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Werkverträge stehen am Pranger Auf den Inhalt kommt es an

Arbeitsrecht: Werkverträge Foto: Bilski

Werkverträge stehen am Pranger. Unternehmen müssen mehr denn je darauf achten, die Grenze zur Arbeitnehmerüberlassung nicht zu überschreiten.

Werkverträge sind massiv in der Kritik. Vor allem die Gewerkschaften rufen laut nach neuen Regelungen, weil in ihren Augen der Werkvertrag die Leiharbeit als Mittel der Unternehmen abgelöst hat, um ohne Rücksicht auf das Personal Kosten einzusparen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Bayern hat aktuell einen neuen Report mit dem Titel "Werkverträge in Bayern – Das neue Lohndumping-Instrument" verfasst. Als Beispiele für die Logistikbranche hält die Scherm Gruppe aus Probfeld her, die im GVZ Ingolstadt für den Autohersteller Audi im Rahmen von Werkverträgen etwa den innerbetrieblichen Transport von Teilen übernimmt.

Daimler am Pranger

Auch die Fiege Logistik findet sich in dem Report. In einem eigenen Logistikcenter auf dem Werksgelände von Eurocopter in Donauwörth übernimmt der Logistiker etwa die Wareneingangsprüfung, Lagerhaltung und innerbetrieblichen Transport. Laut dem Bericht, der sich hauptsächlich auf Aussagen von Betriebsräten und Gewerkschaften stützt, sind die Mitarbeiter beider Unternehmen räumlich getrennt, Fiege nutze aber Arbeitsmaterial und Ausstattung von Eurocopter.

Zwei Urteile zum Thema Werkvertrag sind ganz aktuell: So hatte Daimler zuletzt im Juli einen Termin vor dem Landesarbeitsgericht Stuttgart, bei dem es um die Wirksamkeit von Werk- beziehungsweise Dienstverträgen ging. Der Vertrag bestand zwischen Daimler und einem IT-Systemhaus. Zwei dort frei beschäftigte IT-Fachkräfte waren im Rahmen von Werkverträgen fast zehn Jahre ausschließlich an Daimler-Standorten tätig und erledigten auf Ticketbasis die EDV-Betreuung. Im Kern ging es um die Frage, ob die beiden in den Betrieb des Fahrzeugkonzerns eingegliedert waren und arbeitsrechtliche Anweisungen erhielten.

Klage stattgegeben

Ja, urteilte das Landesarbeitsgericht, und zwischen den IT-Fachkräften und dem Autobauer sei damit ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Einen Termin für das Beschlussverfahren sagt das Landesarbeitsgericht allerdings ab – auf Wunsch des Betriebsrats und von Daimler, die "wegen außergerichtlicher Gespräche" darauf verzichten.

Auch das Landgericht Hamm befasste sich erst kürzlich wieder in einer Einzelfallentscheidung mit dem Thema Werkverträge beziehungsweise Arbeitnehmerüberlassung (AZ: 3 Sa 1749/12). In dem vorliegenden Fall ging es um Leistungen im Bereich Facility Management – Reinigungsarbeiten, Poststellendienste, Wareneingang –, die ein Unternehmen für eine Bertelsmann-Tochter ausführte. Der damit betraute Arbeitnehmer klagte irgendwann auf unbefristete Einstellung – und bekam Recht.

In diesem Fall kein Werkvertrag

"Maßgeblich für die Abgrenzung der Vertragstypen ist der Geschäftsinhalt, der sich sowohl aus den Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben kann", heißt es im Beschluss. Weil das Reinigungsunternehmen aber zum einen keine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung hatte und auch nicht vortragen konnte, welche Abmachungen es über die Tätigkeit des Mitarbeiters gab – seine Arbeitsanweisungen erhielt der Mitarbeiter allein von der Bertelsmann-Tochter –, bestand nach Ansicht des Gerichts hier kein Werk- oder Dienstvertrag. Stattdessen habe vielmehr ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen dem Arbeitgeber der Klägers und der beklagten Firma bestanden – die ihn nun einstellen muss.

Drei Fragen an

Edina Brenner, Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des Landesverbands Bayerischer Spediteure (LBS).

trans aktuell: Frau Brenner, werden heute in der Logistik mehr Werk- und Dienstverträge abgeschlossen als in der Vergangenheit?

Brenner: Grundsätzlich ist der Werkvertrag eine legitime, im BGB verankerte Vertragsmöglichkeit, die von wirklich jeder Branche in Anspruch genommen wird. Worauf der DGB-Report abzielt, ist eine ganz normale, wirtschaftliche Entwicklung. In einer globalisierten Welt konzentriert sich jedes Unternehmen auf seine Stärken. Die Industrie auf ihr Kerngeschäft, die Spedition übernimmt im Rahmen von Werkverträgen die gesamte Logistik. Das beginnt mit dem Transport von Material, Rohstoffen, Ersatzteilen bis hin zur Verteilung des Endproduktes, umfasst gegebenenfalls die Lagerhaltung, die Kommissionierung, das Qualitätsmanagement, bis hin zu Vor- und Endmontage­tätigkeiten.

Gibt es eine Grundlage für den Vorwurf des Lohndumpings?

In diesen Logistikprojekten geht es in allererster Linie um Effizienz und genau die kann die Speditions- und Logistikbranche in hervorragender Weise bieten, da Logistik ihr Kerngeschäft ist. In Bayern arbeiten unsere Mitgliedsbetriebe, gerade auch in der Kontraktlogistik, auf Basis des bayerischen Tarifvertrages für das Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe. Diesen Tarifvertrag haben wir rechtswirksam mit der Gewerkschaft Verdi abgeschlossen, einer der Mitgliedsgewerkschaften des DGB. Insofern finden wir es mehr als befremdlich, eine Branche, die auf Basis eines mit einer Mitgliedsgewerkschaft des DGB geschlossenen Tarifvertrages arbeitet, in einem Zug mit Lohndumping zu nennen.

Braucht es vonseiten der Politik eine noch strengere Regulierung der Bedingungen für Werk- oder Dienstvertrag?

Nein, definitiv nicht.

Die Abgrenzung

Werkvertrag
Der Werkvertrag wird ab Paragraf 631 des BGB geregelt.

Für einen Werkvertrag sind folgende Merkmale maßgeblich:

  • 
Erstellung eines konkret bestimmten Werkergebnisses beziehungsweise die Veränderung einer Sache.
  • 
Eigenverantwortliche Organisation aller Handlungen durch den Werkunternehmer. 
  • Weisungsrecht des Werkunternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern.
  • 
Keine Eingliederung der Arbeitnehmer in die Arbeitsabläufe oder in den Produktionsprozess des Leistungsnehmers.
  • 
Ergebnisbezogene Vergütung, grundsätzlich keine Abrechnung nach Zeiteinheiten.
  • 
Beiträge zur Sozialkasse werden durch das Werkunternehmen gezahlt.

Arbeitnehmerüberlassung
Die Arbeitnehmerüberlassung wird über das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) geregelt.

Merkmale der Arbeitnehmerüberlassung:

  • 
Der Arbeitgeber (Verleiher) überlässt seine Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) einem Dritten (Entleiher) für eine bestimmte Arbeitsleistung.
  • 
Die Überlassung ist erfüllt, indem der Arbeitgeber geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stellt.
  • 
Der Entleiher darf dabei die entliehenen Arbeitnehmer nach seinen eigenen Erfordernissen in seinem Betrieb einsetzen.
  • 
Die Vergütung erfolgt nach den gesetzlich vereinbarten Tariflöhnen.
  • 
Der Verleiher ist verpflichtet, die Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, haftet im Einsatzfall der Entleiher.
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