Seidenstraße Für Abenteurer und Visionäre

Seidenstraße Asien Konvoi Foto: IRU

Die Seidenstraße hat als eine der ältesten Handelsverbindungen der Welt einen legendären Ruf. Die International Road Transport Union versucht mit Hochdruck, sie wiederzubeleben und den Landweg in den Fernen Osten für Lkw attraktiver zu machen. Das erweist sich aber als mühsames Unterfangen. Korruption und Probleme beim TIR-Verfahren machen den Akteuren zu schaffen.

Die Straße soll Wohlstand in die abgelegenen Regionen bringen, die keinen Zugang zu Häfen haben und damit vom internationalen Containerschiffverkehr ausgeschlossen sind. Die Straße soll vor Ort für Arbeitsplätze sorgen und neue Märkte erschließen. Produkte aus Zentralasien könnten leichter in den Westen und nach China gelangen. Die Region ist reich an Bodenschätzen, dazu gehören nicht zuletzt Öl und Gas – 70 Prozent des kasachischen Öls beispielsweise fließen nach Europa. Straße und Handel könnten dazu beitragen, die Region langfristig zu befrieden, so die Theorie.

Transportverbindungen zwischen Europa und Asien stärken

An öffentlichen Bekenntnissen zum Projekt Seidenstraße fehlt es nicht. Regierungen, Verbände sowie Banken sind sich einig, dass die Transportverbindungen zwischen Europa und Asien gestärkt werden müssen. Zu den Befürwortern gehören die UN-Organisationen für Europa (UNECE), für den asiatisch-pazifischen Raum und für Westasien ebenso wie die Welt-Zollorganisation, die Kommission für den Europa-Kaukasus-Asien-Transportkorridor (TRACEA) und die Eurasische Wirtschaftskommission, die von Russland, Weißrussland und Kasachstan gegründet wurde. Auch die Weltbank, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung sowie die Asiatische und die Islamische Entwicklungsbank unterstützen die Idee.

Aber diese illustre Liste ist kein Garant für Erfolg. Das Scheitern liegt  nicht zuletzt in instabilen politischen Verhältnissen begründet, marktwirtschaftliche Kriterien setzen sich nur langsam durch. Hinderlich sind auch nach wie vor nur vermeintlich banale Probleme. "Die Atmosphäre in den betroffenen Ländern ist sehr empfänglich für Korruption", sagt Jens Hügel von der International Road Transport Union (IRU) in Genf gegenüber trans aktuell. "Fast 38 Prozent der Transportkosten gehen für Schmiergeld drauf." Diese Praxis wird befördert durch lange Wartezeiten an den Grenzen, die Tage oder gar Wochen dauern und bis zu 57 Prozent der Transportdauer ausmachen können, sowie durch undurchschaubare Zollformalitäten.

Internationaler Transport und Handel hilft den angrenzenden Staaten

Diese Zahlen beruhen auf 200.000 Grenzübertritten, die die IRU im Rahmen ihrer New Euro-Asian Land Transport Initiative (NELTI) mit vier Lkw-Karawanen auf unterschiedlichen Strecken seit 2008 ausgewertet hat. "Man muss sich immer wieder bewusst machen, wie viel Zeit und wie viel Geld verschwendet werden, weil Zoll- und TIR-Konventionen einfach nicht umgesetzt werden", betont Hügel. Viele Anrainer müssten erst noch begreifen, dass internationaler Transport und Handel ihren Ländern helfe. Auf der 7. Euro-Asiatischen Transport-Konferenz im jordanischen Amman haben sich die Teilnehmer im vergangenen Jahr immerhin entschlossen gezeigt, die UN-Konvention zur Harmonisierung und die TIR-Konvention voranzubringen, Afghanistan ist der TIR-Konvention unterdessen beigetreten.

Als jüngste Initiative hat die IRU die Model Highway Initiative lanciert (siehe Kasten), ein Stück Modell-Autobahn auf einer Strecke von etwa 1.000 Kilometern. Es geht darum, öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) anzuschieben, um die verschiedenen Routen für den Transport attraktiver zu machen. "Die Modell-Autobahn war auch als Denkanstoß für die internationalen Finanzierungsorganisationen wie die Weltbank gedacht", erläutert Hügel.

Man müsse ihnen deutlich machen, dass Straßenbau nicht das vorrangige Thema sei, denn es gebe durchaus passable Infrastrukturen. Es gehe vielmehr darum, die Finanzierung des Straßenbaus mit weichen Kriterien zu verbinden. "Gelder sollten nur fließen, wenn gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass etwa Zollkonventionen umgesetzt werden. Wenn man an der Grenze im Stau steht, nützt der vierspurige Ausbau einer Autobahn gar nichts", sagt Hügel.

Krise mit dem TIR-System in Russland bremst das Unterfangen

Wenig hilfreich bei der Wiederbelebung der Seidenstraße sei die momentane Krise mit dem TIR-System in Russland. Russland verstoße ganz klar gegen die UN-Konvention, unterstreicht der IRU-Mann. "Das hat auch der Oberste Gerichtshof in Russland bestätigt, aber trotzdem agiert die Zollbehörde anders." Mit Ausnahme von ganz wenigen Grenzen funktioniere das TIR-System in Russland nicht mehr. "Es ist im Prinzip kurz vor der Aussetzung." Diese Krise komme zu einem sehr unglücklichen Zeitpunkt, denn im vergangenen Jahr hätten sich die Chinesen willens gezeigt, der UN-TIR-Konvention beizutreten. "Die sind jetzt erst einmal wieder vorsichtiger geworden."

Derzeit wird nach IRU-Informationen 80 Prozent des Welthandels über rund 30 längst ausgelastete Häfen abgewickelt. Der Transport über Land zwischen Asien und Europa könnte eine gute Alternative sein. Ohnehin haben viele transnationale Unternehmen, die wegen niedrigerer Lohnkosten in China produzieren, ihren Sitz Tausende Kilometer von der Küste entfernt, hat eine Expertengruppe der UNECE für euro-asiatische Transportwege (EATL) im September festgehalten. Da Europa der größte Markt für chinesische Güter sei, müssten sie hochwertige Produkte von Chongqing oder anderen Städten im Binnenland per Flugzeug verladen. Das sei teuer, aber der Seeweg dauere mit bis zu 40 Tagen viel länger.

HP hat sich für die Bahn entschieden

Das amerikanische Unternehmen Hewlett-Packard (HP), das in Chongqing Notebooks produziere, habe sich deshalb für die teurere Bahn entschieden und seit 2011 fünf Millionen Produkte auf die 11.179 Kilometer lange Strecke von Chongqing durch Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen nach Duisburg geschickt. Die Verlagerung weg vom Seecontainer und dem Flugzeug soll nach Unternehmensangaben ausgedehnt werden, nicht zuletzt weil sich die Transportzeit – auf dem Wasser sind es 32 Tage 
ab chinesischem Hafen – um 
30 Prozent verkürze.

Am schnellsten und am teuersten ist der direkte Luftweg, der kombinierte See–Luft-Verkehr sei im Vergleich dazu 50 Prozent billiger bei einer Lieferzeit von zehn bis zwölf Tagen, berichten die UNECE-Experten. Der Wasserweg sei zwar fast 50 Prozent billiger als die Bahn, aber die Bahn werde wettbewerbsfähiger. Sie habe noch ein großes Potenzial, Kosten und Transportzeit zu optimieren. Kasachstan jedenfalls will weitere Schienen verlegen. Das Land geht davon aus, dass die Zahl von 2,5 Millionen 40-Fuß-Containern, die von China nach Europa transportiert werden, bis 2020 auf 7,5 Millionen Container steigt. Die Bahnverbindung Zhytegen–Korgas ist eines der größten Projekte der Transportindustrie in dem Land.

20 Milliarden Euro für die Schiene

Die Schiene bleibe aufgrund des Klimas, der Entfernungen und nicht zuletzt wegen der Instandhaltungskosten auch das wichtigste Transportmittel in Russland, sagt eine Sprecherin der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer in Moskau gegenüber trans aktuell. Danach will Russland in den nächsten Jahren erhebliche Mittel in die Modernisierung des Schienennetzes investieren, wovon auch der Ferne Osten profitiere. "Sowohl die Baikal–Amur-Magistrale als auch die Transsibirische Eisenbahn sollen ab 2015 in großem Maßstab ausgebaut werden." Hierfür würden Kosten von 918 Milliarden Rubel (rund 20 Milliarden Euro) angesetzt.

Speditionen, die sich bis in den Fernen Osten vorwagen, sind zumindest in Deutschland dünn gesät. "Der Lkw ist recht teuer in Richtung Fernost", sagt Dirk Grüne von der Kölner Fachspedition für GUS-Verkehre, Degustra, gegenüber trans aktuell. Außerhalb der EU-Grenzen laufe der Verkehr viel über die Bahn oder als Seefracht. "Es gibt Straßentransporte nach Wladiwostok", betont Harald Klug, Prokurist bei der russischen Spedition Sovtransavto in Köln. "Natürlich ist das selten, weil es lange dauert und das Risiko sehr groß ist, aber geben tut’s das", sagt er auf Anfrage.

Auf der Südroute, nach Kasachstan, Usbekistan und Aserbeidschan sehe es für Sovtransavto anders aus; da laufe viel, weil von internationalen Unternehmen kräftig investiert werde. Hingegen würden Transporte von der EU aus nach Armenien, Tadschikistan und Afghanistan eigentlich nur von Abenteurern gemacht. "Das sind im Prinzip Kriegsregionen, da gibt es auch kaum Anfragen, denn wer will dort schon eine Fabrik bauen?"

Autobahn als Modellprojekt

Rund 800 bis 1.000 Kilometer Autobahn sollen von mehreren Regierungen, internationalen Banken und Organisationen sowie der Wirtschaft gemeinsam gebaut werden, um anhand dieses Beispiels die Attraktivität einer wieder funktionierenden Seidenstraße zu untermauern. Die Modell-Autobahn (Model Highway Initiative, kurz MHI) sollte mindestens durch drei eurasische Länder führen und zwei bis drei Grenzübergänge haben. Weitere Voraussetzung ist ein großes Wachstumspotenzial für den internationalen Handel und Straßentransport. Über öffentlich-private Partnerschaften sollen nach Vorstellungen der IRU nicht nur Straßen unterhalten und finanziert werden. Es geht auch darum, in Grenzübergänge und sichere Parkplätze zu investieren, in moderne Tankstellen und Motels, nachdem die wesentlichen Konventionen der Vereinten Nationen zur Erleichterung des Handels umgesetzt sind. Die IRU geht davon aus, dass sich so kleine und mittlere Unternehmen entwickeln werden, die bislang vom Wirtschaftskreislauf ausgeschlossen waren. Längerfristig entstünden Tausende von Arbeitsplätzen und der Transport werde billiger, weil er schneller abzuwickeln sei.

Die Eu und Zentralasien

Die Europäische Union hat 2007 eine Zentralasienstrategie verabschiedet. Damit gibt es einen ständigen Dialog mit Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan. Der Region wird eine große Bedeutung beigemessen, nicht zuletzt wegen großer Energieressourcen und vieler Rohstoffe. Europa hat an der Region neben einem wirtschaftlichen auch ein sicherheitspolitisches Interesse, denn es gilt auch Drogenhandel und  Terrorismus zu bekämpfen. Im Zeitraum von 2007 bis 2013 wurden von Seiten der EU 750 Millionen an Fördergeldern bewilligt. Der Europäische Rechnungshof in Luxemburg ist jetzt zu dem Ergebnis gekommen, dass die Entwicklungshilfe für Zentralasien gut geplant, aber die Umsetzung langsam sei und sich auf zu viele kleine Projekte verteile. Nicht zuletzt müsse die Korruption ausreichend bekämpft werden.

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