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Windkraft Alternative im Aufwind

Foto: Universal Transport 13 Bilder

Durch die eingeleitete Energiewende entstehen immer mehr Windparks. Das verspricht gute Geschäfte für Transport- und Logistikunternehmen, Hersteller und Energieversorger. Doch bevor eine Windkraftanlage "grüne" Energie produziert, hat sie oft einen engen kurvigen Weg hinter sich.

Vorsichtig nimmt der 55 Meter lange Spezialauflieger den steilen Anstieg. Der Fahrer der Zugmaschine und der Steuermann am Heck des ferngelenkten Auflegers sind voll konzentriert. Die Kupplung kommt, die Blätter am Böschungsrand wackeln leicht und das riesige Rotorblatt rollt unbeschadet durch die enge Linkskurve. Geschafft, das nächste Hindernis kann kommen.

Was wie ein schwergewichtiger Balanceakt aussieht, ist für W & F Franke Schwerlast tägliches Geschäft. Das Bremer Transportunternehmen ist Spezialist für den Transport von Windkraftanlagen und seit mehr als 20 Jahren Partner der Anlagenherstellers Enercon. Der Transport der Enercon Windkraftanlage E-101 zum hessischen Windpark Breidenbach im vorigen Jahr war jedoch auch für Björn Freudenberg, Prokurist bei W & F Franke, etwas Besonderes. "Allein die Größe der knapp 50 Meter langen Rotorblätter ist schlicht beeindruckend", berichtet Freudenberg mit hörbarer Begeisterung. Um den Kurvenradius des Aufliegers zu reduzieren, ragten die Propeller sogar mehr als sieben Meter über den teleskopierbaren Pritschenauflieger heraus.

Nur so konnte das enorme Bauteil  sicher auf der  steilen und holprigen Strecke transportiert werden. Mehr als 50 dieser Touren waren nötig, um die Einzelkomponenten der Windkraftanlage E-101 auf die Anhöhe des hessischen Rothaar-Gebirges zu transportieren. Allein für den über 100 Meter hohen Stahlbetonturm waren 40 Fahrten nötig. Dickster Brocken des Projekts: der 86 Tonnen schwere Generator. Dieser musste bereits vormontiert den Berg hinauf. Sonst werden die Tonnen schweren Einzelteile von Enercon vor Ort montiert.

Enercon E 101 erreicht eine Leistung von sechs MIllionen Kilowattstunden im Jahr

Mit einer Leistung von 3.000 Kilowatt ist die Enercon E 101 ein richtiger Kraftprotz. Gemessen an dem allgemeinen Richtwert von 2.000 Volllaststunden jährlich, erreicht die Anlage eine Leistung von sechs Millionen Kilowattstunden im Jahr. Damit lassen sich insgesamt 1.500 Vier-Personen-Haushalte ein Jahr lang mit Energie versorgen. Das ist eine beachtliche Leistung, dabei zählt die Anlage noch nicht einmal zu die leistungsstärksten.

Mit steigendem Energiebedarf in Industrie und privaten Haushalten treiben Hersteller und Energie-Anbieter die technische Entwicklung immer weiter voran. Damit einher geht, dass Leistung und Ausmaße von Windanlagen und -parks immer größer werden. Für Transportunternehmen wie W & F Franke bedeutet dies einen hohen Planungsaufwand.

Hierzu gehört jedoch weit mehr als nur die Auswahl des Personals und der geeignetsten Fahrzeuge. Denn jedes vergessene Detail, sei es auch noch so klein, hat große Auswirkungen für Hersteller, Transportunternehmen und Verkehrsteilnehmer. Ein Schaden an einem Windkraftpropeller kann zum Beispiel teuer werden, da diese oft in einem Stück gefertigt werden.  "Wir fangen deshalb etwa sechs Wochen vor Projektbeginn an, den Transport zu planen", erklärt Freudenberg. "Meistens beginnt alles damit, eine Strecke zu finden, die für die Abmessungen und das Transportgewicht geeignet ist", berichtet Freudenberg weiter. Ist eine Kurve zu eng oder eine Brücke zu niedrig, kann dies den Transport verzögern und  Technikern sowie Verkehrsteilnehmern unnötig gefährden. Die Hauptstreckenabschnitte sind durch den regelmäßigen Einsatz der Transport-Teams oft bereits bekannt. Weicht die Strecke davon ab, wird diese vor dem Transport abgefahren. Dabei wird meist schnell klar, welche Genehmigungen für den Transport eingeholt werden müssen.

Fahrgenehmigung gemäß der Straßenverkehrsordnung einholen

Zunächst wird natürlich eine Fahrgenehmigung gemäß StVO eingeholt. Je nach Dimension der Bauteile ist gegebenenfalls eine Genehmigung der Deutschen Bahn zum Queren von höhengleichen Bahnübergängen nötig. Anschließend wird noch ein Antrag zur Streckengenehmigung bei den entsprechenden Verkehrs- und Polizeibehörden gestellt. Alles in allem eine zeitaufwendige Prozedur, "die im Ausland auch gerne etwas länger dauern kann", so der W & F Franke-Prokurist.

Diese Hürde kennt auch die Spedition Universal Transport aus Paderborn. "Andere Länder andere Sitten", scherzt Holger Dechant, Mitglied der Geschäftsleitung der Holding  Universal Transport. Wer da auf landeseigene Tochtergesellschaften zurückgreifen kann, ist hier klar im Vorteil. "Es ist immer besser, wenn man zum Beispiel einen polnischen Kollegen hat, der dann ins polnische Rathaus gehen kann",  berichtet Dechant. "Aber letztlich ist das bei uns in Deutschland ja auch nicht anders."

Sicherung im Straßenverkehr ist wichtig

Universal Transport ist seit mehr als 40 Jahren im Geschäft und kennt die Probleme genau, die ein solches Großprojekt mit sich bringt. Neben Absperrungen und Warnhinweisen, sogenannten verkehrsbildenden Maßnahmen, ist die Sicherung im Straßenverkehr dabei besonders wichtig. Immer wieder berichten Dechants Mitarbeiter davon, dass Großraum- und Schwertransporte von anderen Verkehrsteilnehmern gerne unterschätzt werden. Daher kommen Begleitfahrzeuge ins Spiel. "Ihre Aufgabe ist dabei sicherlich nicht zu unterschätzen", mahnt Dechant. Je nach Länge sichern diese den Transport nach vorne und hinten ab. Bei einer Kolonnenfahrt können es sogar mehrere Begleitfahrzeuge im Einsatz sein.

Ein Konvoi dieser Länge benötigt natürlich Platz. Bäume, Straßenschilder und Zäune werden da schnell zum Hindernis, das beseitigt werden muss. "Es sollen ja nicht mehr Bäume als nötig gefällt werden – aber was weg muss, muss eben weg", so Dechant über den Hindernisparcours, den das Universal Team täglich meistern muss. "Dass Bäume aufgrund des Transports gefällt werden müssen, liegt jedoch bei weniger als einem Prozent." Durch solche Ausbaumaßnahmen entstehen nicht zuletzt zusätzliche Kosten, für die der Auftraggeber letztendlich aufkommen muss. Zudem gibt es auch Hindernisse, die sich nicht mit Motorsäge und Schraubenschlüssel beseitigen lassen.
"Wir hatten zum Beispiel schon den Fall, dass wir ein Bauteil über ein Wohnhaus heben mussten", erzählt Freudenberger. In diesem Fall wurden die Anwohner evakuiert und vorübergehen im Hotel untergebracht. "Am Ende müssen Aufwand, Kosten und Sicherheit unter Berücksichtigung aller Verkehrsströme in einem gesunden Verhältnis stehen", weiß Holger Dechant zu solchen Situationen zu berichten. "Deshalb kann es manchmal auch sinnvoll sein, den Weg zum nächsten Binnenhafen zu wählen."

Unwetter können die Sicherheit des Tranportes gefährden

Es gibt jedoch auch Transportfaktoren, die sich weder mit schwerem Gerät noch mit viel Erfahrung kaum beeinflussen lassen. Aufgrund der Größe der Bauteile kann zum Beispiel ein aufziehendes Unwetter die Sicherheit des Transports gefährden und den gesamten Zeitplan durcheinander bringen. Dieser wird bestimmt durch Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen sowie zur Ferienzeit.

Enge Zeitfenster für Schwerlasttransporte

Deshalb sind die Zeitfenster für Schwerlasttransporte manchmal ziemlich eng.  Schließen sich diese, sind Standzeiten die Folge, die Auftraggebern und Betreibern mitunter eine Menge Geld kosten. Um die Zwangspausen möglichst kurz zu halten, würde sich Universal Transport-Repräsentant Dechant wünschen, dass mehr Bundesländer sich um eine Aufweichung der Fahrverbote bemühen. Doch trotz des Aufwands und der Kosten blicken Holger Dechant und sein Kollege Björn Freudenberg optimistisch in die Zukunft. Die Auftragsbücher von Universal Transport und W & F Franke sind jedenfalls voll und die Frage, wann für sie das nächste Transportprojekt ansteht, beantworten beide Prokuristen einstimmig mit "täglich".

Nachfrage nach Schwertransporten von Windanlagen wird zunehmen

Freudenberg geht davon aus, dass die ohnehin schon hohe Nachfrage nach Schwertransporten von Windanlagen künftig sogar noch weiter zunehmen wird. Das setzt qualifizierte Mitarbeiter voraus. Der W & F-Franke Mann setzt daher auf die Ausbildung im eigenen Haus. Er kann er sich gut vorstellen, dieses Engagement in Zukunft weiter auszudehnen. Auch Universal Transport rechnet mit einer steigenden Nachfrage und neuen Herausforderungen für Logistiker. 2011 fusionierte das Unternehmen mit der Windenergie Logistik (WEL), einer Logistik-Tochter des Anlagenherstellers und langjährigen Kunden RE-Power. Universal Transport übernahm alle Mitarbeiter und schuf mit der Gründung der Universal Windkraft Logistik (UWL) sogar einen eigenen Geschäftszweig geschaffen, der auf den Bereich Windkraftlogistik spezialisiert ist.

Universal Windkraft Logistik bietet von der Planung bis zur Wartung alles an

"Ein Unternehmen in diesem Segment muss einfach breit aufgestellt sein", erklärt Dechant die Fusion. "Wir wollten die Branche Windkraft bewusst weiter ausbauen, denn das zahlt sich am Ende für alle Kunden aus." Inzwischen bietet der Paderborner Schwerlastlogistiker im Bereich Windkraft alles an: von der Planung und Lagerung über den Streckenausbau und der Sicherung bis hin zu Montage und Wartung. Das Geschäft mit der Windenergie boomt. Für breit aufgestellte Transportunternehmen wie Universal Transport geht es deshalb weiterhin steil bergauf.

Das Video der Windpower Offshore Base Sassnitz/Mukran zeigt den Aufbau einer Windkraftanlage.

Mehr zum Thema Energiewende finde Sie im Artikel "Energiewende bringt Profit"

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