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Stuttgart Wenn Bäume auf Reisen gehen

Foto: Claudia Wild

Um das Baufeld für den Tiefbahnhof zu räumen, ist eine Arbeitsgemeinschaft dreier Gartenbaubetriebe angerückt. Die Arge Tree-Replant hat mit schwerem Gerät die alten Bäume fachmännisch verpflanzt.

Wären da nicht die Erinnerungen an die Verpflanzung von 16 Bäumen am Stuttgarter Kurt-Georg-Kiesinger-Platz anno 2011, so wäre der jetzige Einsatz für Bernd Zöller wohl eine recht alltägliche Sache gewesen. Der Geschäftsführer des auf Großbaumverpflanzungen spezialisierten Unternehmens Zöller Arbor aus Miltenberg  hat zigtausendfach Bäume in ganz Europa erfolgreich verpflanzt. Für das BMW-Werk in Leipzig 300 kleinere Exemplare, weitere Bäume für das dortige Porsche-Werk. "Schon mein Opa war gelernter Gärtnermeister", erzählt Zöller. 1974 kaufte der Betrieb die erste Verpflanzmaschine für Großbäume.

Zwei Drittel der Aufträge betreffen das Verpflanzen

Das Verpflanzen macht heute zwei Drittel der Aufträge aus, dazu kommen Baumfällung und -pflege. Bei Stuttgart 21 ist die Pflege noch nicht vergeben, und die Fällungen machten andere. Angesichts der teils bedrohlichen Erfahrungen mit einigen Demonstranten ist Bernd Zöller wohl darüber ganz froh. Arge Tree-Replant steht auf den neongelben Schutzwesten der rund 20 Mitarbeiter, die im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart arbeiten. Für den Auftrag haben sich die drei größten Baumverpflanzungsbetriebe der Branche zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Alleine hätte keiner den Auftrag so schnell abschließen können. Cornel Wilde aus dem schwäbischen Gerlingen hat jüngst in Metzingen zwei 15 Meter hohe Platanen mit eineinhalb Metern Stammdurchmesser für eine Baumaßnahme ins Zwischenlager und wieder zurückversetzt - quasi als Vorübung.

Zwei Wochen Zeit für 68 Bäume

In Stuttgart blieben der Arge gerade mal zwei Wochen bis zum 29. Februar,  dem Stichtag für Fällungen der Naturschutzbehörde, um die aus dem Schlichterspruch verbliebenen 68 Bäume zu verpflanzen. "Einen so eng gestrickten Zeitplan hatten wir noch nie", sagt Bernd Zöller. "Wir mussten äußerst flexibel sein, jeden Tag gab es neue Ereignisse." Mal störten Felsen, mal Schächte unter den Baumwurzeln einen reibungslosen Ablauf. Der Nesenbachdüker, der unter dem Mittleren Schlossgarten durchführt, sorgte dafür, dass acht Bäume gefällt und an ihrer Statt acht Ersatzbäume versetzt wurden. Der Druck beim Anheben der Bäume wäre mit geschätzten 15 Tonnen auf der Hinterachse so groß gewesen, dass der Wasserkanal im Erdreich darunter hätte Schaden nehmen können. 

Juchtenkäfer und ihre Brutbäume blieben an Ort und Stelle

Sehr kahl ist die Fläche am Nordausgang des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Moment. Allein die Juchtenkäfer und ihre Brutbäume blieben an Ort und Stelle. Wer hätte gedacht, dass ein nur 40 Millimeter kleiner Käfer so groß rauskommt. Der in Baumhöhlen lebende Eremit wird auf der Artenschutzliste als stark gefährdet geführt.

Erfahrung im Tierreich hat Opitz aus Heideck, die dritte Firma im Arge-Verbund, bereits vor einigen Jahren gesammelt: In den Wurzelstöcken von 350 abgesägten Eichen am Frankfurter Flughafen hatten sich Hirschkäfer eingenistet, die Opitz mit ihrem neuen Zuhause in den nahen Wald verpflanzte. Laut Ausschreibungstext der Bahn sollten ursprünglich "175 Großbäume bis zirka 25 Meter Höhe" auch mit Plattformtechnik versetzt werden. Zum Einsatz kamen dann aber vier Rundspatenmaschinen mit einem Gewicht bis zu 40 Tonnen und einem Spatendurchmesser von 2,5 und 3 Metern. Auf die Plattformtechnik hat man verzichtet, da die Versetzung der Baumriesen wohl zu viel Schaden im Schlossgarten angerichtet hätte. Die größten gefällten Exemplare waren 100 bis 200 Jahre alte Platanen, Rosskastanien, Silberpappeln, Blutbuchen und andere Parkbäume mit einem Stammumfang von bis zu fünf Metern.

Allrad-Lkw mit rückseitig angebrachtem Greifarm

Die Rundspatenmaschine ist ein Allrad-Lkw mit einem rückseitig angebrachten Greifarm mit Kralle. Die Kralle greift rund um den Stamm. Beim Ausgraben schieben sich die Zacken Stück für Stück ins Erdreich und baggern den Baum in wenigen Minuten heraus. Bei größeren Exemplaren müssen mit Hacke und Motorsäge die kräftigen Haltewurzeln gekappt werden, bevor der Baum in die Luft gehoben und huckepack zu seinem Ziel gebracht wird. Da die Bäume einst in Baumschulen gezogen und dort oft versetzt wurden, liegen die feinen Haarwurzeln zentral unterm Stamm, was das Ausgraben erleichtert  - und das Anwachsen im neuen Pflanzloch. Dafür sind einige Materialien wie Substrat und Wasser nötig, die Zöller und seine Kollegen zum Zielort bringen. Nach einem Rückschnitt der Krone sollte der Baum dann gut anwachsen. "Bei vernünftigen Größen bis einem Stammumfang von 120 Zentimetern haben wir eine Erfolgsquote von fast 100 Prozent", sagt Zöller. Seine Kunden sind neben Großunternehmen wie der Bahn und Kommunen auch Privatleute. Manch einer hängt so an seinem alten Baum, dass er ihn beim Umzug mitnehmen will und einen der drei Spezialisten beauftragt. Selbst einen 250 Jahre alten Riesen hat Zöller schon mit einem Kran versetzt. Aber das sind sehr seltene Aktionen, die auch nicht ganz günstig sind.

Drei Betriebe, ein Auftrag

Drei mittelständische Unternehmen haben sich zur Arbeitsgemeinschaft Tree-Replant zusammengeschlossen, um die Großbaumverpflanzungen für das Projekt Stuttgart 21 in kürzester Zeit zu bewerkstelligen. Das sind einmal die Baumverpflanzung und -pflegebetriebe Zöller Arbor aus Miltenberg, die seit 1974 Großbaumverpflanzungen anbieten. Der Zweite im Bunde ist Opitz aus Heideck, der unter dem Dach der DGG international (Deutsche Gesellschaft für Großbaumverpflanzung) mit Partnern aus ganz Europa kooperiert und bereits viele tausend Bäume versetzt hat. Als dritter Betrieb ist Cornel Wilde aus Gerlingen mit im Boot. Der Landschaftsbaubetrieb hat den Großbaumverpflanzer Allrad ZW 3000 im Fuhrpark und kann ebenfalls Bäume mit einem Ballendurchmesser bis drei Meter maschinell versetzen. Wilde und Arbor sind Mitglied der Euro-Tree mit einem europaweiten Netzwerk.

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