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Sicherheitsvorschriften Deutschland tut sich schwer

Luftfracht, Airbus A380, Lkw Foto: Rathmann

Deutschland tut sich mit der Umsetzung der neuen Sicherheitsvorschriften in der Luftfracht schwer. Den Schaden haben die Unternehmen, seien es Versender oder Logistiker. Dabei läuft die Frist langsam ab.

Nach den vereitelten Anschlägen mit Paketbomben aus dem Jemen will die Europäische Union die Sicherheit in der Luftfracht weiter verschärfen.Besonders ins Blickfeld geraten sind die rund 50.000 "Bekannten Versender". Das sind exportierende Industrie- und Handelsunternehmen, die den Status "sicher" bislang mit einer Sicherheitserklärung gegenüber einem "Reglementierten Beauftragten" - in der Regel Luftfrachtspeditionen - erlangen konnten. Eine Vorschrift, die aber nur noch bis 25. März 2013 gilt, danach verlieren die Unternehmen ihren Status.

Und genau hier beginnt das Problem. Denn seit 29. April 2010 gilt die neue EU-Verordnung 185/2010, wonach die Bekannten Versender durch die zuständige Behörde - in Deutschland durch das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) - zugelassen werden müssen. Für diese Anpassung hat die EU eine dreijährige Übergangsfrist bis März 2013 festgelegt. Und obwohl bereits mehr als ein Jahr dieser Frist verstrichen ist, wurde noch kein einziger Luftfracht-Verlader vom LBA als Bekannter Versender behördlich zugelassen.

Auch die nötige Anpassung des Deutschen Luftsicherheitsgesetzes an die geänderten EU-Vorgaben ist bisher nicht erfolgt. Ein seit Herbst 2010 vorliegender Entwurf zur Änderung des Gesetzes ist von den zuständigen Ministerien noch nicht abschließend behandelt worden. Fachleute wundern sich längst darüber, warum sich die Bundesregierung mit der Umsetzung der neuen EU-Vorschriften so viel Zeit lässt. Von geplanten 450 neuen Mitarbeitern, die sich zum Teil im LBA um die Zertifizierung der Bekannten Versender kümmern sollen, ist noch keiner angekommen.Schlimmer noch: Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat die Stellen noch nicht einmal freigegeben.

Angesichts dieser Situation befürchtet der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV), dass ab März 2013 eine gesicherte Lieferkette bei der Luftfracht nicht mehr gegeben sein wird und dem deutschen Export schwerer Schaden droht. "Offenbar fehlt es auf der politischen Ebene an der notwendigen Sensibilität", klagt DSLV-Hauptgeschäftsführer Heiner Rogge.

Denn mehrere Tausend Bekannte Versender in etwa 15 Monaten zu zertifizieren, könne dem LBA bei allem Respekt kaum gelingen. Und eine Verlagerung der Sicherheitsaufgaben und -kontrollen auf die Flughäfen und Airlines sei kapazitätsmäßig nicht machbar. Weder seien dort die nötigen Kontrollmöglichkeiten - etwa Röntgengeräte und Spuren-detektoren - ausreichend verfügbar, noch ein Kontingent erfahrener Spürhunde.

Rogge fordert deshalb Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) und den für Sicherheitsbelange zuständigen Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (ebenfalls CSU) auf, angesichts des riesigen Handlungsdrucks das Kompetenzgerangel in und zwischen ihren Ressorts zu beenden und für eine zügige Anpassung der Gesetze und Verordnungen an das EU-Recht zu sorgen.

Zurzeit kennen die Unternehmen, die sich als Bekannter Versender zertifizieren lassen wollen, nicht einmal die dafür künftig zu kalkulierenden Kosten. Denn neben dem Luftsicherheitsgesetz ist auch die Luftsicherheitsgebühren-Verordnung noch nicht an die neuen EU-Vorgaben angepasst worden. "Derzeit", so gibt das LBA offiziell bekannt, "werden keine Gebühren aufgrund fehlender Tatbestände erhoben." Später aber, so wissen Experten, können es pro Zulassung zwischen 200 und rund 10.000 Euro werden. Auch eine nachträgliche Erhebung der Gebühren soll möglich werden. Recherchen ergaben, dass dem LBA zurzeit 3.000 Anträge auf Zulassung als behördlich zertifizierter Bekannter Versender vorliegen. Insgesamt rechnet das LBA nach Aussagen seines Präsidenten Ulrich Schwierczinski mit mehreren zehntausend Anträgen.

Ob eine Zulassung als Bekannter Versender nötig ist, müssen die Betriebe selbst klären, etwa im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse. Wegen der Personalprobleme bittet das LBA alle Unternehmen, die eine behördliche Zulassung des Status erhalten wollen, um zeitnahe Übermittlung der Antragsunterlagen.

Zum Antragsverfahren gehört zunächst ein formloser Antrag per Post. Darin werden alle Firmenstandorte aufgelistet, die zugelassen werden sollen. Für die weiteren Schritte hält das LBA Muster vor. Zu beachten ist, dass das mit Luftfracht in Berührung kommende Personal besonders geschult sein muss. Diese Schulungen werden von externen Anbietern durchgeführt. Nach diesen Schritten kontrollieren LBA-Mitarbeiter die Betriebsstätten vor Ort. Bei positivem Ergebnis erfolgt ein Eintrag in eine europäische Datenbank.Wird eine Betriebsstätte nicht zugelassen, teilt das LBA die Gründe dafür mit. Der Antragsteller erhält dann die Möglichkeit, die festgestellten Mängel abzustellen.

Die behördliche Zulassung zum Bekannten Versender gilt für fünf Jahre. Danach ist eine Verlängerung möglich. Doch das alles ist noch in weiter Ferne. Zunächst einmal gilt es, die ersten Anträge erfolgreich über die Bühne zu bekommen. Alles kein Problem, wäre da nicht der zeitliche Druck. Und so tickt die Uhr munter weiter.

Die Rahmenbedingungen

Das bisherige Recht: Generell darf Luftfracht nur mit dem Status "sicher" in Flugzeuge verladen und mit ihnen verflogen werden, wie das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in Braunschweig das technisch nennt. Dafür haben produzierende Unternehmen zwei Möglichkeiten: Zum einen können sie ihre Luftfracht durch Reglementierte Beauftragte - das sind in der Regel Luftfrachtspeditionen - kontrollieren lassen. Zum anderen können exportierende Industrie- und Handelsunternehmen das Kontrollprozedere selbst in die Hand nehmen, indem sie sich als Bekannter Versender zertifizieren lassen. In diesem Fall garantieren sie selbst, dass die jeweilige Luftfracht ausreichend vor unbefugtem Zugriff geschützt wird. Eine erweiterte Kontrolle ist nicht mehr nötig, weil die Luftfracht dem Reglementierten Beauftragten dann bereits als sicher übergeben wird. Industrie- und Handelsunternehmen konnten den Status Bekannter Versender bislang mit einer Sicherheitserklärung gegenüber einem Reglementierten Beauftragten erlangen. Diese Vorschrift gilt aber nur noch bis zum 25. März 2013, danach verlieren die Unternehmen ihren bisherigen Status.

Die aktuellen Zahlen: Nach einer Auflistung des LBA sind in Deutschland gegenwärtig 1.381 Unternehmen und Firmenstandorte als Reglementierte Beauftragte zugelassen. Zu ihnen gehören viele im Luftfrachtgeschäft tätige mittlere und große Speditionen sowie Logistikunternehmen. Daneben gibt es gut 50.000 Bekannte Versender.

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