Unfälle im toten Winkel Kampf den Todeskreuzungen

Fahrradunfall 04.03.2014 Foto: Michael Gründel

Wie eine besonders unfallträchtige Kreuzung in Osnabrück zeigt, sind Spiegel kein Garant für Sicherheit. Abbiegeassistenten gelten als Hoffnungsträger.

Leben Radfahrer in Osnabrück gefährlicher als in anderen Städten? Diesen Eindruck bekommt man, wenn man sich mit dem Unfallgeschehen in der niedersächsischen Stadt in den vergangenen Jahren vertraut macht. Mehrere Radler starben bei Unfällen mit rechts abbiegenden Lkw. Fragwürdige Berühmtheit erlangte in dem Zusammenhang die Kreuzung Johannistorwall/Kommenderiestraße, an der bereits mehrfach Radfahrer von Lkw überrollt wurden. Die Kreuzung, an der allein 2014 zwei Radfahrer starben, trägt in Osnabrück den Beinamen Todeskreuzung.

Betroffenheit herrscht auch beim ortsansässigen Transport- und Logistikgewerbe. Es war voriges Jahr angetreten, solchen Unfällen dauerhaft einen Riegel vorzuschieben. Im März hatten sich mit diesem Ziel mehr als zwei Dutzend Unternehmen, darunter die Speditionen Hellmann, Meyer & Meyer und Serrahn zu einer Initiative zusammengeschlossen. Koordiniert wird sie von der IHK Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, dem Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) und dem Kompetenznetzwerk Individuallogistik (KNI).

Im Mai hatte die Initiative der Stadt 70 Konvexspiegel zur Verfügung gestellt, um die Kreuzungen für Lkw-Fahrer besser einsehbar zu machen. Ein halbes Jahr später die Ernüchterung: Auch ein Spiegel ist kein Garant für absolute Sicherheit. Denn ein sogenannter Trixi-Spiegel, der die Sicht auf Radfahrer und Fußgänger verbessern soll, hing auch unter einer der Ampeln an der Todeskreuzung. "Die Unfälle an der Ampel Kommenderiestraße sind schrecklich und haben mich insbesondere deshalb tief erschüttert, weil sie ausgerechnet an der Spiegel-Ampel passiert sind", schreibt Spediteur Siegfried Serrahn in einem Leserbrief an die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ).

Spiegel sind kein Allheilmittel

Das macht laut Serrahn eines deutlich: "Spiegel sind kein Allheilmittel", sagt er gegenüber trans aktuell. Daher macht er sich für die rasche Markteinführung von Abbiege-Assistenzsystemen stark. Daimler steht mit seinem Blind Spot Assistant kurz vor der Markteinführung. Und Serrahn geht davon aus, dass zur IAA Nutzfahrzeuge im September auch andere Hersteller wie Volvo, aber auch Zulieferer wie Continental oder Orlaco entsprechende Systeme präsentieren werden. 

Zwar betont der Unternehmer: "Auch Kamerasysteme sind kein Allheilmittel." Er wertet die Bemühungen der Fahrzeugindustrie trotzdem als großen Fortschritt und ist überzeugt, dass die Hersteller sich der Notwendigkeit dieser Systeme bewusst sind. Nicht umsonst habe Daimler die Funktionsweise des Abbiegeassistenten beim 2. Aktionstag Logistik vorigen September ausgerechnet in Osnabrück vorgestellt. Serrahn ist auch überzeugt, dass die Hersteller mit diesen Entwicklungen weltweit Impulse aussenden können.

Überhaupt ist es für den Spediteur wichtig, auf internationaler Ebene nach Lösungen zu suchen. So sehen es auch die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium (BMVI). Es hat einen runden Tisch zum Thema Abbiegeassistent für Lkw ins Leben gerufen. Ferner hat das Ministerium ein entsprechendes Forschungsprojekt auf den Weg gebracht, um die Grundlagen für ein Testverfahren für diese Systeme festzulegen, wie es in einer Halbzeitbilanz zum Verkehrssicherheitsprogramm 2011 bis 2020 heißt. 

Systeme verpflichtend im Lkw?

Als Nächstes will das Ministerium nun im Rahmen der UN-Wirtschaftskommission für Europa (UN-ECE) das weitere Vorgehen im Umgang mit diesen Systemen beraten. Ein zentraler Punkt dabei: der möglicherweise verpflichtende Einbau dieser Systeme in Lkw. Dafür macht sich auch Spediteur Serrahn stark. Bis es so weit ist, ist er allerdings schon froh, wenn die Systeme überhaupt mal am Markt verfügbar sind. 

Zwar wird das Gewerbe oft mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht das nötige Kleingeld für den Einbau solcher Sicherheitssysteme lockermachen zu wollen. Doch Spediteur Serrahn hält dagegen. "Ich bin mir sicher, dass die Unternehmen investieren werden", sagt er. Sowohl er als auch das BMVI weisen darauf hin, dass entsprechende Systeme im Rahmen des De-minimis-Programms förderfähig sind.

Es bewegt sich aber nicht nur auf nationaler oder internationaler Ebene etwas. Auch die Verantwortlichen der Stadt Osnabrück wollen den Unfällen nicht mehr länger tatenlos zuschauen. Ende November beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung, die Todeskreuzung grundlegend umzugestalten, um sie für Radfahrer sicherer zu machen. Die 110.000 Euro für den Umbau dürften gut angelegt sein. Mit Sicherheit.

Ausgezeichnete Sicherheit bei Edeka

Der Lebensmittelhändler Edeka hat ein eigenes System entwickelt, um Abbiegeunfälle von Lkw zu verhindern, und baut dieses sukzessive in seine Flotte ein. Die Regionalgesellschaft Südbayern aus Gaimersheim bei Ingolstadt wurde dafür in der Kategorie Verkehr unlängst auch mit einem Award der Prüforganisation Dekra ausgezeichnet und zum "Safety Champion 2015" gekürt. 

Bei dem Edeka-System können die Fahrer auf einem Bildschirm im Fahrerhaus dank einer verbauten Kamera den toten Winkel komplett einsehen. Sensoren an der Seite des Lkw erzeugen ein akustisches Signal, wenn sich zum Beispiel Fußgänger oder Radfahrer im toten Winkel befinden. 

"Unser System trägt direkt dazu bei, Bayerns Straßen für alle Verkehrsteilnehmer ein gutes Stück sicherer zu machen und zukünftig zahlreiche Abbiegeunfälle zu verhindern", erklärt der technische Leiter bei Edeka Südbayern, Anton Klott. Das System könne unabhängig vom Hersteller in jeden Lkw eingebaut werden. Mittelfristig will Klott alle 180 Fahrzeuge, die für Edeka Südbayern unterwegs sind, mit den Lebensrettern an Bord ausstatten lassen. 

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