Young Professionals Truck Award 2015 Vergleichstest von Azubis im Fernverkehr

Young professionals truck award Foto: Karl-Heinz Augustin 16 Bilder

50 angehende Berufskraftfahrer haben fünf Fernverkehrsmodelle getestet und ihren Favoriten gekürt. Das Urteil verrät, was die nächste Fahrergeneration von ihrem Arbeitsplatz erwartet.

Alleskönner gesucht – der Lkw im Fernverkehr ist Arbeitsplatz, Pausenraum und Schlafzimmer zugleich. Kein Wunder also, dass Fahrer hohe Ansprüche an ihr Arbeitsgerät stellen. Die Fahrzeugindustrie hat das längst erkannt und arbeitet mit Hochdruck daran, den Wohlfühlfaktor für den Fahrer auf seinen täglichen Touren immer weiter zu erhöhen. Bestmögliche Sicherheit, hoher Fahr- und Wohnkomfort sowie intuitive Bedienbarkeit stehen in den Lastenheften der Hersteller daher weit oben.

Auch für Spediteure sind diese Faktoren nicht zu unterschätzen. Sichere und leicht bedienbare Fahrzeuge senken die Kosten beispielsweise für Wartung und Instandsetzung. Zudem hat ein komfortables Fahrerhaus entscheidenden Einfluss auf die Fitness des Fahrers. So rechnet sich die Investition in manche Sonderausstattung innerhalb kürzester Zeit. Außerdem entscheiden Fahrzeug und Ausstattung oftmals darüber, ob eine Spedition die Top-Fahrer am Markt bekommt. Das gilt auch für die Suche nach qualifiziertem Nachwuchs.

Vergleichstest speziell für Abzubis

Doch wie stellen sich angehende Berufskraftfahrer den idealen Lkw für den Fernverkehr vor? Um das zu erfahren, hat die Redaktion vor zwei Jahren den Young Professionals Truck Award ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses etwas anderen Vergleichstests sind BKF-Azubis am Ende ihrer Ausbildung aufgerufen, nach Testfahrten ihr Votum abzugeben.

In diesem Jahr hat die Redaktion 50 Fahrer im dritten Lehrjahr von Berufsschulen in Wetzlar und Köln an den Nürburgring eingeladen. Dort hatten sie Gelegenheit, Lkw von fünf Herstellern auf Herz und Nieren zu testen. Wie schon bei der Erstauflage des Tests 2013 bewerteten die Nachwuchsfahrer die Lkw mithilfe von Schulnoten anhand von 27 Einzelfragen zu Themen wie Ästhetik, Haptik, Akustik und Fahrbarkeit. Am Ende kürten die 50 Teilnehmer einen Gesamtsieger sowie jeweils einen Gewinner in den Unterkategorien Design und Driving Experience (Fahrerlebnis).

Die gute Nachricht für alle fünf teilnehmenden Hersteller vorneweg: Alle Lkw rangieren in der Gesamtwertung im Notenbereich "sehr gut" bis "gut". Zudem steht bei keiner Einzelwertung eine Drei vor dem Komma. Das zeigt, dass die Lkw-Hersteller aus Fahrersicht allesamt in die richtige Richtung unterwegs sind. Dennoch gibt es Unterschiede zwischen den Fahrzeugen, die am Ende eine ganze Note Unterschied zwischen dem Erst- und dem Letztplatzierten ausmachen.

Zuerst wird das äußere Erscheinungsbild unter die Lupe genommen

Schon beim Blick auf das äußere Erscheinungsbild der Fahrzeuge scheiden sich die Geister. Während das Antlitz des Volvo FH durchweg begeistert, also sehr gut abschneidet, hat es die Konzernschwester Renault Trucks mit dem T schwer.

Das viel diskutierte Aussehen des Franzosen erhält in dieser Kategorie die schlechtesten Einzelnoten des gesamten Tests. Nur wenig besser als der T kommt der MAN TGX in Sachen Optik weg. "Der MAN ist ein veraltetes Fahrzeug", urteilt Fabian Doroszynski, bevor er den Münchner bewertet. Optisch sagen dem Nachwuchsfahrer wie auch seinen Kollegen die jüngst neu aufgelegten Fahrzeuge wesentlich mehr zu.

Aber auch DAF XF und Mercedes Actros kommen bei dem Schüler gut weg. In der Design-Gesamtwertung finden sich beide Lkw im Nahbereich des Volvo FH, können dem Schweden aber das oberste Treppchen in der Wertungskategorie nicht streitig machen. Der FH überzeugt in allen Design-Einzelwertungen. Auch bei Testfahrer Kevin Veit kann der FH punkten: "Er wirkt jung, frech und wild." Das gefällt wohl auch den anderen jungen Berufskraftfahrern. Am Ende kam der Schwede auf eine Durchschnittsnote von 1,40 und liegt damit rund drei Zehntel vor dem DAF XF und rund vier Zehntel vor dem Mercedes Actros.

Zum Design gehört auch die Gestaltung funktioneller Bauteile

Zur Wertungskategorie Design gehören neben der äußerlichen Anmutung auch die Architektur des Innenraums sowie die Gestaltung funktioneller Bauteile wie Beleuchtung und Außenspiegel. Bei Letzterem setzt sich der Volvo deutlich von der Konkurrenz ab. Mit einer 1,41 im Schnitt bringt es der FH als Einziger auf eine Note besser als Zwei – unter anderem wegen der filigran gestalteten Aufhängungen, die – anders als die sonst eher wuchtigen Gehäuse – auch einen Blick zwischen den Spiegelsegmenten hindurch erlauben. Der DAF XF punktet in der Design-Wertung mit seinem Innenraum. Die groß anmutende Kabine und die zahlreichen Ablagemöglichkeiten kommen bei den jungen Fahrern im Vergleich gut an. Dafür muss sich der DAF in Sachen Innenraumdesign dem Actros geschlagen geben. Der Mercedes wirkt im Innenraum dank hochwertiger Materialien beispielsweise am Armaturenträger edler als sein holländischer Mitbewerber.

Folgt man dem Urteil von Fabian Doroszynski, ist die Design-Wertung für den MAN TGX leicht nachzuvollziehen. In Sachen Optik hat der Münchner in den Augen des Fahrernachwuchses der Konkurrenz wenig entgegenzusetzen. Positiv fallen den Schülern aber einige Funktionselemente auf. Dazu gehören Fahrersitz und Lenkradverstellung ebenso wie der Einstieg ins Fahrzeug. Der Renault Trucks T wäre in der Design-Wertung wohl auf Augenhöhe mit dem MAN, hätte er bei der äußerlichen Anmutung nicht einige Ausreißer nach oben. Der Innenraum des T gefällt den Schülern. Sie goutieren das Raumgefühl, die zahlreichen Ablagemöglichkeiten und den Komfort des Gestühls. Nur bei der Lenkradverstellung scheint es Nachholbedarf zu geben. Sie lässt für den Fahrer nur leidlich eine bequeme Armhaltung zu, da sie nur zweistufig verstellbar ist.

Für den ersten Eindruck findet eine Testfahrt durch die Eifel statt

Mit dem ersten Eindruck vom Lkw ging es für die Schüler auf die Straße. Auf einer rund 20-minütigen Tour durch die Eifel galt es vor allem den Antriebsstrang zu bewerten. Zudem sollten die Schüler sich mit den Fahrerassistenzsystemen, der Rundumsicht und den Instrumenten im Lkw befassen, um die Driving Experience in 13 Punkten zu bewerten. Hier gelingt es dem Renault Trucks T sich vor den MAN zu setzen, wenn auch nur mit einem Abstand von 0,06 Punkten. Das Zünglein an der Waage war die Getriebeaktivität. Renault Trucks hat den T mit 480 PS, dem Optidriver-Getriebe und einer Spreizung von 14,94 zu 1 ausgestattet sowie mit einer Antriebsachsübersetzung von 2,64 kombiniert. Das kam bei den Testern auf der hügeligen Eifelstrecke besser an als die MAN-Kombination aus MAN Tipmatic (16,69 zu 1) und einer etwas kürzeren Antriebsachse (i = 2,7), eines maximalen Dreh­momentvorteils von 200 Newtonmetern und einer Leistung von 520 PS. Das bestätigt auch Testfahrer Benjamin Liebich, der sonst für den Logistiker Emons unterwegs ist. "Ich kann beim T nicht meckern", berichtet Liebich. "Der Renault liegt nicht nur gut auf der Straße, er geht auch beim Anfahren am Berg gut und zügig weg." Seiner Ansicht nach merkt man momentan deutlich, dass der Franzose mit seinem schwedischen Konzernbruder Volvo FH gleichzieht.

Dafür muss der Renault beim Einsatz des Tempomaten zurückstecken, was unter anderem an der gewöhnungsbedürftigen Bedienung über Tasten an der Unterseite des Lenkrads liegt. Zudem haben sich manche der Nachwuchsfahrer mit der Übersichtlichkeit der Instrumententafel im Franzosen schwergetan. Vor Renault und MAN positionieren sich mit etwas Abstand DAF und Mercedes. Beide Fahrzeuge werfen ein maximales Drehmoment von 2.300 Newtonmetern in die Waagschale, wobei der XF mit 460 PS den maximalen Vortrieb bereits 100 Umdrehungen früher erreicht als der Actros mit seinen 480 PS.

Volvo setzt sich an die Spitze

Beim Zusammenspiel von Getriebe und Übersetzung der Antriebsachse schenken sich die beiden Kontrahenten nicht viel. DAF hat für den Test eine etwas größere Getriebespreizung gewählt, dafür aber die Hinterachse länger übersetzt. Der Mercedes kommt mit einer kürzeren Achsübersetzung und einer kleineren Spreizung des Getriebes daher. Für den Fahrer spürbare Unterschiede sollte es aufgrund der Antriebsstrang-Auslegung also kaum geben. Dennoch haben die Nachwuchsfahrer dem Actros weniger Agilität bescheinigt als dem XF und bewerten deshalb den Schwaben bei der Schaltstrategie mit einer rund vier Zehntel schlechteren Note. Das überrascht ein wenig, da die dritte Generation des Mercedes eigenen Power-Shift-Getriebes dem Wettbewerber ZF AS-Tronic in anderen Tests mindestens auf Augenhöhe begegnet. Eine Klasse für sich ist der Volvo. Während Renault Trucks T und MAN TGX in der Kategorie Driving Experience sich im hinteren Bereich tummeln und Mercedes Actros und DAF XF das Mittelfeld unter sich ausmachen, sucht der FH an der Spitze noch seinesgleichen. Die Erklärung dafür fällt leicht. Volvo hat die Testfahrzeuge mit dem bislang einzigartigen Doppelkupplungsgetriebe i-Shift DC ausgestattet. Das 500 PS starke Fahrzeug ist so in der Lage, alle Gangstufen – außer beim Gruppenwechsel zwischen 6 und 7 – ohne Unterbrechung der Zugkraft zu schalten.

Diese Getriebevariante haben die Schweden zur Präsentation mit einem Zugewinn an Komfort beworben. Dieser Ansicht sind auch die angehenden Berufskraftfahrer. "Durch das Doppelkupplungsgetriebe schaltet der FH am Berg weich und zügig – das ist beeindruckend", sagt Testfahrer Dirk Merten. Diesen Eindruck kann Tester-Kollege Kim Lars Büsken nur bestätigen: "Die Gänge werden beim Anfahren sauber durchgeschaltet. Da merkt man nicht ein einziges Ruckeln."

Eindeutiger Favorit ist der schwedische Alleskönner im Fernverkehr

Dieser Meinung sind auch die meisten Schüler und bewerten Schaltvorgänge und Beschleunigungsverhalten annähernd mit einer glatten Eins. Ebenfalls Gefallen findet das elektrohydraulische Lenksystem VDS, das mit einer 1,16 im Schnitt ebenfalls an der Best­note kratzt. So geht auch die Trophäe für die Wertungskategorie Driving Experience nach Schweden.

Nach der Notenvergabe in den Wertungskategorien waren noch ein Gesamteindruck sowie eine Einschätzung zum Markenimage gefragt. Bei Letzterem schnitt Mercedes erwartungsgemäß stark ab, konnte aber an dem insgesamt sehr gut bewerteten Volvo nicht mehr vorbeiziehen. Dafür dis­tanzierten die Stuttgarter DAF mit drei Zehnteln in der Imagewertung. Für den deutschen Markt eher ungewöhnlich ist der große Abstand des MAN-Images zu den Top Drei. Das ist wohl dem lang andauernden Modellzyklus geschuldet, der auch dem Vernehmen nach bei Speditionen immer weniger Zuspruch findet.

Zumindest schneidet das Münchner Unternehmen beim Image noch rund drei Zehntel besser ab als deren Testfahrzeug in der Gesamtnote. Bei Renault Trucks verhält sich das genau umgekehrt. Das Fahrzeug ist besser als das Image des Unternehmens. Am Ende geht auch die Gesamtwertung des Young Professionals Truck Award 2015 an den Volvo FH, der mit Finessen wie dem Doppelkupplungsgetriebe, der komfortablen und präzisen Lenkung oder den filigran gestalteten Aufhängungen für die Außenspiegel beste Bewertungen abräumte. Die 50 Berufsschüler haben sich also eindeutig für ihren Alleskönner im Fernverkehr entschieden.

Vorbereitung ist alles

Es gehört schon was dazu, 40 Tonnen sicher durch den Straßenverkehr zu bewegen. Eine solide Ausbildung ist deshalb das A und O. Unsere Juroren, die Schüler der beiden Berufsschulklassen aus Wetzlar und Köln, standen während des Young Professionals Truck Award 2015 kurz vor ihrer Abschlussprüfung als Berufskraftfahrer. Zwischen den Testfahrten bot Dekra deshalb den Prüflingen eine einmalige Gelegenheit der Prüfungsvorbereitung – durchgeführt von zwei Experten der Dekra Akademie.

Ein wesentlicher Prüfungsbestandteil ist das Thema Ladungssicherung. Um den angehenden Transportprofis dieses wichtige Thema nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis näherzubringen, reisten die Experten der Dekra-Niederlassung Brühl mit einem eigens dafür ausgestatteten Trainings-Lkw zum Nürburgring. Der Sachverständige und Trainer Michael Käther nahm die jungen Schützlinge unter seine Fittiche und zeigte den Mädels und Jungs unterhaltsam, aber mit dem gebotenen Ernst, wie man Gitterboxen, Paletten und Stückgut fachmännisch sichert. Währenddessen erklärte er ihnen auch, welche Kräfte beim Gütertransport auf der Ladefläche wirken.

Ladungssicherung ist aber nur eines von fünf Modulen, die prüfungsrelevant sind und den Erwerb der Führerschein-Ziffer 95 ermöglichen. Um den Schülern auch bei Themen wie Sozial- und Verkehrsvorschriften, Ernährung und Fahrerimage hilfreiche Informationen zu bieten, gab Dekra-Fachmann Reinhard Buchsdrücker einen umfassenden Überblick. Altersgerecht und multimedial aufbereitet, führte er unterhaltsam und vor allem praxisnah durch mögliche Prüfungsthemen.

100 Jahre Kompetenz

Seit der Gründung im Jahre 1915 hat sich im Hause ZF Friedrichshafen viel getan. Davon konnten sich die angehenden Berufskraftfahrer im Schulungstrailer des Getriebeherstellers selbst überzeugen. Nach einer multimedial aufbereiteten Reise durch 100 Jahre Getriebetechnik klärte ZF-Trainer Angelo Luthe die Azubis über Baureihen und technische Unterschiede zwischen den Modellen auf und wagte zugleich einen Ausblick auf die Getriebegeneration Traxon. Aufgrund des modularen Aufbaus lässt sich Traxon an den jeweiligen Einsatz anpassen.

Dazu gehören je nach Anwenderwunsch: Doppelkupplungs-, Hybrid- und Schwerlastmodul sowie eine Erweiterung namens PreVision, die das Getriebe die Topografie vor dem Lkw erkennen lässt. Es agiert dank GPS-Anbindung und einer Schnittstelle zu Naviga­tionsdaten vorausschauend und besonders kraftstoffsparend. Die Technologie passt somit in das Umfeld der allenorts angestrebten CO2-Ersparnis. Nachdem die Schadstoffemissionen eines modernen Lkw dank Euro 6 kaum mehr messbar sind, ist die Einsparung von Treibstoff das nächste große Thema der Lkw-Hersteller. Der Aerodynamik sind dabei noch Grenzen gesetzt. Wer sie deutlich verbessern möchte, braucht auch neue Lkw-Abmessungen. Es sind zwar Überlegungen im Gange, aber bis zu deren Umsetzung wird es wohl noch etwas dauern. Da lässt sich neuartige Getriebetechnik schneller umsetzen und in diesem Fall könnte der Lkw laut Luthe sogar ein Modell für eine künftige Pkw-Entwicklung abgeben. Die Schnittmodelle der einzelnen Typen und Generationen boten den Schülern einen guten Einblick in die Komplexität eines modernen Nutzfahrzeuggetriebes, der den meisten Berufsschulen in dieser Form wohl nicht zur Verfügung stehen dürfte.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 08 2015 Titel
lastauto omnibus 08 / 2015
13. Juli 2015
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