Befragung zur Halbzeitbilanz des Weißbuchs Verkehr offenbart Mängel bei Umsetzung.
Das Weißbuch Verkehr der EU-Kommission, obwohl aus dem Jahr 2011, ist noch auf der Höhe der Zeit. Doch in einigen Punkten ist es zu ehrgeizig und teils unrealistisch. Das ist das Ergebnis einer öffentlichen Befragung von Interessenvertretern aus Wirtschaft und Verwaltung sowie von Gewerkschaften und anderen Organisationen, deren Auswertung jetzt vorliegt.
Wirtschaft kritisiert fehlende Einbindung in die Planung
Auf die Fragen der Brüsseler Behörde waren 264 verwertbare Antworten eingegangen, davon nannten zwei Drittel (176) die Treibhausgasemissionen als wichtigstes Problem, das es zu lösen gelte. Danach folgten die Entwicklung der Infrastruktur (174), Innovation (168), Öl- und Energiepreisen (165) sowie der Finanzierung der Infrastruktur (164). Mehrere Befragte waren aber auch der Ansicht, es sei noch zu früh für eine sachgerechte Einschätzung.
Dreiviertel der Teilnehmer halten die Prioritäten des Weißbuchs zwar immer noch für wichtig, bemängeln aber fehlende Klarheit. Die Ziele seien schwer zu erreichen, häufig fehle es an realistischen Ansätzen, aber auch an einer Strategie, so die Auswertung. Erschwerend komme hinzu, dass es an Geld für die Entwicklung der Infrastruktur mangele. Verlangt wird eine solide Projektplanung mit umsetzbaren Kurz- und Mittelfristzielen, Am erfolgreichsten seien die Themen Transport- und Verkehrssicherheit sowie Forschung und Entwicklung angegangen worden. Auch beim Transportbinnenmarkt schnitt das Weißbuch gut ab. Aber in Bezug auf Steuern, intelligente Gebühren, gute Arbeitsplätze und
-bedingungen sowie Servicequalität und Verlässlichkeit sehen die Befragten sehr wenig Fortschritte.
Auch die Förderung eines nachhaltigeren Verhaltens falle nicht positiv auf.
Mehr als die Hälfte der Interessenvertreter fühlt sich nicht ausreichend eingebunden (56 Prozent). Die Zusammenarbeit mit der Kommission kam bei 75 Prozent nicht gut weg. So vermittele sie ihre Strategie nicht sachgemäß. Auch die Fortschritte bei der Umsetzung der Maßnahmen würden nicht entsprechend kommuniziert. Die große Mehrheit der Befragten (84 Prozent) ist mit der Abarbeitung der Weißbuchziele unzufrieden und macht dafür in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich.
Viele Maßnahmen würden im Verkehrsministerrat blockiert, das Parlament setze andere Schwerpunkte und schließlich zeigten die EU-Länder keinen großen Ehrgeiz, das Erreichte in die nationale Gesetzgebung zu übernehmen. Unterschiedliche Prioritäten und Protektionismus erschwerten eine grenzüberschreitende Planung.
Arbeitsbedingungen sind unwichtig
Aus 45 Antworten ging hervor, dass die Arbeitsbedingungen als unwichtig erachtet werden. Das Thema stand ebenso wie Sicherheit und soziale Verantwortung nur bei den Gewerkschaften hoch im Kurs. Insgesamt wurde eine bessere Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation gewünscht. Die Sozialpartner kritisierten, dass die Auswirkungen der Liberalisierung mit ihren negativen Begleiterscheinungen nur schlecht abgeschätzt wurden. Die Öffnung der Märkte sei wegen schlechterer Arbeitsbedingungen nicht grundsätzlich ein Erfolg gewesen, es werde zu viel auf den Markt vertraut.
Verlagerung hinterfragt
Eine Reihe von Kommentaren hat sich mit der Verkehrsverlagerung befasst, berichtet die Kommission. Insbesondere die Binnenschifffahrt fühlt sich nicht genügend beachtet. Während die Bahnen der Ansicht waren, dass eine Verlagerung zur Reduzierung von Kohlendioxidemissionen beitrage, stellte die Straßentransportbranche ebendies in Frage. Das Verlagerungsziel berücksichtige nicht die Bedeutung der Tür-zu-Tür-Mobilität, und es werde nicht genug Nachdruck auf eine Verbesserung der Effizienz des Straßentransports gelegt. Überhaupt müsse erst einmal nachgewiesen werden, dass eine Verlagerung auf die Schiene technisch machbar sei.
Grundsätzlich solle der Markt entscheiden, so dagegen die Wirtschaftsvertreter, was die besten neuen Lösungen angesichts der gegenwärtigen Herausforderungen seien und sich die Kommission mit regulatorischen Eingriffen zurückhalten.