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Prof. Dr. Karlheinz Schmidt im Gespräch Straße in die Zukunft

Prof. Dr. Karlheinz Schmidt, BGL Foto: BGL

Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) rüstet sich für die künftigen Herausforderungen. Er hat verschiedene Maßnahmen auf den Weg gebracht, um Effizienz und Schlagkraft zu erhöhen. Was genau geplant ist, erläutert das Geschäftsführende Präsidialmitglied Prof. Dr. Karlheinz Schmidt.

Ein Landesverband tritt zum Jahresende aus, drei weitere beraten zurzeit über eine Fusion. Das zeigt, wie stark die Dinge beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) derzeit in Bewegung sind. Obgleich aktuell vieles auf dem Prüfstand steht, ist für Prof. Dr. Karlheinz Schmidt eines klar: Der Verband werde als Interessenvertretung für das Güterkraftverkehrsgewerbe mehr denn je benötigt, sagt das Geschäftsführende Präsidialmitglied des BGL im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Herr Prof. Dr. Schmidt, innerhalb des BGL ist vieles im Umbruch. Welche Rolle spielt der Verband aktuell als Interessenvertretung für das Güterkraftverkehrsgewebe?

Prof. Schmidt: Der BGL ist die einzige Interessenvertretung für den Güterkraftverkehr, die sich glasklar und uneingeschränkt für wirtschaftlich tragfähige Rahmenbedingungen rund um Kraftwagenflotten mit Standort Deutschland einsetzt. Im Gegensatz zu anderen Verbänden vertreten wir nicht die Auftraggeber-, sondern die Auf­-
tragnehmerseite in der Lobby­arbeit. Unsere Unternehmen haben in zentralen Themen naturgemäß andere Interessen als Speditionen, Werkverkehre oder Verlader. Ohne den BGL kämen bestimmte Ansprüche nicht auf die Tagesordnung.

Nämlich?

Wir haben eine praxisgerechte Spesenregelung und Dieselbesteuerung erfochten, eine gute Maut-Harmonisierung durchgesetzt, eine Arbeitszeitregelung, in der Bereitschaftszeiten nicht zur Arbeitszeit zählen, und vieles mehr. Das alles hat der BGL mit hohem Barwert für die Unternehmen erkämpft. Dafür müssen wir beständig mit guten Argumenten, aber ohne großes Getöse, Fehlentwicklungen aufzeigen und konnten erfolgreich in der Politik Einsichten erzeugen. Auch künftig gibt es jede Menge Baustellen, bei denen wir uns als Anwalt für das Gewerbe einsetzen müssen. Das gilt aktuell für den Mindestlohn und seine Umsetzung gegenüber ausländischen Unternehmen oder die bevorstehende Mautausweitung.

Diesen Anspruch haben auch die anderen Verbände, die das Gewerbe vertreten. Die Forderung, dass die Akteure mit einer Stimme sprechen, wird immer lauter. Wird es also eine stärkere Zusammenarbeit mit AMÖ, BWVL und DSLV geben?

Man kann fraglos − wie bisher − bei bestimmten Fachthemen mit einer Stimme sprechen. Doch was sagen beispielsweise der DSLV und seine Mitglieder zur Auftraggeberhaftung bei der Durchsetzung des Mindestlohns und bei Verstößen gegen das Güterkraftverkehrsgesetz? Was sagen seine potenten Mitglieder zur Kabotage? Wenn ich mich daran erinnere, mit welcher Vehemenz der Chef eines gelben Konzerns die Freigabe der Kabotage in Brüssel gefordert hat, frage ich mich: Wie wollen Sie mit einer Stimme sprechen, wenn die Konzerne auf der Auftraggeberseite die vollständige Liberalisierung nicht erwarten können und die deutschen Mittelständler auf der Auftragnehmerseite um ihre Existenz im Dumping-Wettbewerb bangen?

Und was ist mit Themen wie Verkehrssicherheit, Infrastruktur-Finanzierung oder Ausbildung? Da wird eine Zusammenarbeit weniger kritisch sein.

Das sind keine Themen, bei denen man sich im Markt auf der Gegenseite trifft. Bei Infrastrukturthemen arbeiten wir schon eng zusammen und treffen uns regelmäßig unter dem Dach des DIHK. Bei solchen Themen lässt sich problemlos eine einheitliche Stimme finden. Weil man bei bestimmten politischen Sachthemen gut zusammenarbeitet, heißt das aber noch lange nicht, dass damit auch die ökonomischen Gegensätze zwischen der Auftraggeber- und Auftragnehmerseite in einem gemeinsamen Verband gut vertreten werden können.

Das ließe sich aber mit verschiedenen Sparten nach dem Vorbild eines Gesamtverbands gut organisieren, oder?

Kaum, denn letztendlich muss es bei kontroversen Themen immer einen Beschluss und eine Sprachregelung geben. Daher wird ein solches Unterfangen misslingen. Man muss sich immer bewusst machen, dass die Verbände unterschiedliche Marktseiten vertreten. Wenn beide Seiten in einem gemeinsamen Verband agieren, wird dieser bald weder kalt noch heiß kennen, sondern nur noch lau. Wer sich in der Bibel auskennt, weiß, dass die Lauen ausgespuckt werden. Das heißt, das Mitglied ist noch frustrierter als zuvor, wenn keine klare Sprachregelung möglich ist.

Ist das Mitglied aktuell denn frustriert?

In gewissem Maße schon. Die Mitglieder erwarten immer mehr, als die Verbände liefern können. Sie wissen zum Teil gar nicht, wie schwer ein Kompromiss erkämpft werden muss. Selbst, wenn uns die Politik an einem bestimmten Punkt die Hand reicht, ist das Ergebnis der langen Verhandlungen immer ein Kompromiss. So läuft Verbandsarbeit mit der Politik nun mal. Doch das sorgt mitunter für enttäuschte Gesichter.

Sie haben ein Paket zur ­Zukunftssicherung geschnürt. Hängt das auch mit der hohen Erwartungshaltung der Mitglieder zusammen?

Da kommt vieles zusammen. Erwartet wird, dass wir schlagkräftig bleiben und zugleich eisern sparen. Wobei der Vorwurf, wir würden nicht sparen, nicht zutrifft. Wir haben heute einen Etat, der um mehrere Hunderttausend Euro unter dem des Jahres 2000 liegt. Wie schafft man das? Doch nur durch die Reorganisation von Prozessen. Wir sind an jeder Ecke schlanker geworden. Würden wir jetzt weiter gehen, müssten wir das Leistungsspektrum radikal beschneiden. Das will aber keines unserer Mitglieder. Also sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir grundsätzliche Dinge hinterfragen müssen. Hier kommt das Zukunftspaket des BGL-Vorstands und der Mitgliederversammlung ins Spiel. Dieses sieht moderate Beitragserhöhungen vor. Wir zeigen aber auch, dass der BGL nichts unversucht lässt, um weitere Synergien zu suchen und die Effizienz zu steigern. Daneben sollen neue Mitglieder die gewerbepolitische Basis und den Finanzrahmen erweitern.

Welches Potenzial sehen Sie, um die Effizienz zu steigern?

Das wissen wir erst, wenn die vorliegenden Empfehlungen eines externen Gutachters durch die Gremien bewertet sind. Ich warne aber vor zu hohen Erwartungen, so wie ich dies bei allzu großer Skepsis tue: Wir haben aktuell einen Durchschnittsbeitrag von 420 Euro im Jahr. Die Mitgliederversammlung hat einen Aufschlag von durchschnittlich 100 Euro beschlossen. Das bedeutet für das Mitglied nicht den Untergang des Abendlands. Ob Synergieeffekte tatsächlich eine spürbare Entlastung bringen, sei dahingestellt. Wichtiger ist in jedem Fall die Leistungsseite, die über den Erhalt und Erwerb einer Verbandsmitgliedschaft entscheidet.

Wie man hört, wurden auch Alter und Zusammensetzung der Präsidumsmitglieder hinterfragt. Wie ist Ihre Position?

Ein entsprechender Vorschlag kam auch aus unserem Landesverband Schleswig-Holstein, der aus dem BGL ausscheiden wird. Er hätte im Klartext bedeutet: alle »Alten« raus. Das hätte fatale Folgen für das Netzwerk, aus dem letztlich Verbandserfolge stammen. Je älter und etablierter ein Verbandsrepräsentant ist, umso wertvoller ist sein Netzwerk. Für den Verband ist das ein enormer Gewinn. Bei uns sitzt keiner, der anderen den »Weg versperrt« oder bei Sitzungen einschläft. Stattdessen haben wir in den Gremien die Nachfolgeplanung und Netzwerkpflege langfristig angelegt.


Wie ist der Stand der Dinge, was die Austrittserklärung des schleswig-holsteinischen Landesverbands VGL angeht?

Der VGL ist bis zum Jahresende Mitglied, er wird noch bei der Mitgliederversammlung im Oktober präsent sein. Für Gespräche ist die Tür von uns aus weit geöffnet. Wir werden die Unternehmen in Schleswig-Holstein aber nicht ohne Betreuung lassen, wenn der Austritt am Jahresende tatsächlich stattfindet. Ein entsprechendes Konzept werden wir zur Mitgliederversammlung in Leipzig vorlegen. Jedes Unternehmen mit Sitz in Schleswig-Holstein soll auch weiterhin von den BGL-Informationsdienstleistungen und vom fachlichen Know-how des Bundesverbands profitieren können, wenn es dies wünscht. Das Konzept umfasst auch die Mitarbeit in Ausschüssen und Arbeitskreisen.

Bedeutet das eine Direktmitgliedschaft?

Es wird beim BGL keine ­Direktmitgliedschaft geben. Wir sind ein Verband der Verbände und befürworten schon wegen der Präsenz vor Ort starke Landesverbände. Wo diese nicht etabliert sind, muss dieses Konzept modifiziert werden.

Ist das eine Mitgliedschaft light?

Das ist auch keine Mitgliedschaft light, sondern eine vollwertige Mitarbeit im Verband. Langfristig ziehen wir eine Betreuung durch einen Landesverband vor. Ich kann mir vorstellen, dass sich dahingehend auch etwas formieren könnte. In den BGL kann man auch eintreten, alles ist freiwillig. Jeder Verband, der die Anforderungen der Satzung erfüllt, kann einen Aufnahmeantrag stellen.

Was die angesprochenen Synergien angeht, tut sich ja schon einiges – auch mit Blick auf die Gespräche zwischen den drei baden-württembergischen Landesverbänden in Richtung einer Fusion. Wie ist das zu bewerten?

Wir sind in Frankfurt nicht die "alte Sowjetunion", die die Landesverbände als Satelliten hält. Die Landesverbände sind autonom, wir mischen uns nicht in deren interne Angelegenheiten ein. Dass Menschen miteinander sprechen, ist sinnvoll und auch kein Geheimnis. Ich halte die möglichen Hindernisse nicht für unüberwindlich, aber man muss die Beteiligten mitnehmen. Ich vertraue den Vorständen und Geschäftsführern, dieses Thema zu lösen. Wenn man dafür – wie in Bayern – mit einer Zentrale und regionalen Geschäftsstellen auftritt, dürften sich die finan­ziellen Synergieeffekte jedoch in Grenzen halten.

Zur Person

Prof. Dr. Karlheinz Schmidt ist seit 1995 Hauptgeschäftsführer und seit 2012 zugleich Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) beziehungsweise beim Bundesverband des Deutschen Güterfernverkehrs (BDF), der BGL-Vorläuferorganisation. Schmidt, Jahrgang 1952, ist seit rund 37 Jahren in unterschiedlichen Funktionen für den Verband engagiert. Der Transportlogistikexperte studierte Betriebswirtschaft an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, wo er auch seine Dissertation schrieb. Seit dem Jahr 2000 ist er Honorarprofessor der Hochschule Heilbronn. Schmidt übt eine Vielzahl an Ehrenämtern aus.

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