ZF Hytronic-Lite Parallelschwung in die Zukunft

ZF Hytronic-Lite Foto: Randolf Unruh 6 Bilder

Der Stadtbus trägt die komplizierte Modellbezeichnung SWB6117HG4. Er stammt von der chinesischen Marke Sunwin, zählt im Programm der Asiaten von Hause aus nicht zu den grünen Bussen.

Unter dieser Überschrift versammelt Sunwin Busse mit Erdgas- und Elektroantrieb, einen Obus sowie einen Hybridbus.

Dieser "Hybride" ist anders: Der Bus sieht unscheinbar und hochbeinig aus. Hoch ist auch der Boden: Vorne führt eine Stufe hinauf, im Heck geht’s nochmals zwei Stufen nach droben. Der Fahrgastraum zeigt herben Charme. Stopp: Solch ein Bus kostet umgerechnet nur rund 65.000 Euro und ist auf eine Haltbarkeit von acht Jahren ausgelegt. Und sind’s nicht wir Europäer, denen gerade das Geld ausgeht?

Reihensechszylinder Marke Yuchai rackert im Heck

Von Haus aus mit Volvo verschwistert, müsste ein Sunwin mit Hybridantrieb schwedische Verwandtschaft haben. Tatsächlich aber rackert im Heck ein chinesischer Reihensechszylinder Marke Yuchai mit 191 kW (290 PS) und 1.030 Nm aus 8,4 Liter Hubraum. Die Kraftübertragung übernimmt die AS-Tronic-Lite von ZF. Ihretwegen dreht der Sunwin jetzt am Bodensee seine Runden: ZF kombiniert das elektrohydraulisch geschaltete Sechsgang-Synchrongetriebe mit automatisierter Kupplung mit einem Hybridmodul, rüstet den Antrieb zur Hytronic-Lite auf. Dazu zählt als Elektromotor eine permanent erregte, wassergekühlte Synchronmaschine aus eigener Fertigung mit 60 kW, 450 Nm und die Leistungselektronik. Im Heck steckt ein Satz Lithium-Ionen-Batterien chinesischer Fabrikation. Beim Erprobungsfahrzeug hat ZF für vergleichende Tests Conti-Akkus aufs Dach gepackt.

Das Cockpit ist schlicht und verspielt zugleich. Bonbonglasbunt sind die Armaturen, das dürre Lenkrad erinnert an vergangene Zeiten. Ein Display ruft zurück in die Gegenwart, es beschreibt den Energiefluss. Der Bus fährt elektrisch an, erst bei höherer Leistungsanforderung schaltet sich der Diesel zu. Stichwort schalten: Das Getriebe gönnt sich gewisse Schaltpausen. Mangels elektrifizierter Nebenaggregate läuft der Diesel im Leerlauf mit. Beim Heranrollen an Haltestellen können sich vorausschauende Fahrer den Tritt auf die Bremse sparen: Geht der Fuß vom Gas, rekuperiert der Bus, bremst sich ab bis zum Stillstand. An der Haltestelle oder an Ampeln schweigt der Diesel dank Start-Stopp-Automatik.

3.000 neu zugelassene Hybridbusse

Die chinesische Batterie hat einen Energieinhalt von 4,8 kWh und wiegt 220 Kilogramm. Die Conti-Akkus können’s besser, China verlangt einen Anteil lokaler Fertigung. Also steuert ZF Leistungselektronik und Elektromotor zu. "Technologie wie im Pkw", betont Entwicklungsleiter Bert Hellwig, "in Audi, BMW und Mercedes steckt die gleiche Technik". Das Sparziel gegenüber einem konventionellen Antrieb liegt bei 20 Prozent. Gewinnen Hybridbusse in Europa nur langsam an Fahrt, so ist das Tempo in China dank Förderungen atemberaubend. ZF schätzt die Zahl neu zugelassener Hybridbusse auf etwa 3.000 im vergangenen Jahr.

Höchstes Tempo haben auch die Abnahmen: 21 Leistungs-, Geräusch-, Schwingungs- oder Temperaturtests sind in etwa einer Woche erledigt. Nach erfolgreichem Ruck-zuck-Verfahren gilt ein Bus als förderungsfähig. ZF ist für Kooperationen offen: Gemeinsam mit Higer – in Europa bekannt durch die Kooperation mit Scania – werden im Frühjahr acht Stadtbusse mit Hytronic-Lite für einen Feldversuch gebaut.

Ein Ecolife-Getriebe mit Hybridmodul steht auf dem Prüfstand

Generell setzt ZF auf den Parallelhybrid. Hellwig: "Wir erreichen die gleiche Einsparung wie der Wettbewerb." Der Aufwand ist geringer, nicht jedoch die Tests: Auf einem Prüfstand steht ein Ecolife-Getriebe mit Hybridmodul. Lebensdauertests im Zeitraffer dauern zwei Jahre. Simuliert werden typische Strecken, etwa die Folterlinie 42 in Stuttgart, auch lastauto omnibus nutzt sie. "Man lernt in Versuchen, was in der Wirklichkeit passiert", sagt Entwickler Peter Wunderlich.

Beim Ecolife-Getriebe ersetzt der E-Motor den Wandler, das Getriebe wächst nur um 26 Millimeter. Kompakt ist auch die Conti-Batterie mit 4 kWh Energieinhalt. Sie wiegt nur
160 Kilo, muss zahlreiche harte Leistungswechsel ertragen. Das bedeutet Stress und führt zur Frage nach der Lebensdauer. Wegen Verzicht auf den Wandler muss außerdem stets genug Kapazität abrufbar sein, spannende Themen.

E-Motor und Wechselrichter kommen von ZF, die Batterien von Partner Conti, das verleiht Systemkompetenz. ZF arbeitet an einem modularen Design mit 60 und 120 kW Antriebsleistung, zwei Batteriesätzen mit 350 und 650 Volt, den Getrieben Ecolife, AS-Tronic-Lite und AS-Tronic. Daraus entfaltet sich ein Spektrum vom Stadt- und Überlandbus bis zum Reisewagen. "Die Zukunft ist elektrisch", stellt Wolfgang Schilha fest, Leiter der ZF-Busantriebstechnik. Er blickt selbstbewusst nach vorn, es liegt nicht nur am vielversprechenden chinesischen Sunwin.

Eco-Shift: Das Ende des Zähneknirschens

Vor allem MAN und Neoplan, auch Van Hool, VDL und andere kennen das Dilemma: Mangels Angebot müssen sie bei starken Reisebussen zähneknirschend zum Sechsgang-Schaltgetriebe von Wettbewerber Mercedes greifen. Das ändert sich 2013 mit dem ZF Eco-Shift. Es reicht bis 2.100 Nm Drehmoment. Basis ist ein Baukasten mit vier Getrieben von 1.300 bis 2.100 Eingangsdrehmoment. Die Gehäuse sind identisch, das Innenleben ist unterschiedlich. Bis 1.600 Nm ist das Getriebe im höchsten Gang direkt übersetzt, darüber mit 0,81. Wahlweise ist es mit Schaltunterstützung Servo-shift, Intarder und bis 1.600 Nm automatisiert zu bekommen, dann unter dem Begriff AS-Tronic-Mid. Ölspritzkühlung statt Tauchschmierung erhöht den Wirkungsgrad, senkt den Verbrauch eines Reisebusses um etwa ein Prozent. Eine neue Zahngeometrie mit höheren Zähnen verringert Geräusche in unteren Gängen. Mit Doppelkonus-Synchronisierung sinkt die Schaltkraft in den beiden ersten Gängen um ein Viertel. Ebenso reduziert die Synchronisierung auf der Vorgelegewelle die Schaltkraft beim Einlegen der beiden mittleren Gänge.

AV 133: kräftiger, leichter, sparsamer

Die Standard-Antriebsachse für Niederflurbusse bekommt eine Nachfolgerin: Ab 2014 heißt’s AV 133 statt AV 132. Ulrich Solka, Entwicklungschef Nutzfahrzeugachsen, stapelt tief: "Das ist keine Revolution." Aber eine gründliche Evolution. Sie hat bereits mit angegossenen Längslenkerkonsolen, neuen Differenzialrädern und Kegelradsätzen, verstärkten Lagern und einem optional kräftigeren Portaltrieb begonnen. Damit verträgt die Achse 15 Prozent mehr Drehmoment. So geht’s weiter: Ein neues Portalgehäuse wird leichter, steifer, verringert Geräuschabstrahlung. Der Differenzialstern gewinnt an Festigkeit, neue Werkstoffe kommen für die Achsbrücke. Verringerte Planschverluste des Kegeltriebs erhöhen den Wirkungsgrad und senken den Dieselverbrauch um etwa ein Prozent. Ist alles umgesetzt, verträgt die Achse Motordrehmomente von etwa 1.900 bis 2.000 statt 1.600 Nm. ZF will das Ölwechselintervall von heute 150.000 Kilometern verdoppeln. Und arbeitet an einem Federträger aus Aluminium. Er wäre nach heutigem Stand zwar teurer, spart aber 50 bis 60 Kilogramm Gewicht. Und man könnte von einer Revolution sprechen.

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