USA-Lkw Längst nicht mehr altmodisch

Foto: Werner Stumreiter 25 Bilder

Heute nehmen wir uns die dekorativen amerikanischen Sattelzugmaschinen zur Brust. Außerdem erfährt der geneigte Leser, wie stark die Amis in den vergangenen Jahren technisch aufgeholt haben und was an Aufliegern und an der Rampe in Nordamerika üblich ist.

Jeder kennt sie, die meisten lieben sie: Ami-Sattelzugmaschinen. Trailer dürfen hier 53 Fuß (16,5 m)  lang sein, und die Gesamtlänge darf 23 Meter nicht überschreiten, somit bleibt genügend Platz für Sicherheit (Motorhaube) und ein wenig Lebensqualität. Ich für meinen Teil würde nicht mehr um viel Geld einen europäischen Cabover fahren, ein 75 Zentimeter breites Bett? Nein, Danke. Meines ist 1,30 Meter breit.

Ich behaupte, in den sieben Jahren in denen wir jetzt hier sind, hat eine Revolution stattgefunden. Unser erster International Eagle hatte noch eine Kupplung die einen Anpressdruck von 73 Pfund erforderte. Sie wurde nur zum Anfahren benutzt. Standheizungen waren so gut wie unbekannt. Die Motoren schluckten so um die 50 Liter pro 100 Kilometer, und es zog an allen Ecken und Enden erbärmlich rein. Man ließ die Motoren ganzjährig  nachts erbarmungslos bei 1.100 Umdrehungen laufen. Truckstopps  waren Auspuffgas geschwängerte Lärmhöllen.

US-Trucks haben technisch stark aufgeholt

Unser Peterbilt hat einen mit Euro 6 vergleichbaren abgasgereinigten Cummins-Motor mit 475 PS, der sich im Schnitt mit 32 Litern auf 100 Kilometer begnügt. Wir haben Standheizung, Motorheizung und einen Batterypack, der zehn Stunden Klimaanlage im Stand ermöglicht. Und das Loch zwischen Fahrer und Beifahrer, das früher mit einer einfachen Gummitülle abgedeckt war und aus dem der Schalthebel ragt und sämtliche Geräusche von Motor und Getriebe ungedämmt hören lies, ist perfekt gekapselt. Das Wehklagen des  unsynchronisierten 13-Gang-Fuller-Getriebes, wenn man sich mal verschaltet hat, ist kaum noch zu hören.  Die Kupplung ist leichtgängig. Zugegeben so leise wie ein MAN ist ein US Truck nicht, aber man bekommt keinen Gehörschaden mehr. Automatikgetriebe gibt es nur wenige. In Kanada kann die nächste Werkstatt schon mal 500 Kilometer weg sein. Und dann mit dem Notgang mit zehn Stundenkilometern oder von Dr. Hook, dem Abschleppdienst, 500 Kilometer in die Werkstatt geschleppt zu werden, nur um eine Sicherung auszuwechseln?

Auch haben wir keinerlei Scheibenbremsen. Der Schluss, dass wir hier technisch hinterherhinken ist dennoch falsch, es gäbe hier alles was es in Europa auch gibt, nur: Keiner will es haben!  Es sind nicht nur die Entfernungen. Kanada ist eine einzige Werkstattmisere. Es gibt viel zu wenig Vertragswerkstätten. Es kann Tage dauern bis sich eine Werkstatt wegen Überlastung deiner erbarmt. So hat Bewährtes Vorrang.

Dry Van ist die übliche Aufliegerart

Kommen wir zum Wichtigsten, dem Auflieger. In USA und Kanada werden circa 80 Prozent aller Lkw Ladungen im sogenannten Dry Van, im Kofferzug verladen. Ein Dry Van besteht aus zwei Teilen, einem rahmenlosen Koffer, der seine Stabilität durch Verstärkungen in den Seitenwänden erhält und dem Achsaggregat, dass auf zwei kleinen Schienen unter dem Koffer verschoben werden kann.  Es gibt unzählige Achs-, Gewichts- und Längenkombinationen, in verschiedenen Staaten und Provinzen. Das längste dürfte wohl die Kombination von drei 16,5m langen Aufliegern hintereinander zwischen Saskatoon und Regina in Kanada sein. Der Fantasie sind hier fast keine Grenzen gesetzt.

Einheitlich ist nur eine Kombination: Dreiachszugmaschine mit Zweiachsauflieger. Gesamtlänge bis zu 23 Meter, Aufliegerlänge 53 Fuß (=16,15 Meter). In den USA darf das Gesamtgewicht 80.000 Pfund (36,3 Tonnen) betragen, in Kanada sind es 88.000 Pfund oder 39,9 Tonnen. Wichtig ist nicht nur das Gesamtgewicht sondern auch die Achslastverteilung: Die Lenkachse trägt 12.000 Pfund, die Antriebsachsen 34000 Pfund und die Trailerachsen ebenfalls 34000 Pfund. Da nicht alle Ladungen gleich verteilt sind, so können Sattelkupplung und Achsaggregat verschoben werden.

Einheitliche Rampenhöhe in ganz Nordamerika

Antriebsachsen und Trailerachsen sind luftgefedert, aber es gibt an der Sattelzugmaschine nur Fahr- und  Absattelposition und am Trailer Fahr- und Parkposition. Rangiert man den Trailer an die Rampe und zieht die Trailerbremse, so kann man ohne Höhenunterschied zwischen Rampe und Trailer entladen. In ganz Nordamerika gibt es eine einheitliche Rampenhöhe. Die Be- und Entladung ist ausschließlich Kundensache, in vielen Firmen ist sogar das Betreten des Lagers verboten. Das Palettenproblem ist das Problem des Kunden.

Eine gute Transportfirma hat drei Mal so viele Auflieger wie Zugmaschinen. Dem Kunden werden so viele Auflieger auf den Hof gestellt wie er braucht. Der kundeneigene Shuntertruck stellt die leeren Auflieger ans Dock und wieder zurück auf den Platz. Der Citytrucker der Transportfirma holt die Trailer in das Speditionsdepot und der Long Hauler fährt die Ladung entweder ins nächste Speditionsdepot oder, in Gegenden in denen kein Depot ist, auch mal zum Kunden. Beim Kunden gibt es in der Regel ein Appointment, einen festen Abladetermin. Zustände wie bei den großen Lebensmittelketten in Deutschland sind praktisch unbekannt. Es kann sogar vorkommen, dass man auf dem Parkplatz absatteln muss, und der Shunter den Auflieger ans Dock zieht. Solche Firmen sind gewerkschaftlich organisiert und die lassen sich nicht die Butter vom Brot nehmen.

Arbeitshandschuhe sind nur zum Auf-und Absatteln und zum Tanken nötig. Es gibt kein Werkzeug keinen Wagenheber an Bord. Bei Pannen genügt ein Anruf bei der Firma. Die organisieren die Reparatur. Nur Schneeketten aufziehen, sollte man unbedingt beherrschen, denn der Winter ist oft recht heftig in Kanada und circa einen Monat länger als in Europa.

Die Vor- und Nachteile des Lebens und Arbeitens als Fernfahrer in Nordamerika beschrieb Werner in diesem Artikel.

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