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Spedition Schanz im Maintal unterweg Mit Strom auf der Rennstrecke

Christine Hemmel und Kerstin Seibert leiten den Familienbetrieb in der vierten Generation. Foto: Ilona Jüngst

Sind Oberleitungs-Lkw eine Option, um den weiter wachsenden Güterverkehr in der Zukunft ein Stück weit umweltfreundlicher zu machen? Jedenfalls muss man es versuchen, dachten sich auch die beiden Schwestern Christine Hemmel und Kerstin Seibert, die seit 2015 die elterliche Spedition in Ober-Ramstadt bei Darmstadt leiten. Und sagten zu, sich mit ihrem Unternehmen an einem Feldversuch des Bundesumweltministeriums (BMU) zu beteiligen.

Zum Jahresanfang 2019 ist es soweit: Dann soll ein Oberleitung-Lkw der Firma Schanz zum ersten Mal auf der sechs Kilometer langen Teststrecke seinen Stromabnehmer an die oberirdische Stromleitung andocken. Der komplette Streckenabschnitt des Testversuchs liegt zwischen dem Gewerbegebiet Darmstadt-Nord/Weiterstadt und der Anschlussstelle Zeppelinheim/Cargo City Süd des Frankfurter Flughafens; die Oberleitung wird in beiden Fahrtrichtungen aufgebaut.

Dass die Spedition Schanz gefragt wurde, ist kein Zufall: Laut Hersteller Siemens, der für den Bau der Oberleitungssysteme verantwortlich ist, ist ein E-Highway auf stark frequentierten Lastwagen-Pendelstrecken ökologisch und ökonomisch "besonders sinnvoll". Und die ausgesuchte Teststrecke ist quasi die Rennstrecke der Schanz Spedition.
Deren größter Kunde ist ein Farben-Hersteller, dessen Produktion sich gleich nebenan befindet. Für den distribuieren die Fahrzeuge der Spedition und deren Partnerunternehmen die Produkte in ganz Süd- und Mitteldeutschland. "Frankfurt und das Maintal stehen mehrmals täglich auf dem Tourenplan. Wir fahren die Strecke vier, fünf Mal am Tag", sagt Kerstin Seibert, "daher waren wir von Anfang an prädestiniert". Der Hersteller unterstützt die Teilnahme seines Dienstleisters an dem Feldversuch: "Unser Kunde war begeistert von der Nachricht", sagt Christine Hemmel.

Forderung nach Unterstützung vom Staat

"Wir sind immer offen für innovative Themen", sagt sie. Erfahrung mit alternativen Antrieben ist vorhanden: Der Fuhrpark umfasst 36 Fahrzeuge, darunter seit drei Jahren auch vier mit Flüssiggas-Diesel-Mischantrieb. Auch einen Hybrid-Lkw hätte die Spedition gerne im Fuhrpark gehabt. Der Mehrpreis hätte laut Kerstin Seibert aber den Investitionsrahmen gesprengt – bei einer jährlichen Anschaffung von vier Neufahrzeugen. "Ganz klar: Der Staat sollte uns Unternehmen dabei deutlich mehr unterstützen. In Österreich wird doch auch die Anschaffung von Hybrid-Lkw etwa durch eine Mautreduzierung gefördert", sagen die beiden Geschäftsführerinnen.

Scania-Partner in Offenbach übernimmt Wartung


Klar war den beiden, dass die Teilnahme am Testversuch keine Mehrkosten verursachen darf. "Scania hat uns Ingenieure geschickt, die unsere 1.000 Fragen beantwortet haben", sagt Christine Hemmel. Die Übereinkunft: Die Spedition least das Fahrzeug – das durch die äußerst schwere Batterie zwei Tonnen weniger Nutzlast als ein vergleichbarer Diesel-Sattelzug hat – von Scania zu regulären Konditionen, die Mehrkosten werden übernommen.
Auch um Service und Wartung muss sich die hauseigene Werkstatt nicht kümmern. Dafür steht ein Scania-Partner in Offenbach zur Verfügung. Dennoch werden es sich die Werkstattmitarbeiter wohl nicht nehmen lassen, bei der Fahrzeugeinweisung Ende kommenden Jahres dabei zu sein, die sich aber vor allem an die beiden Fahrer richtet, die für die Spedition den Oberleitungs-Lkw lenken werden.

Auftanken vom eigenen Solardach - das wär's


Was noch geklärt werden muss, ist etwa, von welchem Anbieter der Strom für den Versuch bezogen wird und wie hoch die Stromkosten sein werden. "Letztlich wird auch nur auf einem kleinen Teilstück der Lkw an die Leitung angehängt. Wie müssen das Fahrzeug vor Fahrtantritt für die Fahrt zur Autobahn laden", sagt Seibert und verweist darauf, dass sie sich bereits mit der Installation einer Solaranlage auf dem Dach befasst haben – dann würde der Lkw mit eigenem Strom versorgt werden.

Für die Rückfahrt soll bei Kunden eine Lademöglichkeit geschaffen werden. "Laut Scania reicht die Zeit die wir bei den Kunden mit Laden verbringen, auch dafür, die Batterie zu laden", sagt Hemmel. "Wenn die Batterie so weit reichen würde, dass wir elektrisch in die Städte fahren könnten, ohne CO2-Belastung und ohne Lärm, wäre das ein Riesenfortschritt."


Noch einiges ist also zu tun für die beiden Geschäftsführerinnen, die überdies erst vor wenigen Wochen den Umzug in das neue Bürogebäude bewerkstelligt haben. Rund 400 Quadratmeter Bürofläche hat das Unternehmen mit seinen 70 Mitarbeitern jetzt, vor allem aber auch einen großen und hellen Schulungsraum, der sich direkt an das Foyer anschließt. "Damit können wir endlich unsere Mitarbeiterschulungen im eigenen Haus abhalten – das ist eine Erleichterung", sagt Hemmel.

Gegründet wurde das Unternehmen übrigens 1927 vom Ur-Großvater. Seibert machte direkt nach dem Abitur die Ausbildung zur Speditionskauffrau bei Birkart in Aschaffenburg, sattelte ein BWL-Studium mit Schwerpunkt Logistik an der DAV Bremen drauf und fing dann im elterlichen Unternehmen an. Heute kümmert sie sich um die Themen Personal, Ausbildung und Schadenbearbeitung.

Schwester Christine studierte BWL mit Schwerpunkt Verkehrswesen und Touristik und arbeitete dann bei der Lufthansa LSG im Controlling, bevor sie nach der Elternzeit ihre Tätigkeit im Familienunternehmen aufnahm. Jetzt kümmert sie sich um die Finanz- und Lohnbuchhaltung.

"Zu unserer Unterstützung haben wir mit Christoph Gerschermann einen erfahrenen Speditionsleiter, der sich schon seit über 30 Jahren um die Belange des allgemeinen Tagesgeschäftes sowie um die Kundenbetreuung kümmert, und auch unser Vater Hans-Adam Schanz steht uns als Seniorchef nach wie vor jederzeit als Berater zur Verfügung", berichtet Christine Hemmel. Es laufe alles miteinander gut zusammen – das Familienleben und das Speditionsgeschäft. "So können wir mit unseren fähigen Mitarbeitern in die Zukunft blicken", ergänzt Kerstin Seibert.

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