Blue Efficiency Der Vito im 1.000-Kilometer-Test

Mercedes Vito, Tankstelle Jet Foto: Daimler 8 Bilder

1.000 Kilometer mit einer Tankfüllung - was bringt die Spartechnik des Vito wirklich? Die Redaktion hat es auf der längsten Autobahn Europas ausprobiert. Die A 7 reicht über knapp 1.000 Kilometer von Füssen bis hinter Flensburg.

Der Vito vorn an der Zapfsäule leuchtet feuerrot in der Frühsonne - vor Aufregung? Die Kassiererin der Tankstelle in der Kemptener Straße in Füssen lässt sich morgens um sechs Uhr von ihren ersten Kunden jedenfalls nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl das Duo mit dem Mercedes-Transporter zu dieser kühlen Frühstunde fast mehr Kaffee tankt als Diesel und die Rechnung wegen der homöopathischen Menge Sprit im unteren einstelligen Bereich bleibt.

Zuvor hatte die Besatzung den Mercedes während des Tankens mit festem Griff an die Dachreling kräftig durchgeschaukelt. Die letzte Luftblase sollte aus dem Tank entweichen, damit umgekehrt der letzte Tropfen Sprit hineinrinnen kann. Nach dem ersten Abschalten der Tankanlage passen noch genau zwei Liter in den Behälter des Transporters. Die kleine Menge seit dem Tanken am vorherigen Abend könnte entscheidend sein, denn der Vito und seine Besatzung stehen vor einer spannenden Bewährungsprobe: 1.000 Kilometer mit nur einer Tankfüllung.

1.000 Kilometer mit 75 Litern Diesel und 120 km/h - mission impossible?

Das Ziel heißt Dänemark und der Weg dorthin führt schnurstracks über die A 7. Die längste nationale Autobahn Europas beginnt in Füssen und endet nach rund 960 Kilometern hinter Flensburg. Noch eine halbe Stunde nach Dänemark hinein, dann wären die 1.000 Kilometer absolviert. Dazwischen liegen sechs Bundesländer und 16 Baustellen, eine Vielzahl von Brücken, Ausfahrten, Raststätten und Parkplätzen, dazu 27 Autobahnkreuze und -dreiecke.

Das Dumme an der Angelegenheit: Der Tank des Vito fasst nur 75 Liter Diesel - die Betriebsanleitung schränkt sogar vage auf etwa 75 Liter ein. Auch beträgt die Reichweite laut Bordcomputer vollgetankt 860 Kilometer. Der Vito ist zur Hälfte ausgeladen. Einschließlich Fahrer und Beifahrer sowie zwei beruhigenden Blechkanistern mit jeweils zehn Liter Sprit wiegt er 2,6 Tonnen. Überdies heißt die Aufgabe nicht "extreme Schleichfahrt", sondern der Vito soll mit praxisgerechten 120 km/h rollen, das entspricht in diesem Fall Tacho 122. Als Unterstützung dient allein ein Geschwindigkeitsregler.

Mit Blue Efficiency gegen das anspruchsvolle Höhenprofil der A 7

Das wird eng, sehr eng. Aber der Vito hat eine Chance. Mercedes hatte als einer der ersten Anbieter ein Sparpaket für einen Transporter dieser Größe geschnürt. Es heißt Blue Efficiency und umfasst Leichtlaufreifen des Typs Conti Vanco Eco, ein aktives Batteriemanagement - geladen wird vorwiegend beim Bremsen und im Schubbetrieb -, einen Temporegler sowie eine Schaltanzeige und eine Start-Stopp-Anlage.

Zugegeben: Die beiden letzten Punkte der Aufzählung werden heute wenig nutzen. Am Start in Füssen steht ein Vito 113 CDI mit einer Leistung von 100 kW (136 PS). Sein maximales Drehmoment beläuft sich auf 310 Newtonmeter (Nm) bei 1.400 bis 2.600 Touren. Die Durchzugskraft könnte ausreichen, die teils deftigen Steigungen der A 7 dieselsparend im höchsten Gang zu bezwingen. Zumal Mercedes trotz aller Sparmaßnahmen die Achsübersetzung nicht zu sehr streckt. Bei Tempo 100 macht der Motor etwa 2.000 Umdrehungen, das heißt 2.200 Touren bei der anvisierten Geschwindigkeit von 120 km/h und damit Reserven am Berg.

Zunächst nimmt die A 7 bergauf den Vito ordentlich ran - Frühsport. Der Bordcomputer meldet bei Autobahnkilometer 949 einen Durchschnittsverbrauch von 9,6 Litern auf 100 Kilometer (l/100 km). Wird die Fahrt kürzer als gedacht? Bei Nesselwang hat der Vito 900 Meter Höhe erklommen, das weit entfernte Ziel liegt kaum über null. Ab jetzt geht’s tendenziell bergab. Trotz 9,9 l/100 km bleibt deshalb Hoffnung. Nach 78  Kilometern ist beim Ausscheren eine erste leichte Anpassungsbremsung nötig. Bald darauf hellen sich die Mienen an Bord auf. 100 Kilometer nach dem Start ist der Durchschnittsverbrauch erstmals auf 7,9 l/100 km gesunken, der Geschwindigkeitsschnitt auf anständige 110 km/h gestiegen. Der Vito wittert seine Chance.

Er fährt nach gut einer Stunde im Berufsverkehr an zahlreichen braunen Schildern vorbei. Sie künden von Klöstern, Fuggerstädten, Wallfahrtskirchen. Der Vito hat keinen Scheinwerferblick dafür. Am Steuer wird vorausschauend und damit spritsparend gearbeitet. Ergebnis: Nach 166 Kilometern ist die zweite, nach 240 Kilometern erst die dritte leichte Bremsung nötig. Bei dieser Fahrweise müssten die Beläge länger halten als das Auto. Leise und komfortabel zieht der Vito dahin, bei diesem Umgang ein sehr angenehmer Langstreckler. Zeit für Eindrücke: gute Verarbeitung, dezent geschmücktes Steuer. Diverse Ablagen nehmen Verpflegung und Kleinkram auf. Die Lenkstockhebel für Blinker und Tempomat sind allerdings verwechslungsanfällig. Unangenehm: Die Sitzschale drückt nicht allzu zart gebaute Menschen links und rechts kräftig in den Allerwertesten. Das wird sich im Laufe dieses langen Tages deutlich verschlimmern.

Die Tankanzeige des Vito ist in Viertel und Achtel eingeteilt. Ob sie Präzision nur vortäuscht, muss sich zeigen. Nach 335 Kilometern steht die Nadel auf Dreiviertel. Das sieht gut aus, zumal sich der Verbrauch inzwischen bei 7,6 Litern stabilisiert hat. Allerdings legt jetzt die Rhön dem Transporter stramme Steigungen in den Weg. Der Vito meistert sie im höchsten Gang, der Verbrauch steigt leicht auf 7,7 Liter. In der größten Schaltstufe rollt er auch durch Baustellen - Tempo 80 bedeutet 1.500 Touren. In der Ebene meistert er auf diese Weise auch 60er-Etappen mit dezentem Tachozuschlag, dann grummelt die Maschine allerdings etwas verärgert.

Halbzeit: Durchschittstempo 114 km/h und 7,7 l/100 km Verbrauch

Die Autobahnsteigung bei Kirchheim bedeutet die nächste Probe aufs Exempel. Rechter Hand zischt der ICE vorbei, während sich der Vito aus 120 km/h im sechsten Gang in die Steigung verbeißt. Da kein Schleicher in die Quere kommt, kneift er die Backen zusammen, meistert sie ohne Schaltung und in bester Haltung mit 100 Sachen - Kompliment. Auf der Höhe von Kassel ist Halbzeit, sind 500 Kilometer absolviert. Der Verbrauch liegt inzwischen stabil bei 7,7 Litern, das Durchschnittstempo bei 114 km/h. Die Nadel der Tankanzeige steht auf etwa 60 Prozent. Die Windschutzscheibe hat sich inzwischen in einen Insektenfriedhof verwandelt. Dem Fahrer schmerzt das Gesäß.

Hinter Göttingen hat sich der Verbrauch bei 7,6 Litern eingependelt. Ab jetzt ist das Gelände flach, die Chancen steigen. Jedoch bewölkt sich der Himmel und aus Nordwest kommt Wind auf. Nach 650 Kilometern passiert der Vito Hannover. Der Wind frischt weiter auf. Er kann den Vito zwar nicht bremsen, doch der muss mit Gas dagegenhalten. Das kostet Sprit, der Verbrauch sinkt nicht mehr. Die Tankanzeige steht inzwischen unter halbvoll. Zwischen Hannover und Hamburg geht's tierisch zu: Serengeti-Park, Vogelpark, Wildpark, dazu locken der Heidepark und ein Snow-Dome. All das bringt den Vito nicht vom Pfad ab. Er taucht 800 Kilometer nach dem Start in den Elbtunnel ein. Die Tankanzeige steht knapp über einem Viertel, der Spritverbrauch unverändert auf 7,6 Litern - der Wind ist schuld.

Widrige Winde auf der Zielgeraden

Beim Durchqueren von Schleswig-Holstein arbeitet sich der Vito inzwischen an einem sehr steifen Nordwestwind ab. Seinetwegen ist das Tempo auf der Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal auf 60 km/h beschränkt. Prompt steigt der Gesamtschnitt nach 900 Kilometern auf 7,7 Liter und die Reichweite sinkt laut Bordcomputer auf 149 Kilometer. Könnte passen, doch die Spannung steigt: 945 Kilometer nach dem Start zeigt die Tankuhr ein Achtel Sprit. Gleichzeitig mahnt das Display zur Tankstelle, eine Warnlampe leuchtet auf und die Reichweite ist auf 90 Kilometer zusammengeschnurrt. Zwölf Kilometer später überquert der Vito die dänische Grenze, die Autobahn A 7 verwandelt sich in die E 45. Regen und stürmischer Wind fegen über die Piste, haben den Schnitt auf 7,8 Liter angehoben.

Entwarnung: Unmittelbar vor der Ausfahrt Hadderslev ist's geschafft. Der Zähler zeigt exakt 1.000 Kilometer. Dass die Tankanzeige haarscharf über null steht und der Bordcomputer keine Reichweite mehr notiert, stört beides in diesem Moment überhaupt nicht. Auch der schmerzende Hintern ist vergessen. Der Vito hat sein Tagessoll mit einem respektablen Schnitt von 111 km/h erfüllt. 18 leichte Bremsmanöver, keine einzige Schaltung und nicht eine einzige gefährliche Situation belegen eine entspannte Fahrt.

Später Nachmittag, rund 1.000 Straßenkilometer nördlich von Füssen: Wieder stehen zwei Männer mit einem Vito an der Tankstelle und schaukeln den Transporter mit festem Griff an die Dachreling durch. Die letzte Luftblase entweicht aus dem Tank, der letzte Tropfen Sprit sickert hinein. Das Ergebnis korrigiert die Anzeige des Bordcomputers minimal sogar auf 7,7 Liter nach unten. Macht exakt 77 Liter für 1.000 Kilometer, genau die zwei Liter also, die morgens nach dem ersten Abschalten noch in den Tank passten. Der Mercedes Vito leuchtet nach absolvierter Tour noch roter als am frühen Morgen - nun aber vor Stolz.

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