JansBlog Keine EU-einheitliche Kontrollpraxis

Foto: Jan Bergrath
Meinung

Beim 2. Forum für Fahrpersonalrecht der IHK Stuttgart diskutieren Experten unter anderem die europaweit unterschiedliche Kontrollpraxis beim Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Lkw und deren Konsequenz für die Transportunternehmer.

Nun also auch noch die Österreicher: Nach aktuellen Medienberichten hat das Transitforum Austria-Tirol das Verbringen der Ruhezeiten von Lkw-Fahrern  in ihren Fahrzeugen mit dem Verweis auf eine EU-Verordnung als illegal bemängelt. “Weil dies entlang der Tiroler Inntal- (A12) und Brennerautobahn (A13) aber Usus sei, habe man die zuständigen hiesigen Behörden aufgefordert, diese Verordnung zu exekutieren.“ Eine weitere Pointe in der europaweiten Diskussion, ob der Artikel 8 Absatz 8 der VO (EG) 561/2006 es den Fahrern nun verbietet, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen – oder es nur erlaubt, dort die tägliche und die reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen. Juristisch ist das ein Unterschied.

Ausbleibende Richtungsentscheidung des EuGH

Doch während der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich aus welchen Gründen auch immer sehr viel Zeit lässt, der Ansicht des eigenen Generalanwalts das entsprechende Urteil folgen zu lassen, entsteht so in der Tat der von vielen Verbänden befürchtete Flickenteppich. Belgien, Frankreich und die Niederlande haben bereits eigene nationale Verbote erlassen, Großbritannien ebenfalls, aber mit der Einschränkung, dass Fahrer auf  regulären Raststätten mit sanitären Einrichtungen durchaus ihre 45-StundenPause im Lkw verbringen dürfen. Wer soll da noch durchblicken?

Verbot in Deutschland

Auch in Deutschland gibt es seit dem 25. Mai ein nationales Verbot, das zumindest vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG) nach einer dreimonatigen Phase der Aufklärung seit September wirklich kontrolliert wird - allerdings unter erschwerten Bedingungen. Die Autobahnpolizei der 16 Bundesländer hält sich mit Kontrollen immer noch ziemlich zurück, was leider auch daran liegt, dass das Gesetz an sich sehr schwer zu kontrollieren ist, wie es Experten von Eurotransport bereits sehr ausführlich beschrieben haben.

Strafrecht gegen Ordnungswidrigkeitenrecht

Und so wird es am 6. Dezember beim 2. Forum für Fahrpersonalrecht der IHK Stuttgart praktisch zur Systemfrage kommen: Denn während etwa der belgische Hauptinspektor Raymond Lausberg auf Grund des dort geltenden Strafrechts effektiv kontrollieren darf, hat der Regionalkoordinator des BAG unter anderem für Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Thomas Fischer, durch das Ordnungswidrigkeitenrecht weitaus weniger Befugnisse und ist zudem durch eine eigene Handlungsanweisung der BAG-Zentrale in Köln, die die Schwächen des deutschen Verbotes auszugleichen sucht, gehandicapt.

Wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird bei der Antwort des BAG nach der gelebten Kontrollpraxis erkennen, dass in Deutschland schlicht nicht alle Möglichkeiten der Kontrolle ausgeschöpft werden können und es dennoch bereits rund 100 Beanstandungen bei Fahrern vornehmlich aus Osteuropa gegeben hat – bei all denen, die offensichtlich mehr als 45 Stunden auf einem Rastplatz Pause gemacht haben.

Zentrale Fragen

Aber es stellen sich noch weitere Fragen zu diesem komplexen Thema, und ich habe zum zweiten Mal die große Ehre, dieses Forum moderieren zu dürfen. Zur oft gestellten Frage, ob die Lkw und die Ladung überhaupt versichert sind, wenn sich die Fahrer in ihrer Freizeit nicht im Lkw oder um den Lkw herum aufhalten dürfen, wird uns Reinhard Bohrer, Regionalleiter Süd der Oskar Schunk Gmbh, Auskunft geben. Einen Einblick in die Herausforderungen im Alltag eines deutschen Arbeitgebers mit Fahrern aus Polen gewährt uns Michael Schaaf von der Spedition Bay aus Waiblingen.

Ausblick auf das EU-Mobilitätspaket

Ja, und dann ist da ja noch die EU, die im Rahmen ihres neuen Mobilitätspakets alles wieder auf den Kopf stellen will, wenn sie, wie derzeit geplant, mit einem Taschenspielertrick die Taktung der Ruhezeiten wieder ändern möchte – so dass die Fahrer dann zweimal hintereinander eine reduzierte Ruhezeit im Lkw nehmen dürfen.

Und daher erwarte ich mit Spannung auch Andrea Marongiu, seit 2007 Geschäftsführer des Verbandes Spedition und Logistik Baden-Württemberg e.V., der mit einer Gruppe von Unternehmern und Experten schon einmal versucht hat, einige EU-Parlamentarier in Brüssel von den Problemen für die Branche zu überzeugen und dabei erkennen musste, dass dort viele Theoretiker Entscheidungen treffen, von den sie anscheinend noch nicht einmal ahnen, was sie in der Praxis für die Branche bedeuten.

Ich freue mich jedenfalls auf spannende Gespräche – und auf Ihren Besuch. Alle weiteren Programmpunkte entnehmen Sie bitte hier.

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