WHTC-Abgastestzyklus Die Stadt wird wichtiger

Der WHTC-Abgastestzyklus Foto: Daimler

Mit Euro 6 findet auch ein Wechsel vom europäischen zum weltweit gültigen Abgastestzyklus statt. Was sind die Auswirkungen?

Die Einführung der Abgasnorm Euro 6 zum Jahreswechsel schraubt die Anforderungen an die Abgasqualität immens hoch – so viel dürfte allgemein bekannt sein. Europas modernste Lkw und Busse stoßen fortan 98 Prozent weniger Stickoxide (NOx) und Rußpartikel (PM) aus, 88 Prozent weniger Kohlenwasserstoffe (HC) sowie 66 Prozent weniger Kohlenmonoxid (CO), verglichen mit Nutzfahrzeugen, die vor Einführung der Euro-Normen zum Einsatz kamen.

Euro-6-Lkw ist Saubermann in puncto Stickoxide

"Damit emittiert ein Euro-6-Lkw mit 40 Tonnen Gesamtgewicht dieselbe Menge NOx wie ein durchschnittlicher Euro-5-Pkw", sagt Dr. Dirk Bergmann, Chef der Fiat-Powertrain-Technologies-Motorenforschung in Arbon in der Schweiz.

Ebenso dürfte weithin bekannt sein, dass die europäischen Lkw-Hersteller eine Kombination von innermotorischer Emissionsbekämpfung durch Abgasrückführung (AGR) und nachmotorischer Behandlung per selektiver katalytischer Reduktion (SCR) in unterschiedlichen Ausprägungen gewählt haben. Allein Iveco vertraue bei der schweren Lkw-Bau­reihe Stralis auf das Hi-SCR-System ganz ohne AGR – des besseren Verbrauchs wegen, wie Bergmann argumentiert. Ohne Partikelfilter (DPF) kommt mit Euro 6 indes kein Hersteller mehr aus. Die Ursache dafür  ist, dass mit Euro 6 neben der Partikelmasse (PM) auch die Partikelzahl (PN) gemessen wird. Damit sollen die lungengängigen, ultrafeinen Rußpartikel bekämpft werden.

Abgaswerte müssen der Realität standhalten

Weniger bekannt sind drei weitere Anforderungen, die mit Euro 6 Einzug halten. Der europäische Gesetzgeber schreibt nun vor, dass über eine Laufleistung von 700.000 Kilometern oder sieben Jahren die auf dem Prüfstand nachgewiesenen Abgaswerte auch im Feld, also der Straße, nachweislich eingehalten werden müssen.
Zudem wird nun fehlendes Adblue, das Reduktionsmittel für den SCR-Kat, strenger durch die Bordelektronik sanktioniert und auch der Abgasmesszyklus vor Zulassung eines neuen Fahrzeugmodells hat sich geändert – mit deutlichen Folgen für die Motorenentwickler.

Der europäische Gesetzgeber ist bestrebt, dass die Abgasemissionen, die auf dem Prüfstand nachgewiesen werden, auch jenen entsprechen, die im tatsächlichen Fahrbetrieb entstehen. Das dient nicht nur der Glaubwürdigkeit des Verfahrens in der Öffentlichkeit, es erlaubt auch einen wirksameren Schutz von Umwelt und Klima.

Bei Daimler heißt es, die Nutzfahrzeugindustrie habe den Wechsel der europäischen Standardmessverfahren ETC (European Transient Cycle) und ESC (European Stationary Cycle) hin zum weltweit harmonisierten beziehungsweise repräsentativen Testzyklus WHTC (World Harmonized Test Cycle oder WHDC: World Heavy Duty Cycle) teilweise selbst angestoßen und von Anfang an unterstützt.

WHTC: Deutlich größerer Stadtanteil

Den WHTC, der laut Scania aus zwei Testphasen mit einer zehnminütigen Pause dazwischen besteht, kennzeichnet die Prüfstandsimulation mit einem deutlich größeren Stadt- (50 Prozent) und Niedriglastanteil sowie einem Kaltstartzyklus. Enthalten sind weiterhin auch Überland- und Autobahnanteile.

Nur dass der ETC die Anteile gleich gewichtet hat, der WHTC wertet in etwa 2 (Stadt) zu 1 (Überland) zu 1 (Autobahn). Größter Unterschied zu den bisherigen Messverfahren ist der erste Zyklus. Er beginnt bei Zimmertemperatur, der sogenannten Kaltphase, und geht mit 14 Prozent in die Gesamtbeurteilung ein. Diesen Annahmen liegen laut Daimler Fahrdaten von mehr als 80 Nutzfahrzeugen aus Australien, Europa, Japan und den USA zugrunde.

Damit neue Nutzfahrzeuge Euro 6 erfüllen, müssen Motoren und Abgas-Nachbehandlungssysteme laut Scania möglichst schnell auf Betriebstemperatur kommen und dann dort gehalten werden, um ihre Wirksamkeit zu erreichen. Bei Daimler heißt es, dass dazu ein sogenannter Heizbetrieb zum Einsatz kommt. Wie das genau bewerkstelligt wird, hängt vom Know-how des jeweiligen Herstellers ab.

Rohemissionen werden während Kaltstart gering gehalten

Scania und Daimler erklären die wesentlichen Grundzüge: Während des Kaltstarts werden die Rohemissionen des Motors gering gehalten, also eine Betriebsphase mit hoher Abgasrückführungsrate, um dann bei Erreichen der Betriebstemperatur in den deutlich effizienteren, sprich verbrauchsgünstigeren Normalbetrieb zu wechseln.

Zusätzlich verfügen die Motoren je nach Baureihe über technische Möglichkeiten wie HC-Doser (spritzt zum Abbrennen der Rückstände im Filter Kraftstoff ein), teilweises Schließen der Abgasklappe, späterer Einspritzzeitpunkt und veränderte Einstellung des VTG-Laders, um unter allen Bedingungen die zuverlässige Regeneration des Partikelfilters während des normalen Fahrbetriebs zu ermöglichen.

Übrigens: Trotz des Namens ist der WHTC (noch) nicht weltweit zum Standard erhoben. Nach Angaben von Daimler will Japan 2016 folgen, die USA zu einem späteren Zeitpunkt, der noch nicht näher bestimmt wurde.

Aktuelle Fragen Bullenfänger illegal? Sind Bullenfänger in Deutschland erlaubt? LNG/LPG (Unterschied) Warum LNG statt LPG? Tageskontrollblätter Können die Lenk- und Ruhezeiten über Tageskontrollblätter aufgezeichnet werden?
Betriebsstoffliste 2023
Mehr als 2.500 Produkteinträge

Immer auf dem neuesten Stand: Die DEKRA Betriebsstoffliste 2023

Kostenloser Newsletter
eurotransport Newslettertitel Jetzt auswählen und profitieren

Maßgeschneidert: Die neuen Themen-Newsletter für Transportprofis.

eurotransport.de Shop
Web Shop Content Teaser Der Shop für die, die es bringen.

Zeitschriften, Bücher, Lkw-Modelle, Merchandising und mehr.