Rückrollsperre ohne Elektronik Wer hat’s erfunden?

Rückrollsperre ohne Elektronik, Stachel Foto: Andreas Techel 5 Bilder

Nicht nur Kräuterbonbons kommen aus der Schweiz. Auch mit der Rückrollsperre für Lkw setzten die Eidgenossen einen Meilenstein.

Berganfahrhilfe, Hillholder, Rückrollsperre, Hillstart-Assistent oder Anfahrregelung – das Marketingsprech der Lkw-Hersteller kennt viele Begriffe für eine praktische Funktion elektronisch geregelter Bremsen: das kurzzeitige automatische Festhalten des Fahrzeugs am Hang, damit der Fahrer Zeit hat, vom Bremspedal aufs Gas zu wechseln und die Kupplung an den Schleifpunkt zu bringen, ohne dass der Lastzug dabei zurückrollt.

Heutzutage übernimmt Kollege Computer

Dafür ist eine gehörige Portion „Computerintelligenz“ gefordert. Zunächst muss ein Sensor erkennen, dass der Lkw am Hang steht, damit sich der Hillholder aktiviert. Im Zusammenspiel mit einem automatisierten Schaltgetriebe hat es der Fahrer dann einfach: Der Computer analysiert die Leistungsanforderung durch das Gaspedal und lässt die Kupplung dann sanft, aber zügig kommen. Die Bremse hält solange den Lkw fest. Wer je mit einem voll beladenen Lastzug mit Handschaltung im Steilhang angefahren ist, weiß diesen Komfort sicher zu schätzen. So mancher Anfänger musste sich früher den Spott der alten Hasen gefallen lassen: „Na, wieder Känguru-Diesel getankt?“

Aber der Stepptanz auf den Pedalen war nichts gegen die Anfahrzeremonie bei den frühen benzingetriebenen Lastern. Oft musste der Fahrer die Kupplung von Hand dosieren und dabei gleichzeitig an der Zündverstellung und an der Gemischaufbereitung drehen. Jeder Fehler wurde gnadenlos mit Absterben oder schlimmer noch Absaufen bestraft. Dann hieß es wieder alles auf Motorstart einstellen, aussteigen und kurbeln.

Kampf zwischen Diesel und Benziner

Trotzdem erlebte der Benzinmotor damals eine kurze Blütezeit im Nutzfahrzeug. Vor 100 Jahren war der Kampf der Antriebssysteme im Straßengütertransport noch längst nicht entschieden. Der erste Dieselmotor im Lastwagen kam erst 1923. Da war die Elektrofraktion schon wieder am Ende. Zu gering war die Reichweite der Fahrzeuge. Das Anfahren am Berg jedoch müsste im Gegensatz zu den Benzinern ein Kinderspiel gewesen sein, denn der E-Motor liefert die volle Zugkraft unmittelbar mit dem Druck aufs Fahrpedal. Die Maschinenfabrik Esslingen (ME) vertrieb erfolgreich einige Drei- und Fünftonner und präsentierte um 1910 sogar einen Zehntonner, der die Kraft der Elektrizität nutzte. Dann verschwand ME auch schon wieder von der Bildfläche der Lkw-Hersteller.

Bei den Benzinern wagten die Ingenieure ebenfalls hohe Transportgewichte bei ziemlich geringen Motorleistungen. Da kamen mitunter kaum mehr als drei Pferdestärken auf eine Tonne. Bei den noch weitverbreiteten Pferdefuhrwerken mag dies angehen. Zogen doch zwei bis sechs kräftige Kaltblüter gewaltige Mengen Bier durch die Straßen. So auch im westschweizerischen Freiburg bei der Cardinal-Brauerei. Aber 1913 bekamen die Huftiere dort Konkurrenz. Ein knallgelber Saurer Typ AC läutete das Zeitalter der modernen Getränkelogistik ein. So stark wie 30 Rösser, lautete die Angabe zur Motorleistung. Der Vierzylinder verfügte zwar über 5,3 Liter Hubraum, doch brauchte der Benziner seine Zeit, bis er sich zu rund 1.000 Touren aufschwang und dabei baute er auch nur ein sehr schwachbrüstiges Drehmoment auf. Mehr als 200 bis 300 Nm dürften es nicht gewesen sein. Überliefert ist nichts.

Um damit auch am Berg eine Chance zu haben, ließen sich die Saurer-Konstrukteure etwas ebenso Simples wie Geniales einfallen: Per Seilzug konnte der Fahrer einen Stachel unter dem Wagenboden ausklappen, der sich bergauf gegen den Boden stemmte. Beim Anfahren schliff er einfach solange mit, bis der Fahrer die komplexe Anfahrprozedur überwunden hatte. Dann zog er ihn einfach hoch.  Das funktioniert sogar nach 100 Jahren noch.

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