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Riskmanagement im Fuhrpark Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

Hafen Stuttgart Foto: Archiv

Riskmanagement im Fuhrpark ist nicht nur ein Versicherungsthema. Wichtig ist für Speditionen auch der Umgang mit den Themen Regress und Halterhaftung.

Schlechte Nachricht für den Disponenten einer Transportfirma: Er sollte drei Punkte im Verkehrsregister sowie wegen Vorsatz ein erhöhtes Bußgeld aufgebrummt bekommen, weil ein Fahrer mit abgefahrenen Reifen unterwegs war und kontrolliert wurde. »Sie haben veranlasst …«, hieß es in dem entsprechenden Bußgeldbescheid. Wie das mit Riskmanagement zu verhindern gewesen wäre, zeigte der Bayreuther Fachanwalt Tom Petrick beim Workshop auf. Sein inhaltlicher Schwerpunkt: die rechtlichen Aspekte der Halterhaftung sowie des Regresses.

Die wichtigsten Aufgaben eines Riskmanagements

Ausschluss oder Begrenzung von Halterhaftung, die Abwehr von Regress und die Schadenvermeidung sind laut Petrick die wichtigsten Aufgaben eines Riskmanagements im Fuhrpark. »Wichtig ist, auch den Mitarbeitern zu vermitteln, dass Riskmanagement kein bloßes Kostenrechnungstool oder kein arbeitsrechtlicher Überwachungsmechanismus ist«, sagte Petrick. Stattdessen gehe es auch darum, die Vorgaben des Gesetzgebers zu erfüllen. Als Beispiel nannte der Rechtsanwalt Paragraf 31 Abs. 2 StVZO – das Thema Ladungssicherung – oder Paragraf 130 OWiG, Verletzung der Aufsichtspflicht im Unternehmen.

Unterlassen bedeutet Verstoß gegen die Vorschriften

»Allein schon durch Unterlassen kann man gegen die Vorschriften verstoßen«, mahnt
Petrick. Wichtig sei es daher zum einen, den eigenen Fuhrpark und auch seine Mitarbeiter genau zu kennen. Wichtig sei aber auch, alle rechtlich relevanten Werkzeuge des Riskmanagements zur Hand zu nehmen: »Analyse, Dokumentation, Schulung und Instruktion sowie Reaktion und Überwachung«, zählte der Anwalt auf.
Helfen kann dies etwa beim Thema Halterhaftung. Für einen Fuhrparkleiter ist dieses Thema aus mehreren Gründen sehr wichtig: zum einen, weil er – wenn er die Halterpflicht für Unternehmensfahrzeuge übertragen bekommen hat – bei Verletzung zivilrechtlicher Halterpflichten im Schadenfall mit Schadenersatzhaftung rechnen muss. Aber auch eine bußgeldrechtliche Halterhaftung nach dem Ordnungswidrigkeitsgesetz kann böse Folgen für den Fuhrparkleiter haben. Dazu gehören etwa Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO), das Straßenverkehrs-gesetz (StVG), die Unfallverhütungsvorschriften, die Lenkzeitverordnung oder Halt- und Parkverstöße.
Brisant ist das Thema aber vor allem, weil es strafrechtliche Aspekte beinhaltet, etwa bei Körperverletzungs- und Todesdelikten. »Wer eine Rechtsgutverletzung billigend in Kauf nimmt, handelt schon vorsätzlich«, erklärt Petrick. Bei unterlassener Führerscheinkontrolle etwa hafte der Fuhrparkleiter für die Fahrt eines Fahrers ohne Führerschein. Der entsprechende Text findet sich unter Paragraf 21 Abs. 1 Nr. 2 (»Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat«) und unter Abs. 2 Nr. 1 StVG (»Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen wird bestraft, wer vorsätzlich oder fahrlässig als Halter eines Kraftfahrzeugs anordnet oder zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, obwohl der vorgeschriebene Führerschein nach Paragraf 94 der Strafprozessordnung in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist«). 

Genaue Kontrolle des Führerschein-Originals

Damit so etwas nicht vorkommt, empfiehlt Petrick eine penible Kontrolle des Füh­rer­scheinoriginals bei der Einstellung und bei anlassbezogenen Zweifeln sowie zur zusätzlichen zivil- und versicherungsrechtlichen Absicherung auch unter dem Jahr –
dies sollte dokumentiert werden, um bei einem Verstoß auch sachgerecht zu reagieren. »Definieren Sie für sich zum Selbstschutz einen Prozess, den Sie abarbeiten und der Sie vor solchen Folgen schützt«, legte der Rechtsbeistand den Workshop-Teilnehmern ans Herz.

Konsequenzen meiden

Weitere Konsequenzen sind die Regresshaftung gegenüber der zuständigen Berufsgenossenschaft bei Arbeitsunfällen sowie der Regress des Fuhrparkbetreibers. Wer sich als Verantwortlicher vor Regress durch seinen Arbeitgeber  oder Dritte wie dem Unfallgeschädigten schützen will, tut laut Petrick gut daran, eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung abzuschließen.

Meistens werden die Halterpflichten und damit auch  die Haftung laut Petrick aufgrund gesetzlicher Vorschriften, über den Arbeitsvertrag oder über die Aufgabenbeschreibung zum Anstellungsvertrag an den Fuhrparkleiter übertragen. »Eine Übertragung ist aber auch im Wege der Aufgabendelegation möglich«, erklärt Petrick mit einem Verweis auf ein Urteil des Kammergerichts Berlin (KG Berlin, Az.: 2 Ss 392/97-3 WS (B) 781/97), in dem es um die Frage der Halterverantwortung ging. Eine Delegation der Halterpflichten auf den Fuhrparkleiter setzt allerdings auch eine regelmäßige Überwachung und Dokumentation durch die Geschäftsleitung voraus, die sonst trotz der Delegation bei einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht haftet.

Regress gegenüber dem Arbeitnehmer

Ebenso wichtig wie die Haftung ist bei Schadenfällen auch das Thema Regress gegenüber dem Arbeitnehmer. Bei der Beurteilung des Haftungsmaßstabs kann strategisches Riskmanagement helfen, beispielsweise weil entsprechende Schulungen durchgeführt wurden und dokumentiert wurde, ob es sich um einen Mehrfachverursacher handelt.
 »Voraussetzung für die Arbeitnehmerhaftung ist ein Verschulden von mindestens mittlerer Fahrlässigkeit – erst dann haftet auch der Mitarbeiter«, sagt Petrick. Je nach Fall werde die Haftung aber gestaffelt, die Kriterien sind etwa Schadenanlass, Verdienst des Arbeitnehmers, Zumutbarkeit und Risikodeckung durch die Versicherung (BAG, Az.: 8 AZR 418/09). Wichtig ist bei Schäden im Fuhrpark auch, wie das Fahrzeug versichert ist. Laut ­Petrick behalten sich Kasko- und Haftpflichtversicherer etwa bei grober Fahrlässigkeit den Rückgriff auf den Arbeitnehmer vor. Bei Flottenverträgen sei
das Leistungsverweigerungsrecht des Versicherers gegenüber dem versicherten Unternehmen  bei grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen. »Gefahr erkannt, Gefahr gebannt«, so Petricks Fazit zum Thema Riskmanagement: »Das entlastet Sie bei der Haftung und bei Regress.«

Die Sache des Disponenten ging übrigens nochmals gut aus: Zwar stellte das Gericht fest, dass ihm die Verantwortung für die Fahrzeuge übertragen war und er damit  hätte sicherstellen müssen, dass der Fahrer einen Termin zum Reifenwechsel rechtzeitig wahrnimmt. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt. Den Disponenten entlasteten Zeugenaussagen über die Terminvereinbarung mit dem Fahrer zum Reifenwechsel, an die sich der Fahrer nicht gehalten hatte. »Hätte der Disponent alles sauber dokumentiert, wäre das Verfahren vielleicht sogar sofort eingestellt worden«, mutmaßt Anwalt Petrick.

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