Scania G 440 und R 480 Euro-6-Lkw in der Schweiz unterwegs

Foto: Frank Zeitzen, Scania 12 Bilder

Scania bringt  Euro-6-Lkw auf die Straße. Die aufwändige Technik ist teuer, Kaufanreize sind noch nicht verabschiedet. lastauto omnibus war indes mit den sauberen Scania in der Schweiz unterwegs.

Eine große Überraschung war es nicht, als Scania bereits am 31. März erste Euro-6-Motoren per Internet-Pressekonferenz präsentierte. Die Scania-Motorentechniker waren mit der Euro-6-Entwicklung schon sehr früh dabei und sehr weit, obwohl bis zur gesetzlichen Einführung der nochmals verschärften Abgasnorm noch reichlich Zeit gewesen wäre. Was sie wiederum und immer wieder zu verkünden veranlasste, dass sie Euro-6-Motoren weit vor der Zeit fertig haben werden. Ein letztes, eindeutiges Indiz gab es dann mit der Vorstellung der neuen Sechszylinder der Baureihe DC13 im Herbst 2007. "Strategie für Euro 4, Euro 5 und das, was danach kommt" stand als Überschrift über der ersten Information zu den neuen Motoren. Was danach kommen sollte war klar: Euro 6.

Motor wiegt 45 Kilo mehr

"Schauen Sie", sagt Björn Westman, der oberste Motorenentwickler bei Scania, und zeigt auf den vermeintlichen Auspufftopf hinter dem rechten vorderen Radlauf. "Früher war das ein Schalldämpfer, heute verbirgt sich darin eine Chemiefabrik." An Größe oder Volumen hat der kubische Edelstahlbehälter mit rund 60 Zentimeter Kantenlänge gar nicht mal zugelegt. Wohl aber an Gewicht (plus 45 Kilogramm), weil er alles beherbergt, was zur Reinigung der Abgase auf Euro-6-Niveau nötig ist. Das hat dann auch zur Folge, dass der Freiraum zwischen den Achsen nicht schrumpft. Nach wie vor passen zwischen die beiden Achsen einer Sattelzugmaschine 1.370 Liter Diesel. Oder auch 1.500, wenn die Batterien im Rahmenheck montiert werden. Platz für 50 oder 75 Liter Adblue gibt es schließlich auch.

Deutlich reduzierte Werte für Euro 6

Das Schnittbild zeigt anschaulich, was alles im ehemaligen Schalldämpfer steckt. O-Ton Scania: "Der integrierte Schalldämpfer ist eine außergewöhnlich kompakt isolierte Einheit, die aus einem Oxidationskatalysator und einem Vollstrom-Partikelfilter besteht, gefolgt von jeweils zwei parallelen SCR-Katalysatoren und Ammoniak-Schlupf-Katalysatoren." Der Aufwand ist also enorm. War aber auch nötig, um die Vorgaben zu erreichen. Denn Euro 6 schreibt im Vergleich zu Euro 5 nochmals deutlich reduzierte Werte vor: eine Halbierung der Partikelmasse und 80 Prozent weniger Stickoxide. Erschwerend kommt hinzu, dass - anders als bei Euro 5 - nun auch die Anzahl der Partikel limitiert ist.  Minus 99 Prozent heißt die Vorgabe.

Luftverbesserungsanlage

Anschaulich beschreiben lässt sich die Abgasqualität von Euro-6-Motoren dann auch folgendermaßen: Wenn 100 Scania mit Euro-6-Motor beispielsweise durch den stickigen Stuttgarter Talkessel gefahren sind, dann kann es durchaus sein, dass die Luft hinterher besser als vorher ist. Ganz stolz und gerade so, als hätte man den ewigen Lkw-Kritikern jetzt endgültig ein Schnippchen geschlagen, spricht so mancher Motorentwickler im Fall von Euro 6 auch süffisant von Luftverbesserungsanlagen.

Es gilt den Verbrauch zu senken

Klarer Fall ist damit auch, dass mit Euro 6 das Thema Schadstoffausstoß von Lkw-Motoren sozusagen gegessen ist. Fortan geht es darum, den Verbrauch weiter zu senken, um einerseits die Kosten der Transportunternehmer bei weiter steigenden Dieselpreisen in den Griff zu bekommen, und andererseits, um die CO2-Emissionen zu reduzieren.

Stand der Dinge zum Thema Verbrauch und Euro 6: Nicht einzutreten scheinen die Verbrauchssprünge um drei, vier Prozent nach oben, die alle Lkw-Hersteller befürchtet hatten, als die Eckwerte für Euro 6 bekannt wurden. Scania verspricht, dass der Dieselverbrauch auf dem Niveau von Euro 5 bleibt, der Adblue-Verbrauch wird etwas niedriger sein als jene fünf bis sechs Prozent, die bisher bei SCR-Motoren üblich waren. Mercedes hat für den neuen Actros, der mit einem gleichfalls neuen Motor ausgerüstet ist, gar einen Verbrauchsrückgang um drei Prozent gegenüber Euro 5 ins Spiel gebracht - bei gleichzeitig leichter Reduzierung des Adblue-Verbrauchs. Allein mit motorischen Maßnahmen war das nicht zu erreichen. Es ist eine bessere Aerodynamik, es sind viele kleine Details rund am Lkw und selbstverständlich auch längere Achsübersetzungen, die die Dieseleinsparung möglich machen sollen.

12.000 Euro mehr

Plus minus Null soll also die Rechnung bei Scania aufgehen. 12.000 Euro Mehrpreis netto stehen dem gegenüber. Laut Scania resultiert der deftige Zuschlag aus der Tatsache, dass sich die Entwicklungskosten im Vergleich zu Euro 3 verdoppelt haben. Rechnen kann sich die Sache vorerst also nur, wenn die Politik Anreize schafft. Dass dies so kommt, davon geht mittlerweile sogar der eine oder andere Lkw-Hersteller aus, der noch an den Euro-6-Motoren arbeitet.

Reinigungssystem

Das Reinigungssystem funktioniert folgendermaßen: Bis zu 25 Prozent der Abgase, gemischt mit kühler Frischluft strömen via Abgasrückführung in die Brennräume. Der größere Teil gelangt über einen VGT-Lader (siehe rechts) zur Abteilung Abgasnachbehandlung, die  in jenem und schon oben beschriebenen kubischen Behälter ihren Platz hat. 240.000 Kilometer beträgt das Reinigungsintervall des Partikelfilters. Eine Stunde Arbeitszeit fällt dabei an.

Langsames Fahren oder sehr geringe Last können dem Filter zusetzen

Langsames Fahren oder sehr geringe Last können den Filter allerdings zusetzen, so dass der Fahrer entweder eine gewisse Zeit mit hoher Last fahren muss, oder, falls dies nicht reicht, per Schalter links hinter dem Lenkrad eine Filterregeneration einleitet. Zwei, drei Liter Diesel werden dabei verfeuert, 20 bis 25 Minuten läuft das Reinigungsprogramm. Unabhängig davon, ab an und ab gereinigt wird, fällt im Filter im Laufe der Zeit eine Menge Asche an, die den Abgasgegendruck und damit den Verbrauch erhöht. Der Zuschlag ist laut Scania (siehe Interview mit Björn Westman auf Seite 14) allerdings gering. Die Wartungsintervalle der Lkw bleiben bei Euro 6 auf dem bisher bekannten, aber niedrigen Niveau. Im Fernverkehr mit 40 Tonnen Gesamtgewicht bleibt es also bei 90.000 Kilometer, unterhalb von 36 Tonnen sind 120.000 möglich.

Basis: 12,7 Liter große DC 13

Der im Jahr 2007 vorgestellte und 12,7 Liter große DC13 kam bei der Umstellung von Euro 5 auf Euro 6 mit wenigen Änderungen aus. Eine etwas größere Ölwanne, die drei Liter mehr aufnehmen kann und eine sogenannte Plasma-Beschichtung (eine sehr dünne Schicht aus pulverisiertem Stahl) der Zylinderlaufbahnen zur Reibungsminimierung sind die wichtigstes Änderungen an diesem Sechszylinder.

In der Motor-Peripherie fallen zwei Dinge auf: Einerseits das isolierte Abgasrohr zum Schalldämpfer (alias Chemiefabrik), um die Abgastemperatur auf hohem Level zu halten. Andererseits der Entfall des Kühlers für die jetzt einstufige Abgasrückführung. Statt dessen gibt es ein Ventil, dass bei Bedarf kühle Frischluft zuführt. Aufgabe dieses Ventils ist es auch, den Luftdurchsatz im Schiebebetrieb zu reduzieren, um die Abgastemperatur hoch zu halten. Der Verzicht auf diesen Kühler resultiert auch daraus, dass die SCR-Katalysatoren jene Stickoxide herausfiltern, die vorher dank aufwändiger, zweistufiger Abgasrückführung nur in geringem Maß entstehen konnten.

Druck von 2.400 bar

Schon als der DC13 im Jahr 2007 vorgestellte wurde, war klar, dass es sich um einen ein Euro-6-Motor in Euro-5-Ausführung handelte. Die Einspritzung, Scania XPI genannt, arbeitete schon als Common-Rail-System mit extrem hohen Druck von 2.400 bar. Hoher Druck ist die wichtigste Voraussetzung zur Reduzierung der Partikel. Um die Reduzierung der Stickoxide kümmerte sich die Abgasrückführung, die von einem variablen Lader geregelt wird. Die Rückführungsrate wurde um ein knappes Fünftel reduziert. Einzig die Abgasnachbehandlung fehlte jetzt noch.

Euro-6-Motoren bauen genauso Drehmoment auf

Die Befürchtung, dass die gute Motorcharakteristik aufgrund der vielen Eingriffe leiden könnte, zerstreute sich bei den ersten Fahrten, die lastauto omnibus mit verschiedenen Fahrzeugen in der Schweiz absolvieren konnte. Zum einen sind die Eckdaten der beiden 440 und 480 PS starken Euro-6-Motoren mit jenen der Euro-5-Varianten identisch, zum anderer bauen die Euro-6-Motoren genauso vehement Drehmoment auf wie ihre Vorgänger. Die Laufkultur der Sechszylinder blieb auf hohem Niveau. Zudem verspricht Scania etwas geringere Laufgeräusche.

Wäre Mercedes nicht Mitte März mit einer etwas hektisch geplanten Euro-6-Vorstellung den Schweden zuvorgekommen, dann wäre Scania als erster Hersteller von Euro-6-Motoren in die Lkw-Geschichte eingegangen. Jetzt bleibt den Schweden der Trost, dass sie mit Sicherheit die ersten sind, die Euro 6 auf die Straße bringen.

Interview

Drei Fragen an Björn Westman

lastauto omnibus: Noch sind keine Incentives bekannt, die den Aufpreis von Euro 6 kompensieren könnten. Wie also stehen die Chancen, jetzt schon Euro-6-Lkw zu verkaufen.

Westman: Viele Gespräche mit unseren Kunden haben gezeigt, dass ein großer Teil der Unternehmen sehr langfristig plant. Langfristige Planung heißt dann auch, dass für diese Unternehmen Euro 6 schon jetzt ein Thema sein kann.

lastauto omnibus: Scania-Lkw gelten als relativ leicht. Mit welchen Gewichtszuschlägen muss der Käufer rechnen.

Westman: Zum einen werden alle Lkw mit Euro 6 schwerer. Die Distanz zum Wettbewerb bleibt also. Je nachdem, was wir vergleichen, fällt des Zusatzgewicht unterschiedlich aus. Im Vergleich zum EGR-Motor sind es knapp 200 Kilogramm. Im Vergleich zu unseren bisherigen SCR-Motoren ist es deutlich weniger.

lastauto omnibus: Verschlechtert sich der Verbrauch, wenn sich Asche sammelt und im Laufe der Zeit der Abgasgegendruck im Filter ansteigt?

Westman: Der Anstieg ist marginal und innerhalb des 240.000-Kilometer-Intervalls kaum messbar. Würden wir deutlich länger als 240.000 Kilometer fahren, dann könnte es zu spürbaren Verbrauchsanstiegen kommen.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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