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Einsatz von Telematiksysteme Nicht zu Lasten des Mitarbeiters

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Ein Arbeitgeber darf Telematiksysteme nur so einsetzten, wie mit dem Betriebsrat abgesprochen. Eine entsprechende Vereinbarung sollte aber gut formuliert sein.

Ein Satz und zwei verschiedene Interpretationsmöglichkeiten: Im vorliegenden Fall (Az.: 2 BV 196/12) hatte das Arbeitsgericht Dortmund einen Streitfall zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber – einer Spedition mit mehr als 30 Mitarbeitern – auf dem Tisch. Im Mittelpunkt stand dabei eine Betriebsvereinbarung, mit der Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung die Nutzung des Telematiksystems Fleetboard regeln wollten.

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei Verwendung von Telematikdaten

"Die Entscheidung bringt ein Stück mehr Klarheit", sagt  Rechtsanwalt Florian von Schaabner von der Kanzlei Nietzer & Häusler aus Heilbronn, "das Gericht klärt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates bei der Verwendung von Telematikdaten. Es stellt klar, dass Daten von Fleetboard und anderen elektronischen Ortungsmitteln und Systemen nur mit Zustimmung des Betriebsrats zur Überwachung von Leistung und Verhalten verwendet werden. Hält sich der Arbeitgeber nicht daran, kann der Betriebsrat Unterlassung verlangen."

In der Betriebsvereinbarung zur Verwendung des Telematiksystems einigten sich beide Parteien darauf, dass mit Fleetboard eine wirtschaftliche Fahrweise im Unternehmen gefördert werden sollte. In der Schlussbestimmung der Vereinbarung hieß es, dass eine Kündigung der Vereinbarung nur aus wichtigem Grund erfolgen könne, so etwa bei Nichteinhalten der Bestimmungen der Vereinbarung. Ein weiterer Satz lautete: "Sie dient nicht zur Leistungsüberwachung und kann daher auch nicht negativ für den einzelnen Fahrer  bewertet werden …"

GPS-Daten als Beweismittel

Nicht nur sperrig, sondern auch missverständlich: Der Betriebsrat wollte nach Ansicht des Arbeitsgerichts mit dem Satz ausschließen, dass die Fleetboard-Daten überhaupt zu Lasten einzelner Fahrer negativ verwendet werden können. Der Arbeitgeber interpretierte den Passus so, "dass nur eine negative Bewertung der wirtschaftlichen Fahrweise untersagt werden sollte", so schreibt das Gericht.

Eine Maßregelung der Fahrer, weil ihre Fahrweise nicht wirtschaftlich genug war, gab es dann auch nicht. Aber die Firma nutzte die mittels des Systems gewonnenen Daten anderweitig: Einer der Fahrer erhielt mehr als ein halbes Jahr nach Unterzeichnen der Betriebsvereinbarung drei Abmahnungen, weil er Pausenzeiten nicht ordnungsgemäß auf den Tagesberichten ausgewiesen haben soll. Als Beweis für die Arbeitszeitverstöße dienten dem Unternehmen die GPS-Positionsdaten aus dem Fleetboard-Gerät im Fahrzeug – für den Betriebsrat ein klarer Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung. Die Mitarbeitervertretung forderte daher den Arbeitgeber auf, die Telematikgeräte unverzüglich auszubauen. Zudem kündigte der Betriebsrat erbost die Betriebsvereinbarung.

Kontrolle von Leistung und Verhalten des Fahrer per Gerät ist verboten

In seinem Beschluss untersagt das Arbeitsgericht Dortmund dann der Spedition auch, die Geräte zur Kontrolle von Leistung und Verhalten der Fahrer einzusetzen, soweit dies nicht die wirtschaftliche Fahrweise im Sinne der Betriebsvereinbarung betrifft. Die Daten dürfen selbst dann nicht zu Lasten des Mitarbeiters verwendet werden, wenn sich beispielsweise Arbeitszeitverstöße ergeben. Im Falle einer Zuwiderhandlung droht dem Unternehmen ein Ordnungsgeld von bis 10.000 Euro.

Ausbauen muss das Unternehmen die Telematik aber nicht. Und auch die Betriebsvereinbarung wird beibehalten: Denn laut dem Gericht ist sie vom Betriebsrat nicht wirksam gekündigt worden. Eine ordentliche Kündigung hätten beide Partner ja schon ausgeschlossen, für eine fristlose Kündigung liege aber kein wichtiger Grund vor. "Allein der Verstoß des Arbeitgebers gegen die Regelungen einer Betriebsvereinbarung kann nicht stets einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung der Betriebsvereinbarung zur Folge haben." Stattdessen habe der Betriebsrat bei einem Verstoß die Möglichkeit, diesen überprüfen zu lassen und dem Arbeitgeber erneute Verstöße zu untersagen. "Dies gilt insbesondere dann, wenn eine sprachlich etwas ungenaue Regelung vom anderen Betriebspartner anders verstanden wird."

Betriebsrat redet mit

Laut Anwalt Florian von Schaabner zeigt das Urteil ganz klar, dass der Betriebsrat bei der Anbringung und dem Betrieb von Kontrollsystemen mitredet. "Deshalb ist es sinnvoll, das Thema offensiv anzugehen", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht. "Mit einer gut durchdachten Betriebsvereinbarung lassen sich mögliche Konflikte bereits im Vorfeld vermeiden." In einem Punkt enttäuschte die neue Entscheidung aber: "Sie nimmt nur zu den betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben Stellung. Eine weitere Klärung der – in den Details immer noch offenen – Frage, wann und wie eine Kontrolle mittels Auswertung von Daten aus Kontrollsystemen zulässig ist, nimmt sie nicht vor."

Hier bleibt es laut von Schaabner bei den bisherigen, unklaren Vorgaben. Durchgängige, routinemäßige, permanente Kontrollen ohne konkreten Anlass sind danach ausgeschlossen. "Einzelkontrollen können hingegen bei dem Vorliegen eines konkreten Verdachts auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung im Einzelfall zulässig sein. Und dann redet der Betriebsrat mit."

Gesetz gescheitert

GPS-Daten über das Telematiksystem, Mithören am Telefon, Videoüberwachung am Arbeitsplatz – dürfen Arbeitgeber das? Und wenn ja, in welchem Rahmen? Die Bundesregierung wollte mit dem Gesetz zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes im Rahmen des Paragrafen 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) einen Rahmen schaffen. Der Entwurf behandelte in Paragraf 32 g auch die Nutzung von Ortungssystemen. Der Bundestag sollte im vergangenen Februar darüber abstimmen, aber nach massiven Protesten sowohl von Opposition Gewerkschaften und Datenschützern als auch von Unternehmen liegt der Gesetzesentwurf seitdem auf Eis. Das Thema wird mit Sicherheit aber auch auf der Agenda einer neuen Bundesregierung stehen.

Mitbestimmung

§ 87 Mitbestimmungsrechte BetrVG (1)
Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
6. Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

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Markus Werner Fachanwalt für Arbeitsrecht
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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