausen. Der große Fernverkehr ist erst wieder im Werden.

MK-Reihen im schicken Gewand

Den etwas schlichten Mantel der MK-Reihen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit haben die 630er-Kurzhauber abgestreift und fahren in weitaus modernerem und schickerem Gewand vor. Üppiger obendrein: So fluchtet die Kabinenflanke jetzt nicht mehr bündig mit der Hinterkante der Haube, sondern kragt selbstbewusst ein wenig aus. Mehr Platz für die Besatzung zu schaffen, die damals oft aus drei Mann besteht, ist Sinn der Übung. Und Luxus buchstabiert der Prospekt von damals so: "Schwenkfenster auf beiden Seiten, ausstellbare Windschutzscheiben, ein Klapptisch, Leselampen und Eckfenster"... seien die Elemente, die "das Fahrerhaus zu einem angenehmen und bequemen Aufenthalt" werden ließen. Zudem ein in Längsrichtung wie Höhe verstellbarer Fahrersitz, mit Schaumgummi gepolsterte Sitzgelegenheiten und Isoliermatten in Rückwand wie Dach: Das rückt den MAN 630 in den Augen derer, die da drinsitzen, schon ganz nah an den Komfort, den der Pkw von damals zu bieten hat.

Aus heutiger Sicht ist das alles relativ. Was damals leise war, empfindet das Ohr von heute als ziemlich geräuschvoll. Und servoverwöhnte Gliedmaßen stutzen nicht minder, wenn sie es mit Lenkkräften am steil wie ein Kirchendach gestellten Volant zu tun bekommen, wie es damals üblich war. Für die Pedalerie – Trittplatte zum Bremsen, stehend Kupplung und Gas – gilt das gleiche. Da muss der Oberschenkel schon gehörig Druck aufbauen, bevor die Kupplung Neigung zeigt, gnädigerweise auszurücken.

Damaliger Schaltstock kennt im Wesentlichen zwei Richtungen: vor und zurück

Überhaupt ist schon das Starten eine Prozedur für sich. Zündung an, versteht sich: Dann aber ist Multitasking gefragt. Es gilt nicht nur den Startknopf zu drücken, sondern zugleich auch den Leerlauf einzustellen per Hebelchen, das irgendwo auf Kniehöhe vorn aus dem Frontblech ragt. Ist beides zur Zufriedenheit des 630ers erledigt, flutet der 8,3-Liter-Sechszylinder die Kabine mit jenem trocken und hart bollernden Schlag, für den seine bevorzugte Kraftstoffsorte bekannt geworden ist. Würziger Duft zieht derweil in die Nase, dessen Quell der Brennraum des noch nach dem G-Verfahren arbeitenden Sechszylinders aus dem Baujahr 1953 ist. Erst ab 1954 beginnt beim 630er die Umstellung der Maschinen auf das deutlich weicher arbeitende M-Verfahren. Beim G-Verfahren – berühmt für sparsames Netzen der Gurgel mit Kraftstoff sowie fabelhafte Kaltstarteigenschaften – geschieht die Verbrennung ziemlich rasch. Das schafft den eigenartig hämmernden Klang. Dem gesellen sich andere metallische Geräusche gleich noch zu, sobald es ums Schalten geht. Ungefähr bis auf Kniehöhe ragt der vom silberfarbenen Kuppelstück gekrönte Schaltstock empor, der im wesentlichen nur zwei Richtungen kennt: vor und zurück. Da sechs Gänge gleichwohl vorhanden sind, entscheidet die vertikale Position des Knaufs über die Gangstufe. Drei Ebenen stehen dem Fahrer zu Gebote: Mittellage bedeutet die Gänge 3 und 4, einen Stock höher siedeln die Gangstufen 5 sowie 6. Erster und zweiter Gang stehen im Parterre parat, der Rückwärtsgang im Keller. Emsig doppelgekuppelt beim Raufschalten und in Gegenrichtung tüchtig Zwischengas gegeben: Das ist die schweißtreibende Art und Weise, wie der Triebstrang des MAN 630 bedient sein möchte. Dicke Packen Trapezfedern vorn wie hinten lassen keinen Zweifel daran, dass der Job hinterm Steuer zwar hart, aber irgendwie auch herzlich ist.

Von besonders spartanischer Seite zeigt sich der 630er bei der Bestückung mit Schaltern und Instrumenten. Vier Uhren, eine Handvoll Schalter – basta. Charme im Übermaß versprüht der 630er andererseits beim chromglänzenden Ornat, mit dem die Türfüllung prunkt. Gleich zwei Haltegriffe gibt‘s da, nebst Öffner auch ein Duo an putzigen Kurbeln für die Seitenscheibe und das zugfreie Dreicksfenster. Und nicht zuletzt ein gehörige Noblesse ausstrahlender Liliput-Aschenbecher, der auch im Luxusabteil eines edlen Orient-Express keine schlechte Figur machen würde.

F8 als moderner Kurzhauber konzipiert

Fast noch mehr als der 630er ist aber sein großer Bruder F8 eine der Ikonen der aufkommenden Wirtschaftswunderzeit. Der hier gefahrene Proband wurde zwar vier Jahre später als unser MAN 630 gebaut. In seinen Grundfesten geht das Fahrzeug aber aufs Jahr 1951 zurück, in dem MAN diesen ersten V8-Lkw des Konzerns gebracht hat. Damit folgt MAN dem Wunsch vieler Kunden, denen die Nachkriegs-MK zu wenig sind, denen der Sinn nach einem potenten Schwer-Lkw steht, der dem damals gültigen Maximum von 40 Tonnen fürs Zuggesamtgewicht gelassen entgegentreten kann. Genau so einer kommt in Gestalt des F8, der als Motorwagen technisch für 19 Tonnen ausgelegt ist und theoretisch sogar ein Zuggesamtgewicht von 55 Tonnen meistert. Von vornherein als moderner Kurzhauber konzipiert, kommt für den neuen "Schwerstlastwagen", wie diese 16-Tonner im Jargon der Zeit heißen, nur ein V8 in Frage. Am Reihensechszylinder der MK-MAN orientiert sich das neue Aggregat ganz pragmatisch in Fragen von Hub und Bohrung. Mit 115 respektive 140 Millimeter sind die Maße jeweils identisch, bloß führt der D 1548 genannte Motor eben zwei Zylinder mehr ins Feld. Er kann somit aus 11,7 Liter Hubraum schöpfen. Mit 180 PS Nennleistung schließt er auf zu den Topmotorisierten seiner Zeit und kann zudem mit einer Motorcharakteristik glänzen, die ganz weit in die Zukunft weist: Das maximale Drehmoment (knapp 700 Nm) baut die Maschine bei niedertourigen 1100/min auf. Für die damalige Zeit sind das ungewöhnliche Steherqualitäten. Ursprünglich mit dem G-Verfahren versehen, stelllt MAN den Motor 1953 auf das modernere M-Verfahren um und modernisiert die Kabine im selben Jahr gleich mit. Vom Fahrerhaus her ist der hier geschilderte F8 allerdings eher eine Art Ausnahme, diente er doch Möblern als fahrbarer Untersatz, die traditionellerweise einer integrierten Lösung bei Fahrerhaus und Aufbau zugetan sind. Heraus kam dabei eine Art F8 mit Hochdach, der innen die beeindruckende Stehhöhe von immerhin 2,12 Metern zu bieten hat. Als ganz modernen Vertreter seiner Zunft weist den F8 ferner die Verwendung einer Federspeicherbremse aus: Als vierter Bremszylinder der Druckluft-Vierradbremse fungiert ein Federspeicherbremszylinder. Er liegt hinter der Bremszwischenwelle, was ihn für Betriebs- wie Handbremse nutzbar macht.

Als typisches Kind seiner Zeit fährt der F8 mit weiteren Details wie zum Beispiel der "Schwalbennest" genannten Schlafkoje vor. "Bloß keinen Laderaum verschenken" lautet der Gedanke hinter dem Konzept, das auf dem üblichen kurzen Fahrerhaus basiert, die Bettstatt dann aber ungefähr auf Kopfhöhe sargähnlich nach hinten in den Laderaum hineinragen lässt.

Sechs Gänge für den Schwerstlaster aus den 50er Jahren

Sechs Gänge müssen aber auch für den Schwerstlaster der 50er Jahre noch reichen. ZF AK 6-75 heißt das unsynchronisierte Getriebe, dessen sechster, direkt übersetzter Gang den F8 maximal 64 km/h schnell rennen lässt. Die Schaltkulisse gleicht aufs Haar der im MAN 630: Vor und zurück geht‘s auf insgesamt drei Ebenen. Butterweich allerdings im F8, eher hakelig im 630er. Erstaunlich, wie verschieden im Prinzip gleich gebaute Getriebe nach sechs Dekaden eben dastehen können. Hier Kipper, dort Möbler: Klarer Fall, dass das Möbelfahrzeug auch beim Federungskomfort in einer ganz anderen Liga spielt. Zumal es obendrein mit einem Riesenradstand gesegnet ist, der den Tücken des Untergrunds von vornherein etwas von ihrer Schärfe nimmt. Ebenso steil wie im kleinen Bruder steht auch im F8 von 1957 noch immer das ebenfalls riesige Volant. Doch gibt es für den Fernverkehrslaster mit seiner gewaltigen Bereifung der Dimension 13.00 20 eHD schon eine Lenkunterstützung, die das Kurbeln am mit vier Speichen versehenen Ruder des F8 zu einer weniger mühsamen Angelegenheit macht als das Pilotieren des 630ers. Die Instrumententafel liegt ebenso plan auf der Armaturenplanke auf wie beim 630-Kurzhauber, ist aber um einen kleinen Drehzahlmesser ergänzt.

Aus der Innenarchitektur des hier gefahrenen F8 spricht viel schreinerischer Ehrgeiz mit eher limitiertem Hang zu Chrom. Holzvertäfelt wie eine zünftige Almhütte sind fast alle Flächen. Blankes Blech schaut einzig und allein – und fast schon schüchtern – aus der schnurgeraden Armaturentafel hervor, die der Innenausbauer mit einer raumgreifenden und weit auskragenden horizontalen Frontablage überdacht hat, die sich von Flanke zu Flanke zieht. Was die sogenannte Fahrerkiste vom unter der Haube sitzenden Maschinenraum trennt, ist mit einem abgesteppten ledernen Wams verkleidet.

Berühmtes M-Verfahren steht für weiche und effiziente Verbrennung

Doch liegt es nicht nur daran, dass sich der große V-Motor des F8 ganz anders anhört als das Achtliter-Aggregat des MAN 630. Die V-Maschine arbeitet zum einen mit etwas weniger Mitteldruck (7,3 statt 7,7 bar wie beim D 1246). Zum anderen ist es eben das berühmte M-Verfahren von MAN, das für eine ebenso weiche wie dennoch effiziente Verbrennung steht und sich in einer Klangkulisse äußert, in der ein hartes Pochen wie beim G-Verfahren nicht mehr auftritt. Auch ist die Duftnote, die dem Auspuff des F8 entschwebt, etwas anders und bei weitem angenehmer. Vor allem beim Warmlaufen erschnuppert die Nase immer noch auf Anhieb den typischen Beizton, der das unverwechselbare Kennzeichen von Blaurauch à la M-Verfahren bildet.

Zwölf Jahre Bauzeit sind dem F8-Hauber insgesamt vergönnt. 1963 läuft die Reihe aus, der schon seit 1959 moderner gestaltete Hauber sowie nun auch erste Frontlenker – jeweils im Ponton-Stil – Konkurrenz machen. Und Motoren mit V-förmig angeordneten Zylindern verschwinden ebenfalls aus dem Programm. Sie machen aber nur eine kleine Pause, erleben ihre Renaissance exakt vier Jahre später, als MAN anno 1967 eine ganz neue Baureihe von Frontlenkern vorstellt. Genannt wird sie erneut F8. Zusammen mit Saviem ist diese Kabine entwickelt, die den Kubus als bis heute stilbildendes Prinzip so klar und deutlich aufs Schild hebt – und lange Bestand haben soll. Erst 1986 pocht der F90 als Ablösung an die Tür.

Kommunalfahrzeuge sind seit jeher ein starkes Standbein

Just in diesem Jahr verlässt als einer der letzten seiner Art und als Dritter im Bunde unserer fünf Probanden die Produktionshalle in München. Weit hat er es nicht bis an sein Ziel, und die feuerrote Lackierung sagt schon alles über seine Bestimmung: Als Feuerwehr-Rüstwagen soll der zweiachsige Allradler dienen, der genau 28 Jahre später wieder den Weg zurück von der Freiwilligen Feuerwehr der MAN-Nachbargemeinde Karlsfeld in die historische Sammlung des Werks finden wird. Erst Kipper, dann Möbler, jetzt Feuerwehr: Auch Kommunalfahrzeuge sind seit jeher eines der starken Standbeine des Konzerns. Als allradgetriebener Zwölftonner hat‘s dieser 12.192 FA, wie er mit vollem Namen heißt, im wahrsten Sinne des Worts in sich. Gespickt ist er mit Sonderausstattung aller Art. Das fängt bei der Seilwinde vorn an, setzt sich über Generator und ausfahrbaren Lichtmast mit 3000 Watt fort und hört bei einem Fremdladeanschluss im linken Einstieg noch lange nicht auf. Als Sonderling in der Instrumententafel fällt auf Anhieb beispielsweise der sogenannte Behördentacho auf, der dem Fahrzeug eine Laufleistung von knapp 19.000 Kilometern bescheinigt und dessen Nadel zwar auch im Uhrzeigersinn läuft, aber auf drei Uhr bei der Marke zehn km/h startet und im Zenit bei 100 km/h Schluss macht. Ihm in der Größe ebenbürtig, sitzt zu seiner Linken nun ein Drehzahlmesser mit ausgewiesenem grünen Bereich. Drumherum verteilen sich vier weitere Rundinstrumente, obendrüber zieht sich als fast durchgängige Leiste ein breites Band an allerlei Warn- und Kontrolleuchten. Generell hat mittlerweile wertiger Kunststoff das bloße Blech der Armaturen abgelöst. Statt mit geteilter Frontscheibe und Vase samt Blümchen am Mittelsteg wie die Veteranen aus den 50ern, fährt der F8-Frontlenker von Beginn an mit einteiliger, riesengroßer Panoramascheibe vor. Sie betont das Kubische seines Wesens noch mehr und trägt viel zur lichtdurchfluteten Wohnlichkeit des Fahrerhauses bei.

Zweispeichiges statt vierspeichiges Lenkrad will sagen, dass weniger auch mehr sein kann: Aufs Funktionale Reduziertes hat eben seinen ganz eigenen Reiz. Das gilt erst recht für den weiterhin vom einen bis zum anderen Ende plan gehaltenen Armaturenträger, der speziell in den kurzen Kabinen wesentlich dazu beiträgt, den Durchstieg so kommod wie möglich zu gestalten und Geräumigkeit zu erzeugen.

Motorfeste Schaltung wird eingeführt

Der Typ 12.192 gehört zu einer auf dem Brüsseler Salon im Jahr 1983 präsentierten neuen Mittelklasse, deren Fahrerhaus von den leichteren Unterflurfahrzeugen stammt, aber auf Kippbarkeit umkonstruiert worden ist. Weitere Neuheit bei den Mittelklässlern à la 12.192: Statt des gewundenen, turmhohen Schaltstocks, der bisher aus den Niederungen des Fahrerhausbodens emporzuwachsen pflegte, kommt jetzt die sogenannte motorfeste Schaltung. Der kurze, auf dem 380 Millimeter hohen Motortunnel postierte Schaltknüppel bleibt beim Kippen der Kabine an Ort und Stelle, was allerdings einen Durchbruch erfordert. Die Schaltpräzision profitiert ordentlich davon: In kurzen Gassen, die exakt definiert sind, flutscht der Hebel von Gangstufe zu Gangstufe. Synchrongetriebe sind mittlerweile schon längst Stand der Technik. Sechs Gänge reichen dem Zwölftonnen-Feuerwehrfahrzeug, das maximal 89 Sachen macht, locker aus. Unten im Maschinenraum werkelt ein Motor, der seine Vorfahren im F8-Hauber wie im 630er staunen ließe. Eine kombinierte Aufladung per Turbolader zum einen und Ansaugschwingrohr zum anderen bewirken, dass jetzt nur 5,7 Liter Hubraum reichen, um stolze 192 PS und ein maximales Drehmoment von 620 Nm zu generieren. Sehr leise geht die Maschine obendrein zu Werke. Wer gerade erst aus dem F8-Hauber aus- und in den feuerroten Zwölftonner eingestiegen ist, der meint, fast gar nichts mehr an Motorengeräuschen wahrzunehmen.

Vom F8-Mittelklässler in den MAN 19.422 mit dem bedeutungsvollen Zusatz "UXT" rochiert, stellt sich allerdings genau das gleiche Phänomen ein. Dass der noch einmal so deutlich leiser läuft, ist nur einer der Vorteile der Unterflurtechnik, die MAN im "UXT" genannten Prototyp mit Allradtechnik zusammenspannte. Das Kürzel "UXT" steht für "Unterflur Experimental Tractor" und bezeichnet ein Sattelzugmaschinen-Konzept, an dem MAN seit den späten 80er-Jahren arbeitet und 1992 in weit fortgeschrittener Version auf der IAA präsentiert.

Luftfederung vorn wie hinten ermöglicht außergewöhnliches Konzept

Es lässt die Fahreraugen leuchten. Verspricht doch der mittig angesiedelte Motor die Option auf einen ebenen Boden auch in der Sattelzugmaschine. Die war bis dahin für Unterflurtechnik des kurzen Radstands wegen tabu. Attraktiv auch der ungeheuer bequeme Einstieg – es liegt der Fahrerhausboden nur 1250 Millimeter über Grund.Unternehmer werden wegen folgender Vorteile hellhörig: In 4x4-Version, so heißt es, komme der (voll beladene) Sattelzug auf ungefähr die doppelte Menge an Traktion. Äußerst niedrig zudem für die damalige Zeit ist auch die Sattelplattenhöhe des Gefährts. Denn sie beträgt gerade mal 1150 Millimeter.

Um all das möglich zu machen, zaubern die Ingenieure nach Kräften im Kellergeschoss. Luftfederung vorn wie hinten ist die eine Voraussetzungen für das außergewöhnliche Konzept. Ein ganz speziell konfigurierter Antriebsstrang ist die andere: Motor und Getriebe zum Beispiel sind so raffiniert miteinander verbunden, dass ein extra Verteilergetriebe entfallen kann. Beim UXT befindet sich das Getriebe vor dem liegend eingebauten Motor, dessen Schwungrad – anders als bei allen anderen Lastwagen – in Fahrtrichtung zeigt. Denn nur so lässt sich bei kurzem Radstand eine Kardanwelle einbauen, die bei großen Federwegen den Beugewinkeln ausreichend gewachsen ist.

Traum der Unterflur-Sattelzugmaschine platzt in Baureihe F90

Als Getriebe fungiert eine ZF-Spezialvariante namens ZF S 160 UA ("UA" steht für Allrad-Verteiler). Dabei handelt es sich um eine auf der Abtriebsseite veränderte Schaltbox, bei dem seitlich und entgegen der Fahrtrichtung ein zusätzliches Zahnradpaar für die Bedienung der Hinterachse mitlaufen kann. Die Verbindung zur Vorderachse stellt ein Differenzialgetriebe auf der Antriebswelle her. Kontakt zur Hinterachse schaffen neben den zusätzlichen Zahnrädern eine Gelenkwelle sowie eine am Motor gelagerte Zwischenwelle.Selbst aus heutiger Sicht imponiert diese besondere Technik des UXT ungemein. Das fängt eben damit an, dass außer dem Wummern der Reifen und dem markanten Schnalzen des Turbos kaum Triebstranggeräusche im Fahrerhaus wahrzunehmen sind. Das setzt sich fort mit einem sagenhaft stabilen und zugleich komfortablen Fahrverhalten. Und all das gipfelt schließlich in einem Raumangebot, das seinerzeit konkurrenzlos ist und heute noch aller Ehren wert wäre: 9,21 Kubikmeter umbauter Raum sind ein Wort.

Schade nur, dass dieser Traum von einer Unterflur-Sattelzugmaschine in der Baureihe F90 dann eben doch platzt und die Stückzahl des UXT über den einstelligen Bereich nicht hinauskommt. Die Technik nähert sich teils ähnlichen, teils besseren Qualitäten im Lauf der Zeit dann aber auf anderen Wegen. So geht es im TGX von heute dank besserer Dämmung und fortgeschrittener Motortechnik ähnlich leise zu wie im UXT von damals. Wofür beim Fahrverhalten seinerzeit Volluftfederung und Allradtechnik herhalten mussten, das schaffen heutige Federungskonzepte und elektronische Helferlein mit weit weniger Aufwand. Mit XXL-Kabine umgeben den Fahrer trotz eines minimalen Motortunnels sogar noch großzügigere Abmessungen als beim UXT. Steht das für XXL-Fahrerhaus doch für circa 9,3 Kubikmeter umbauten Raum. Üppiger denn je bemessen sind beim MAN TGX denn auch die Liegen. Unten knapp 800 Millimeter, oben stolze 680 Millimeter jeweils durchgängig in der Breite: Das kann sich sehen lassen. Hightech herrscht bis hin zu den Matratzen. Exakt 90 Millimeter stark ist die mit sieben verschiedenen Härtezonen versehene Luxusmatratze im TGX. Selbst der Lattenrost der MANschen Liege arbeitet mit fünf Zonen unterschiedlicher Härte.

Einzigartiges Raumgefühl im TGX

Die Architektur der Armaturen steht beim TGX weiterhin im Zeichen schlanker Linie, wenn auch nicht so streng wie beim F90. Sie schmiegen sich aber immer noch so eng an die Frontlinie an wie in keinem anderen heutigen Fernverkehrs-Lkw. Das erst bahnte zum Beispiel den Weg für das durchgängig mit gleich üppiger Breite ausgestattete Bett im TGX-Rückraum. Und das verschafft dem TGX auch die fast schon an einen Bus erinnernde hohe Frontscheibe. Sie trägt viel bei zu seinem einzigartigen Raumgefühl. Beispiellos viel Licht durchflutet diese hohe Kanzel.

Üppig ist die Ausstattung mit Ablagen. Da fächern sich nun gleich zwei Schubladen mittig oberhalb des Motortunnels empor, die nur zwei Dinge über sich haben: direkt anschließend ein ausklappbares Geschoss mit Aschenbechern, die diesen Namen verdienen. Und eine Etage drüber eine horizontale Ablage mit Becherhaltern, die ein weiteres Plateau auf dem Armaturenträger ergänzt. Von Haus aus verwöhnt die Kabine mit all den feinen Materialien, die im Konzernverbund sonst für keinen Geringeren als den Audi A6 verwendet werden. Einen Stock tiefer schlägt als Löwenherz standesgemäß der neue 15,2-Liter-Motor von MAN. Die 2700 Nm maximalen Drehmoments, die das 560-PS-Aggregat mit seinen zwei hintereinandergeschalteten Turbos schon bei 930/min von der Leine lässt, werden mit 40 Tonnen geradezu spielerisch fertig. Der Motor spricht auch bei solch niedrigen Touren äußerst spontan an und arbeitet mit sonorem, gefälligen Klang.

Fazit von fünf Jahrzehnten Lkw-Technik im Zeitraffer

Schwach würden selbst eingefleischte UXT-Fans dann spätestens bei Schaltung und Getriebe. Greift der UXT noch auf eine etwas rustikale Halbautomatik zurück, bei der das Durchtreten des Kupplungspedals unerlässlich für den Gangwechsel ist (und ein Pulsieren im Pedal dem Fuß kundtut, wann er wieder vom Pedal gehen kann), geschieht der Gangwechsel beim TGX mit der neuen TipMaticTX vollautomatisch, – traumhaft weich und dennoch äußerst fix zugleich.

Fazit von fünf Jahrzehnten Lkw-Technik im Zeitraffer: Die Technik schreitet immer schneller in Sprüngen voran, die im Lauf der Zeit zunehmend größer werden. Beispiel Abgase: Auf dem Weg von Euro 0 bis Euro 6 ist der Ausstoß an Schadstoffen allein in den vergangenen 25 Jahren auf ein kaum mehr messbares Minimum gesunken. In Zahlen: 90 Prozent weniger Partikel, 92 Prozent weniger NOx. In ein bis zwei Dekaden, so sagen Zukunftsforscher, werde unsere Innovationsgeschwindigkeit die Welt stärker umgekrempelt haben als im gesamten vergangenen Jahrhundert. So werden auf diese fünf wohl bald noch weitere Meilensteine folgen.

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