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Urteil Teurer Spaß mit Gefahrgut

Mineralölraffinerie Oberrhein Foto: Matthias Rathmann

Den Umweltschaden haben Unbekannte angerichtet, bezahlen muss die Transportfirma.

Dieser Vandalismus kam dem Unternehmen teuer zu stehen: Unbekannte hatten sich in Frankenthal an zwei von einer Transportfirma auf einem Lkw-Parkplatz abgestellten Gefahrguttransportern zu schaffen gemacht. Dabei öffneten sie unter anderem die Ablassventile. Am Ende liefen 10.000 Liter leicht entzündliches Isopropanol und 4.000 Liter Testbenzin ungehindert in den Boden und in die Kanalisation.

Nicht nur der Schrecken war bei der betroffenen Firma groß, noch viel schwerer wogen die finanziellen Folgen. Die muss nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Neustadt das Unternehmen tragen – auch wenn unbekannte Täter dafür verantwortlich waren.
Denn die Gemeinde musste eiligst umfangreiche Arbeiten in die Wege leiten, um zu verhindern, dass Grundwasser verunreinigt wurde. Dafür erhielt das Unternehmen die Rechnung – und klagte dagegen. Das Verwaltungsgericht Neustadt urteilte aber, dass die Transportfirma als Fahrzeughalterin für die Beseitigung der Umweltverschmutzung aufkommen muss (Az.: 4 K 696/15NW). Begründung: Das Unternehmen sei seinen Überwachungspflichten als Beförderer nicht nachgekommen.

"Der Beförderer nach dem Gefahrgutrecht ist das Unternehmen, das die Beförderung tatsächlich durchführt", sagt Erhan Kavuncu, Referent der Abteilung Industrie und Verkehr der IHK Region Stuttgart. Dem Unternehmen als Beförderer von Gefahrgut (nach § 19 Abs. 2 Nr. 18 i. V. m. Anlage 2 Nr. 3.3 GGVSEB und Abschnitt 8.4.1 ADR) wurde vorgeworfen, nicht dafür gesorgt zu haben, dass die Tanklastfahrzeuge ausreichend überwacht oder ausreichend gesichert im öffentlich zugänglichen Verkehrsraum geparkt wurden.

"Nach den hier genannten Vorschriften hat der Beförderer nämlich unter anderem die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die mit Gefahrgut beladenen und nach ADR kennzeichnungspflichtigen Tanklastfahrzeuge auch im ruhenden Verkehr überwacht werden", sagt der Gefahrgutexperte.

Nach Abschnitt 8.4.1 ADR dürfe in dort geregelten Fällen ausnahmsweise die Überwachung der Tanklastzüge außerhalb eines besonders bewachten Parkplatzes erfolgen, "wenn geeignete Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden". Diese Sicherungszwecke waren nach Ansicht des Gerichts allerdings nicht erfüllt: Bei dem jetzt in Neustadt verhandelten Fall waren die Armaturen der Ablasseinrichtungen  nach Ansicht der Richter nämlich nicht ausreichend gegen Sabotage oder einen unbefugten Zugriff gesichert, weil sie mit einem handelsüblichen, für jedermann verfügbaren Vierkantschlüssel zu öffnen waren.

"Damit stellten sie nach Ansicht des Gerichts offenbar kein ernsthaftes Hindernis für einen unbefugten Zugriff dar", sagt der Gefahrgutexperte. Mögliche Sicherungsmaßnahmen sind etwa ein abschließbares Schloss, möglicherweise sogar in Verbindung mit einer Alarmanlage. Sicherer ist zudem, wenn das Fahrzeug auf einem abgeriegelten oder bewachten Parkplatz oder Gelände steht.

Das Gericht sah es ferner als erwiesen an, dass die Absicherung der Tanklastfahrzeuge dem besonderen Sicherheitsbedürfnis der Vorschriften der GGVSEB (Gefahr­gut­ver­ord­nung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt) und ADR nicht genügte. Dementsprechend wurde das Unternehmen bereits als Beförderer von Gefahrgut wegen der Verletzung seiner Überwachungspflichten hinsichtlich der beiden Gefahrgutfahrzeuge vom Amtsgericht Frankenthal mit Beschluss vom 23. März 2015 zu einem Bußgeld von 200 Euro verurteilt.
Das Bußgeld war aber noch das geringste Problem: Das Gericht stellte fest, dass das Unternehmen nach § 4 Abs. 1 Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG) des Landes Rheinland-Pfalz für die Kostenerstattung der von der Stadt Frankenthal "abgewehrten Gefahren für den Wasserhaushalt" verantwortlich sei – und die rund 83.000 Euro dafür erstatten muss.

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Markus Werner Fachanwalt für Arbeitsrecht
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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