Weißbuch zum autonomen Fahren Selbstfahrendes Fahrzeug zum Greifen nah

environement, lke, autonomes, fahren, animation, grafik Foto: Daimler und Benz Stiftung

Nach zweijähriger Forschungsarbeit präsentierte die Daimler und Benz Stiftung ein Weißbuch zum autonomen Fahren. Das gut 700 Seiten starke Machwerk gibt Antworten zu technischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Problemen, wirft aber gleichzeitig viele neue Fragen auf.

Selbstfahrende Autos stehen in den Startlöchern. Schon vor zwei Jahren absolvierte eine S-Klasse von Mercedes-Benz die gut 100 Kilometer lange Route zwischen Mannheim nach Pforzheim im autonomen Fahrmodus. Prototypen von BMW pendeln auf der Autobahn zwischen München und Nürnberg, Google kreuzt mit seinem Roboter-Prius durch Nevada und Kalifornien, Audi ließ in Las Vegas einen Wagen fahrerlos durch ein Parkhaus kurven, MAN werkelt an einem Lkw zur Baustellensicherung auf Autobahnen, der sich mit doppelter Schrittgeschwindigkeit autonom auf dem Standstreifen fortbewegt und Daimler schickt jetzt mit dem Freightliner Inspiration Truck den weltweit ersten autonom fahrenden Schwer-Lkw mit Straßenzulassung durch Nevada. Und bis der erste Stadtbus im Versuchsmodus autonom Haltestellen ansteuert, dürfte nur eine Frage von wenigen Monaten sein.

Akzeptanz in der Gesellschaft

Technisch scheinen die Selbstfahrkarossen zum Greifen nah. Doch um die innovative Technik auf die Straßen zu bringen, braucht es die Akzeptanz in der Gesellschaft. Erst wenn alle ethischen, sozialen, juristischen, psychologischen und verkehrstechnischen Fragen geklärt sind, wird automatisiertes Fahren auch gesellschaftsfähig sein. Um alle gesellschaftlichen Kreise über den bevorstehenden Mobilitätswandel zu informieren und die Menschen auf diesem Weg mitzunehmen, hat die Daimler und Benz Stiftung ein Weißbuch ihres Förderprojekts "Villa Ladenburg – Autonomes Fahren" veröffentlicht. Das über 700 Seiten starke Machwerk sei eine objektive und unabhängige Wissensbasis zu gesellschafts- und zukunftsrelevanten Fragestellungen rund um das autonome Fahren. Es soll Vertretern von Politik und Wirtschaft, Medien und Forschung sowie der interessierten Öffentlichkeit eine wissenschaftliche Basis für die weitere Diskussion an die Hand geben.


"Es ist unverzichtbar, das komplexe Themenfeld ‚Autonomes Fahren‘ interdisziplinär zu sondieren. Die Gesellschaft muss eine Vorstellung davon entwickeln können, was Technik leisten kann und was nicht", erklärt Prof. Eckard Minx, Vorstandsvorsitzender der Daimler und Benz Stiftung. Vor diesem Hintergrund fördert die Stiftung seit über zwei Jahren Wissenschaftler, die sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen des autonomen Fahrens auseinandersetzten. Dafür gab es Stiftungsmitteln in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

Mobilität der Zukunft

"Die Voraussetzungen, um autonome Fahrfunktionen auf die Straße zu bringen, gehen weit über die technische Entwicklung hinaus und umfassen auch die Klärung rechtlicher und ethischer Fragen", bringt es Stiftungsratsvorsitzender und Daimler-Forschungsvorstand Prof. Thomas Weber auf den Punkt. Nur so könne die Gesellschaft den Mobilitätswandel begreifen und auch akzeptieren. Autonom fahrende Fahrzeuge werden den Straßenverkehr revolutionieren und die Mobilität der Zukunft bestimmen.

Menschen rechtzeitig informieren

"Was bei der Einführung von Gentechnik versäumt wurde, wollen wir beim autonomen Fahren nicht wiederholen. Das Weißbuch ist ein erster Schritt, die Menschen rechtzeitig zu informieren, sie mitzunehmen und Probleme öffentlich mit ihnen zu diskutieren", sagt der studierte Maschinenbauer. Das Auto der Zukunft werde elektrisch, vernetzt sowie sicher und autonom sein. Es wird sich laut Weber neben Wohnung und Arbeitsplatz zum dritten Lebensraum entwickeln und spielte dabei auf die im Januar dieses Jahres vorgestellte, autonom fahrende Luxuslimousine F015 an. Das Gefährt besitzt ein digitales, vernetztes Innenleben und wird von drehbaren Lounge-Sitzen aus intuitiv über Gesten und Berührungen auf hochauflösenden Touchscreens bedient.

Heute wäre so ein Selbstfahrauto nicht zulassungsfähig. Die Wiener Konventionen über den Straßenverkehr von 1968 verbieten das. Das Gesetz verlangt, dass der Fahrer jederzeit die Kontrolle über sein Fahrzeug haben muss. In zwei bis drei Jahren ist die Gesetzgebung in Richtung autonomes Fahren schon einen Schritt weiter, so der 60-Jährige. Dann könnten zumindest teilautonome Fahrzeuge im Verkehr starten. Den Autobahn-Pilot sieht der Daimler-Vorstand bis 2020 auf der Straße. Mehr kann es aus seiner Sicht nicht vor 2025 bis 2030 geben. Bis dahin sind aber noch eine Menge Fragen zu klären.

Fahrzeug braucht eine Art Entscheidungsethik

Eine davon lautet, ob und wie ein autonomes Fahrzeug Dilemma-Situationen lösen soll. In brenzligen Situationen muss es künftig Entscheidungen treffen, die die Gesellschaft idealerweise akzeptiert. Das heißt, das Fahrzeug braucht eine Art Entscheidungsethik. Nur: wie sieht die Erwartungshaltung dahinter aus? Welche Vorbehalte gibt es? "Das Ethik-Thema ist keine Frage der kommenden fünf Jahre, aber es könnte eine im Jahr 2050 sein", sagt Prof. Markus Maurer von der Technischen Universität Braunschweig. "Deshalb müssen wir schon jetzt dazu in den Diskurs treten."

Außerdem stellen sich die Fragen nach der Leistungsfähigkeit von Sensoren oder Kameras? Welche Veränderungen ergeben sich in der Alltagsmobilität, welche im Güterverkehr? Und wie können diese durch die Gesetzgebung begleitet werden? Nicht zuletzt ergibt sich die Diskussion, ob Menschen überhaupt noch Fahrzeuge lenken sollten, falls Fahrroboter künftig sicherer unterwegs wären.

Die Experten erhoffen sich von autonomen Fahrzeugen wesentliche Fortschritte bei der Unfallbekämpfung. Weltweit sterben jährlich über eine Million Menschen im Straßenverkehr. Die Zahl könnte deutlich sinken, wenn der Fehlerfaktor Mensch beim Fahren nicht mehr vorkommt. 90 Prozent der Unfälle sind auf menschliches Versagen zurückzuführen. Weber erinnerte in diesem Zusammenhang an die Vision Zero, dem Ziel der EU-Kommission, die Anzahl der jährlich 30.000 Unfalltoten auf Europas Straßen auf null zu bringen. Mit dem Mensch alleine sei das nicht zu schaffen. Nur mit dem autonomen Fahren käme man dem Ziel näher.

30 Wissenschaftler stellen Analysen vor

Das Weißbuch ist das erste Werk zum Thema autonome Fahrzeuge. Es liefert keine fertigen Endergebnisse, sondern fasst den derzeitigen Stand der Dinge auf wissenschaftlicher Basis zusammen und stellt darüber hinaus viele Fragen, die weit über das rein autonome Fahren hinausgehen. Fast 30 Wissenschaftler stellen in individuellen Autorenbeiträgen ihre fundierten, objektiven Analysen vor. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählen die Implementierung autonomer Fahrzeuge in das bestehende Verkehrssystem, die Mensch-Maschine-Interaktion, rechtliche Rahmenbedingungen, Daten- und Unfallsicherheit, die Entwicklung von Städten, der Umgang mit Risiken sowie die Akzeptanz seitens der Gesellschaft und des Marktes.

Mit dem Weißbuch sind die Forschungen nicht beendet. "Das war erst der Anfang" kommentiert Prof. Eckard Minx. Im Frühherbst will der Stiftungschef weitere Ergebnisse veröffentlicht. Dann soll auch ein "kleines Buch für Laien" vorliegen, das die hochwissenschaftlichen Abhandlungen auf verständliche Kurzformen herunterbricht und besser verständlich macht.






Drei Phasen bis zum Autopilot

Beim teilautomatisierten Fahren muss der Fahrer die automatischen Funktionen ständig überwachen und darf keiner fahrfremden Tätigkeit nachgehen.

Beim hochautomatisierten Fahren muss der Fahrer das System nicht mehr dauerhaft überwachen. Fahrfremde Tätigkeiten in begrenztem Umfang sind denkbar. Das System erkennt seine Grenzen selbst und gibt die Fahraufgabe rechtzeitig und mit genügend Zeitreserve an den Fahrer zurück.

Beim vollautomatisierten Fahren kann das System alle Situationen autonom meistern. Der Fahrer muss das System nicht mehr überwachen und darf fahrfremden Tätigkeiten nachgehen. In dieser Stufe ist ein fahrerloses Fahren möglich.

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