Schlechte Arbeitsbedingungen Mitschuld durch Unterschrift

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Immer wieder ärgern sich Lkw-Fahrer über ihre miesen Arbeitsbedingungen. Oft haben sie mit ihrer Unterschrift unter den Arbeitsvertrag selbst dazu beigetragen.

Neulich auf Facebook: Mal wieder so ein Aufschrei ­eines gefrusteten Fahrers. "Bis zu 60 Stunden Arbeit in der Woche. Überstunden ohne Ende. Stundenlohn von acht Euro. Danke EU!" Die Schuld für die eigene Misere auf andere zu schieben ist die einfachste Lösung.  Sicher hat die EU mit der Öffnung der Frachtmärkte für Transportunternehmen aus Osteuropa zu einer massiven Verschärfung des eh schon harten Wettbewerbs in der Logistik geführt. Aber die Arbeitsbedingungen eines Fahrers sind in erster Linie eine individualrechtliche Angelegenheit und werden in einem Arbeitsvertrag zwischen Unternehmer und Fahrer geregelt.

Eigentlich wäre es einfach. Auch im Straßengüterverkehr regeln Mantelarifverträge  (MTV) die Arbeitskonditionen. Sie werden zwischen den Arbeitgeberverbänden und der Gewerkschaft Verdi ausgehandelt. So steht etwa im MTV in Nordrhein-Westfalen: "Die monatliche Höchstarbeitszeit (regelmäßige Monatsarbeitszeit und Mehrarbeit) beträgt 208 Stunden. Arbeitszeit und Bereitschaftszeit nach § 2a I 3a +b Arbeitszeitgesetz (Anwesenheits-und Wartezeit) dürfen monatlich 244 Stunden nicht überschreiten." Und natürlich werden laut Tarifvertrag auch Bereitschaftszeiten mit 100 Prozent des vereinbarten Stundenlohns bezahlt.

Pauschale Arbeitsverträge sind an der Tagesordnung

Leider ist nur noch eine Minderheit der Transportunternehmen tariflich gebunden und nur etwa fünf Prozent der Fahrer sind Mitglied bei Verdi. Deswegen unterschreiben die meisten Fahrer das, was der Chef ihnen vorlegt. Das heißt: Wenn der Arbeitsvertrag zur Arbeitszeit schweigt, gilt die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart (Urteil BAG 10 AZR 325/12). Pauschale Arbeitsverträge sind in der Branche an der Tagesordnung: Es gibt einen Grundlohn, der irgendwo zwischen 1.800 und 2.700 Euro liegt und sie beinhalten auch heute noch in allen erdenklichen Varianten einen entscheidenden Satz: "Mit diesem Lohn sind sämtliche anfallenden Mehrabeiten und Nebentätigkeiten abgegolten."  Und schon geht es los. "Meist sind ja nicht die Nebentätigkeiten abgegolten", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Harry Binhammer, "sondern die Überstunden werden pauschal miteinberechnet. Doch die Leistung von Nebentätigkeiten ist ja auch Arbeitszeit und daher zu bezahlen. Wenn das nicht korrekt formuliert ist, ist die Formulierung unwirksam und der Fahrer bekommt alles bezahlt, schon ab der ersten Überstunde."

Grundsätzlich gilt: Nach Paragraf 2 des Nachweisgesetzes gibt es Mindestinhalte, die in jedem Fall im Vertrag stehen müssen. Da sind unter anderem der Name und die Anschrift der Vertragsparteien, der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, der Arbeitsort, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll – sonst ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann – eine kurze Beschreibung der Tätigkeit und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit.  Außerhalb des Nachweisgesetzes sollten folgende Punkte aufgeführt sein: Welcher Lohn bezahlt wird, und entscheidend, wie viele Stunden ganz konkret wöchentlich oder monatlich im Rahmen welcher Tätigkeit zu leisten sind. Ansonsten setzt das Arbeitszeitgesetz die Höchstdauer verbindlich fest.

Vorsicht bei dem Begriff  'Lkw-Fahrer'

Doch Vorsicht, warnt Binhammer: "Steht als Tätigkeit nur 'Lkw-Fahrer' im Arbeitsvertrag, dann ist jede Fahrtätigkeit auf einem Lkw, der größer 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht ist, möglich." Das führt in der Praxis nicht selten dazu, dass Fahrer, die sich gegen Arbeitsbedingungen in der Firma zur Wehr setzen, schon mal in den Nahverkehr strafversetzt werden. Der Tipp: "Wenn ein Fahrer Wert auf internationalen Transport oder Fernverkehr legt, sollte das in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden."

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