Zahnradfabrik Friedrichshafen Neue ZF-Komponenten für Lkw

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Die Zahnradfabrik Friedrichshafen ist längst nicht mehr nur Mechanik-Spezialist. Spätestens seit der TRW-Übernahme steht ZF auch für intelligente mechanische Lösungen.

Nachdem ZF am 15. Mai 2015 das amerikanische Unternehmen TRW Automotive übernommen hatte, kreierten die Friedrichshafener das Motto "The power of2". Damit wollten sie klarstellen, dass sich hier durchaus zwei sehr gesunde Unternehmen zusammentun. Mehr noch: Die hochgestellte 2 im Motto soll dokumentieren, dass sich die Vorteile nicht nur addieren, sondern multiplizieren sollen. Mit der Übernahme von TRW Automotive trifft ein relativ junges Unternehmen mit dem Fokus auf elektronische Fahrzeugsysteme auf einen mehr als 100 Jahre alten Mechanik-Spezialisten. Wobei sich ZF bisher nicht ausschließlich der Mechanik gewidmet hat. Das Beispiel Traxon-Getriebe zeigt dies deutlich.

Das neue Räderwerk arbeitet elektronisch gesteuert, schneller und leiser als die bisherige AS-Tronic und lässt sich beispielsweise mit einem Hybridmodul kombinieren. Der 120 kW starke elektrische Antrieb kommt beim Rangieren zum Einsatz, als Booster zur Unterstützung der Dieselkräfte und zur Not auch als Hauptantrieb auf kurzen Strecken. Klarer Fall – das Hybridmodul beherrscht zudem die Rekuperation (Stromerzeugung beim Bremsen) und kann mit dieser "kostenlos" erzeugten Energie durchaus fünf Prozent Kraftstoff sparen – auch im 40-Tonnen-Zug.

Die Zukunft gehört weder der Elektronik noch der Mechanik allein

Messfahrten mit einem DAF XF hatten darüber hinaus gezeigt, wie intelligent der Hybridantrieb die relativ geringe Batteriekapazität von vier Kilowattstunden einzusetzen weiß. Den Verantwortlichen bei ZF ist schon lange klar, dass die Zukunft weder der Elektronik noch der Mechanik allein gehört. Die Fahrzeugwelt braucht mehr intelligente mechanische Systeme, um bei den großen Trends mitmachen zu können. Es geht um autonomes Fahren, es geht um elektrische Antriebe, es geht um mehr Sicherheit, es geht um mehr Wirtschaftlichkeit und eben um intelligente Systeme, die das möglich machen – im Pkw, im Lkw, im Bus und auch in Landmaschinen. Beispiel Elektroantrieb: Für Busse liefert ZF etwa die Elektroportalachse AVE 130, die hauptsächlich in Citybussen zum Einsatz kommt. Einen vom Pkw bekannten Elektroantrieb hat ZF jetzt für leichte Nutzfahrzeuge adaptiert. Hinzu kommen die schon erwähnten Hybridantriebe.

Beispiel intelligente Systeme: Zusammen mit dem langjährigen Partner Wabco hat ZF schon eine Reihe dieser Systeme entwickelt. Dazu zählen der Highway Driving Assist oder der Evasive Maneuver Assist (deutsch: Ausweichmanöver-Assistent), den ZF jetzt auf dem Testgelände der RWTH Aachen eindrucksvoll in Szene setzte. Solche Systeme machen deutlich, wie Mechanik und Elektronik bei entsprechendem Know-how zu intelligenten Systemen verwachsen können. Helfen kann der Evasive Maneuver Assist (EMA) immer dann, wenn automatische Notbremssysteme nicht mehr ausreichen. Das kann etwa bei schlüpfriger Fahrbahn der Fall sein oder wenn sich das Hindernis hinter einer Kuppe befindet und somit erst (zu) spät erkannt wird. In solchen Situationen startet EMA ein Ausweichmanöver, um das Hindernis zu umfahren.

Feines Zusammenspiel von verschiedenen Systemen

Die Praxis sieht derzeit so aus: Zuerst warnt EMA den Fahrer akustisch. Reagiert der Fahrer nicht, dann folgt mit einer Teilbremsung (25 Prozent) die zweite Warnung. Spätestens jetzt, so die Erfahrung, leitet jeder Fahrer ein Ausweichmanöver ein – meist allerdings zu zaghaft oder zu heftig. EMA greift jetzt per elektrohydraulisch betätigter Lenkung (ReAX) korrigierend ein, vollzieht den Spurwechsel, um das Hindernis zu umfahren und leitet dann eine Vollbremsung bis zum Stillstand ein. Jedoch muss der Fahrer immer die Richtung des Ausweichmanövers geben, da das System (noch) nicht erkennen kann, auf welcher Seite des Lkw frei ist.

Klarer Fall, dass in einer solchen Situation jede Menge Systeme zusammenarbeiten müssen: Bremse, Lenkung, Stabilitätssystem, ABS, EBS. Ähnlich sieht der Fall beim Spurhalte-System "Highway Driving Assist" aus, das nicht nur die Spur, sondern auch den Abstand zum Vordermann hält. Ein anderes intelligentes System heißt Safe Range und soll das Rangieren sicherer und schneller machen. Das Ganze basiert auf einem Zusammenspiel von Systemen im Lkw und auf dem Betriebshof. Kameras überwachen den Rangiervorgang. In diesem Fall arbeiten im Lkw unter anderem die Lenkung ReAX und das mit dem Traxon-Getriebe kombinierte Hybridmodul bestens zusammen.

Die Tage der manuell zu schaltenden Getriebe sind gezählt

Der Fahrer hat mit dem kompletten Rangiervorgang nichts mehr zu tun. Einzig aktivieren muss er ihn. Doch ZF wäre nicht ZF, gäbe es nichts Neues von der Getriebefront zu berichten. Vom neuen Traxon-Getriebe war schon die Rede. Eingebaut wird es derzeit bei MAN, Iveco, Ford (Türkei) und Foton (China). In Kombination mit dem Torque-Modul ist es für Einsätze mit hohen Gewichten prädestiniert. Eine Anwendung sind Schwerlastzugmaschinen, eine andere sind Mobilkräne. Die Kombination von Torque und Traxon ergibt ein automatisch schaltendes Lastschaltgetriebe, das deutlich mehr Drehmoment verträgt, als die gute alte WSK (Wandlerschaltkupplung).

Nach wie vor im Programm sind die 1979 vorgestellten legendären Ecosplit-Getriebe. Doch ZF ist sich sicher, dass die Tage der manuell zu schaltenden Getriebe nicht nur in schweren Lkw, sondern auch bei leichteren Nutzfahrzeugen gezählt sind. Auch deswegen hat das Unternehmen an der Schnittstelle vom starken Pkw zum leichten Lkw das Lastschaltgetriebe entwickelt, das seine Nutzfahrzeug-Premiere im Iveco Daily mit bis zu 7,2 Tonnen Gesamtgewicht feierte und ursprünglich aus dem Pkw stammt. Derzeit in Erprobung ist die darauf basierende Achtgangvariante Powerline, die in mittelschweren Lkw, schweren Pick-ups und in Bussen zum Einsatz kommen soll.

Lkw-Fahrer bleiben die Könige auf Landstraße und Autobahn

Powerline verträgt Eingangsdrehmomente bis 1.400 Nm und eignet sich für Gesamtgewichte bis 26 Tonnen.Das Thema autonomes Fahren steht auch bei ZF derzeit im Mittelpunkt, wenn auch nicht an erster Stelle. Die dazu nötigen Systeme sind alle vorhanden – auch dank TRW-Übernahme und Wabco-Zusammenarbeit. Kenner schätzen aber, dass vom Weg bis zum vollautonomen Fahren auf der Autobahn erst zehn Prozent zurückgelegt wurden. Zuerst geht es um langsam fahrende Fahrzeuge – beispielsweise um Ackerschlepper oder um innerbetriebliche Transporte. Lkw-Fahrer, zumal im Fernverkehr, sind also noch lange die Könige auf der Landstraße und wohl auch auf der Autobahn.

Interview

Dr. Christian Wiehen, Wabco Chief Technology Officer, über die neue Evasive Maneuver Assist (EMA) Technologie. Das Gespräch führte Thomas Rosenberger.

Wie ist die Zusammenarbeit mit ZF beim EMA zustande gekommen?

Dr. Wiehen: Wir kennen uns schon seit vielen Jahren durch die gemeinsame Arbeit an Fahrwerksregelsystemen und Getriebesteuerungen – sind also ohnehin schon Kooperationspartner. Wir wollten beim EMA unsere jeweiligen Kompetenzen noch stärker zusammenbringen.

Haben Sie ein gemeinsames Entwicklungsteam?

Dr. Wiehen: Wir haben tatsächlich ein gemeinschaftlich bestücktes Entwicklungsteam eingesetzt. ZF brachte die Lenkungskompetenz ein und Wabco das Wissen über Brems- und Notbremssysteme.

Auf welchen bestehenden Systemen haben Sie den EMA aufgesetzt?

Dr. Wiehen: Das ist im Grunde die aktuelle Serienausstattung der DAF-XF-Sattelzugmaschine. Hierzu gehören EBS, ESP, das Wabco-AEBS On-Guard-Active und die Fahrwerksregelung ECAS. Im Auflieger sind ebenfalls unsere ­Seriensysteme verbaut. Hinzu kommt die elektronische Lenkung von ZF. Wir haben dann eine Software entwickelt, die diese Systeme intelligent zusammenführt.

Wo steht das System heute auf dem Weg zur Serienreife?

Dr. Wiehen: Wir warten gerade darauf, wie die Kunden reagieren. Das Interesse ist dort jedenfalls groß. Entscheidend ist aber die elektronische Lenkung. Zunächst muss sie zur Serienreife entwickelt werden. Alle anderen Systeme sind vorhanden. Ich gehe davon aus, dass es noch drei bis vier Jahre bis zur Serienreife dauert.

Das System muss erst noch lernen, wohin es ausweichen kann. Dafür ist eine Vernetzung mit der Umwelt nötig. Wenn aber alle Fahrzeuge miteinander vernetzt sind, wieso sollte es dann noch zu unerwarteten Ausweichmanövern kommen?

Dr. Wiehen: Sobald Connectivity breitflächig verfügbar ist, haben Sie recht. Aber bis dahin ergibt der EMA Sinn. Es wird auch noch in einer langen Übergangsfrist Fahrzeuge ohne entsprechende Vernetzung geben.

Wer haftet im Falle eines Unfalls beim Ausweichen?

Dr. Wiehen: Die ethische Überlegung, welches Gut schützenswerter ist, wird nicht von dem System geleistet. Ganz bewusst überlassen wir in Übereinstimmung mit dem Wiener Abkommen dem Fahrer die Entscheidung, wohin das Ausweichmanöver führt.

Brauchen (teil-)automatisierte Nutzfahrzeuge also eine Black Box?

Dr. Wiehen: Ich bin kein Freund von vollständiger Überwachung. Aber es ist Sache des Flottenbetreibers, zu entscheiden, ob er ein solches System benötigt. In den USA sind Black Boxes zur Fahrerüberwachung schon gängig. Dort bieten wir ein solches System auch an, das den Verkehr vor dem Fahrer und den Fahrer überwacht und Videosequenzen speichert. Mit deutschen Gesetzen ist das aber nicht vereinbar.

Interview

Divisionschef Staedtler über die Anwendung autonomer Fahrfunktionen. Das Gespräch führte Thomas Rosenberger.

Wo steht ZF bei der Einbindung von TRW?

Staedtler: Mit der Akquisition von TRW im Mai 2015 und der Integration in den Konzern verfügt der ZF-Konzern heute über ein einzigartiges Produktportfolio, welches die globalen Megatrends Elektrifizierung, Sicherheit, Vernetzung und Automatisierung mit ganzheitlichen Lösungen bedienen kann. Der Dreiklang aus Sehen, Denken, Handeln ist dabei Leitprinzip und Alleinstellungsmerkmal unserer Leistungen.

Gibt es schon erste gemeinsame Erfolge?

Staedtler: Bei den Nutzfahrzeug-Technologien haben wir schnell begonnen, Gemeinsamkeiten bezüglich Kunden und Produkten zu erfassen. Wir arbeiten heute sehr intensiv in allen Bereichen zusammen und treten bei unseren Kunden mit einem erweiterten Produktportfolio gemeinsam auf. Das umfasst jetzt beispielsweise auch fortschrittliche Sensorik und Nutzfahrzeug-Lenkungen von ZF TRW.

Wann werden teilautonome Fahrfunktionen für die Kunden verfügbar sein?

Staedtler: Der jetzt vorgestellte ZF Innovation Truck demonstriert eindrucksvoll die Fähigkeiten des ZF-Konzerns, Assistenzsysteme für Nutzfahrzeuge schnell und praxisorientiert entlang des gesamten Einsatzspektrums umzusetzen.

Wir werden also bald autonom an die Rampe rangieren…

Staedtler: Rangierschäden und damit verbundene Reparaturen oder gar Ausfallzeiten der Fahrzeuge sind ein betriebswirtschaftliches Kriterium in der Logistikbranche. Sind die Schäden vermeidbar, ist das für den Spediteur ein Wettbewerbsvorteil. Die Funktion im Innovation Truck ist tatsächlich eine Anwendung mit hohem Bedarf und schneller Amortisation. Generell bietet sich die Technik für alle Betriebshöfe an.

Welche Faktoren tragen auf ZF-Seite hier zu einer Lösung bei, die schnell rechnet?

Staedtler: Der ZF-Konzern profitiert von der Fähigkeit, Systeme und Funktionen auf alle Fahrzeugklassen übertragen zu können. Assistenzsysteme, die zuerst im Pkw Anwendung fanden, agieren nun in einem Nutzfahrzeug. Kamera-, Radar- und Lenkungstechnik des ZF-Konzerns findet eine immer weitere Anwendung im Markt. Die Kosten für die Technologie sind seither gesunken.

Wann werden die genannten Funktionen zum Alltag gehören?

Staedtler: Hier sollte man differenzieren, da je nach Anwendungsfall eine Anpassung der Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber erforderlich ist. Sprechen wir über das autonome Rangieren auf Betriebshöfen, so wird dieser Anwendungsfall sicherlich zuerst kommen.

Lassen Sie Autobahnanwendungen bewusst außer Acht?

Staedtler: Nein, keinesfalls. Wir betrachten alle Geschwindigkeitsbereiche, also auch die Autobahnanwendung.

Wird die E-Mobilität auch in schweren Nutzfahrzeugen eine Rolle spielen?

Staedtler: E-Mobilität wird in vielen Anwendungsbereichen eine Rolle spielen. Im Bus sind wir heute schon mit der Elektroportal­achse AVE 130 rein elektrisch unterwegs. Mit einem elektrischen Zentralantrieb zeigen wir auf der IAA eine weitere Entwicklung. Ich glaube aber auch an hybride Formen im schweren Lkw – vor allem dann, wenn die Städte die Zufahrten für konventionelle Antriebe erschweren. Auch Verteiler-Lkw müssen schließlich noch in die Zentren fahren dürfen.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 09 2016 Titel
lastauto omnibus 09 / 2016
15. August 2016
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