Oberleitungs-Lkw von Scania Trolley-Truck auf dem Vormarsch

Siemens und Scania forschen gemeinsam am elektrifizierten Straßengüterverkehr / Siemens and Scania are conducting joint research into the electrification of road freight traffic Foto: Dietmar Gust

Ab Juni fährt der Oberleitungs-Lkw auf der Autobahn und spart CO2-Emissionen.

Nils-Gunnar Vagstedt ist stolz: "Wir werden die ersten auf der Welt sein, die einen Oberleitungs-Lkw auf der Autobahn fahren lassen", sagt der Mitarbeiter von Scania. Vagstedt leitet dort die Abteilung für Hybridsysteme. Anfang Juni ist der Regelbetrieb von zwei sogenannten Trolley-Lkw auf einer zwei Kilometer langen Strecke der E 16 zwischen dem Hafen Gävle und Storvik vorgesehen.

Damit wären die Schweden den Amerikanern bei der Umsetzung eines ebenfalls zusammen mit Siemens entwickelten E-Highway in Kalifornien eine Nasenlänge voraus. Scania testet im Frühsommer die Hybrid-Fahrzeuge im Alltagseinsatz – ob sich bei einer Geschwindigkeit von maximal 90 km/h Strom und Dieselbetrieb automatisch einschalten und wie sich das Fahrzeug bei Überholmanövern verhält.

Und das nicht auf einer eigens dafür vorgesehenen Teststrecke wie bisher in Brandenburg, sondern auf einer veritablen Autobahn. Damit ist eigentlich die Frage schon beantwortet, unter der kürzlich eine Informationsveranstaltung im Europäischen Parlament stand und bei der auch Vagstedt referierte: "Der Elektro-Lkw – Traum oder Realität?"

Für Vagstedt ist er Realität. In drei bis fünf Jahren könnte der Prototyp mit Stromabnehmer ein serienreifes Produkt sein. Das Vorhaben könne aber nur starten, wenn es Sicherheit in Bezug auf die Infrastruktur gebe. "Wir brauchen die Entscheidung, dass elektrifizierte Straßen gebaut werden", betont er. "Das kostet viel Geld, ist aber angesichts der Vorteile nicht teuer", sagt er gegenüber trans aktuell.

Massive CO2-Einsparungen

Mit den Vorteilen meint Vag­stedt die massiven CO2-Einsparungen, die zwischen 80 und 90 Prozent liegen sollen. Außerdem halten sich die Betriebskosten des Lkw in Grenzen, denn der wesentlich effizientere Elektromotor verbraucht bis zu 50 Prozent weniger Energie, und Strom ist zudem billiger als Diesel. Wird der Lkw in Serie gefertigt, könnten die Kosten für das Fahrzeug durchaus unter den Preis herkömmlicher Modelle sinken, meint der Experte.

Heute sei das Fahrzeug allerdings noch etwa 50.000 Euro teurer als das Diesel-Pendant. Ein für einen Oberleitungs-Lkw entsprechend ausgestatteter Kilometer auf der Autobahn koste für beide Richtungen insgesamt allerdings ein bis zwei Millionen Euro. Das hätten Berechnungen von Siemens und Studien ergeben.

Der Trolley-Truck habe eine wichtige Rolle im Verkehr der Zukunft, betont der Manager. Er sei aber nur ein Teil der Lösung, nicht die Lösung an sich. Strom werde wohl auch im Jahr 2050 nicht ausschließlich verwendet. Vielleicht seien bis dahin die Auto­bahnen elektrifiziert, das gelte aber nicht für nachrangige Straßen. "Wir werden die Bäume nicht mit ­einem Elektro-Lkw aus dem Wald holen", sagt Vagstedt.

Erdölfreie Flotte bis 2030

Schweden hat allerdings beschlossen, dass die Fahrzeugflotte bis 2030 erdölfrei sein soll. Vag­­stedt geht davon aus, dass es dafür künftig eine Kombination aus den besten Energieträgern geben wird, es müssten auch weitere nachhaltige Treibstoffe gefunden werden. Scania setze grundsätzlich auf intelligente Verkehrslösungen. "Dabei ist der nicht zurückgelegte Kilometer der beste."

Unterstützung kam aus Brüssel vom Kooperationspartner Siemens, aber auch von Dr. Chris­tian Hey, dem Generalsekretär des Sachverständigenrates für Umweltfragen der Bundesregierung. „Der Güterverkehr ist die Achillesferse des Klimaschutzes“, sagt Hey gegenüber trans aktuell. Um Güter im Fernverkehr klimaneutral zu befördern, sei der Oberleitungs-Lkw eine der spannendsten Möglichkeiten. In den Städten selbst sieht er eher batteriebetriebene Systeme.

Unterstützung kommt auch von der EU-Kommission. Drei Tage nach der Veranstaltung im Parlament twitterte Verkehrskommissarin Violeta Bulc über den E-Highway: "Startklar. Wann werden wir sie auf Europas Straßen sehen?" Das System verbinde ausgereifte Technologie mit einer breiten Palette von Antriebstechniken.


Die Investitionen

Schweden strebt bis 2030 eine erdölfreie Fahrzeugflotte an, nicht zuletzt, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. In die Oberleitungstechnologie, das "Gävle Electric Road Project", wurden umgerechnet etwa 8,1 Millionen Euro an öffentlichen Geldern gesteckt. Rund 5,1 Millionen Euro kamen zusätzlich aus Töpfen von Unternehmen und der Region Gävleborg.

Der Lkw

Scania G 360 4x2
Elektro-Diesel-Hybrid
Ein hinter der Kabine auf den Rahmen montierter Scherenstromabnehmer versorgt den Lkw mit Energie
Die von Siemens entwickelte Technologie wird seit 2013 zusammen mit Scania auf einem Forschungsgelände bei Berlin getestet

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Titel ta 06 2016
trans aktuell 06 / 2016
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