Mathias Wechlin im Gespräch "Eine Frage der Auslegung"

Mathias Wechlin, Global Product Manager von IPT Technology Foto: Andreas Wolf

Mathias Wechlin, Global Product Manager bei der IPT Technology GmbH, über induktives Laden von Elektro-Bussen. Das Interview führte lastauto omnibus-Redakteur Andreas Wolf.

lastauto omnibus: Die Initiatoren des Feldversuchs in Milton Keynes rechnen mit Einsparungen pro Elektro-Bus und Jahr von bis zu 18.000 Euro. Wie kommt diese Summe zustande?

Wechlin: Sie haben einerseits einen wesentlich effizienteren Antrieb als mit Verbrennungsmotoren, hinzu kommen Stromkosten, die niedriger sind. Weitere Einsparungen ergeben sich aus der Möglichkeit, kleinere Batterien einzusetzen, womit sich die notwendigen Investitionen verringern. Dadurch werden die Fahrzeuge auch leichter und der Energieverbrauch pro Kilometer sinkt nochmal. Zudem müssen die Busse ihre Linie nicht extra verlassen, um zu Laden oder eine Batterie zu wechseln.

Das IPT-System lädt die Busse von der Fahrbahn aus. Wäre es nicht einfacher, von oben zu laden, das heißt, die Spulen von oben auf den Bus abzusenken?

Wechlin: Es wurden verschiedene Anordnungen diskutiert, beispielsweise eine Ladesäule am Straßenrand oder die Ladung von oben. Da sich die Ladestellen im öffentlichen Straßenraum befinden, muss beim Laden von oben darauf geachtet werden, welche anderen Fahrzeuge mit welchen Höhen dort noch unterwegs sind. Man denke nur an die vielen Doppeldecker-Busse in London. Bei Normal-Bussen wären dann sehr lange Absenk-Wege notwendig. Ein anderer Punkt ist die optische Erscheinung, die sicher nicht im Sinne eines jeden Stadtplaners wäre.

Wie wartungsintensiv ist das IPT-Ladesystem? Häufige Aus- und An-Zyklen sowie mechanische und thermische Belastungen verringern  doch die Lebensdauer des Systems.

Wechlin: Das ist sicher richtig. Bei einzelne Elektronikkomponenten gibt es die Faustregel, dass ein Plus von zehn Grad Umgebungstemperatur um das Bauteil eine Halbierung der Lebensdauer bedeuten kann. Aber das ist auch eine Frage des Engineerings beziehungsweise der Auslegung. Bei unserem System haben wir eine sehr konservative Näherung, was Langzeiteffekte betrifft. Zudem verfügen wir über den Vorteil langjähriger Erfahrung mit kabellosen Systemen. Wir haben darüber hinaus sehr viel Sensorik eingebaut und bekommen so ein präzises Bild, in welche Richtung sich irgendwelche Schaltungsteile  entwickeln könnten. Auf diese Weise können wir frühzeitig reagieren, wenn Abweichungen vom Sollzustand auftreten. Das System ist modular aufgebaut, das heißt, wir können sowohl die eigentliche Ladeeinheit als auch Teile innerhalb der Module wechseln, ohne große Montage- und Demontagearbeiten durchführen zu müssen. Es gibt natürlich auch mechanischen Verschleiß an der Straßenoberfläche, aber das haben wir auch im Griff, wie unsere induktiven Systeme in Turin zeigen, die dort jetzt schon zehn Jahre im Einsatz sind.

Es gibt Vorbehalte gegen induktive Systeme wegen der möglichen Personengefährdung. Das Eindringen elektromagnetischer Felder in naheliegende, stromleitende Teile wie Blech, Eisen oder Münzen erzeugt parasitäre Ströme, die nicht nur den Wirkungsgrad verringern, sondern diese Bauteile auch erhitzen.

Wechlin: Das ist ein Thema, das man berücksichtigen muss. Wie führen die magnetischen Feldlinien unserer Systeme so, dass sie dort hingehen, wo sie einen Nutzen haben und keine schädliche Wirkung erzeugen. Zudem lässt sich der Ladevorgang überwachen und auch ein Kontrollblick des Fahrers vor dem Auffahren auf die Ladestation stellt eine zusätzliche Sicherheitsstufe dar.

Elektromagnetische Felder können aber auch zu anderen gesundheitlichen Risiken führen. Was ist mit Trägern von Herzschrittmachern oder Metallprothesen?

Wechlin: Es gibt diverse nationale Standards und Vorschriften, die wir alle einhalten und deutlich unterschreiten.
? Was halten Sie von Systemen, die dynamisch laden und somit einen Betrieb von Elektro-Busen ohne Batterien ermöglichen?
Wechlin: Für den Betrieb mit dynamischer Ladung müssen komplette Linien elektrifiziert werden. Weiter multiplizieren sich Umwelteinflüsse und Alterungseffekte, wenn auf kilometerlangen Strecken Elektronikeinheiten verbaut sind. Es wären schnelle Schaltungen notwendig. Damit würde sich ein sehr komplexes Gebilde aufbauen. Außerdem würden sehr lange elektrische Einspeiseleitungen entstehen, die zum einen Kosten und zum anderen Streckenverluste verursachen und so die Systemeffizienz drücken.

Stichwort Netzlastmanagement. Neben einer gesteuerten Aufladung wäre doch auch eine Rückspeisung aus den Fahrzeug-Akkus denkbar.

Wechlin: Das wird zwar immer mal wieder diskutiert, ist aber nur bedingt sinnvoll. Meistens hat man beim Bus einen fest definierten Verbrauch und es geht darum, genügend Energie ins Fahrzeug zu bekommen. Das Szenario gleicht ja nicht dem von Pkw, die einen großen Teil des Tages stehen und deren Batterien während der Nutzungspausen als Puffer genutzt werden könnten. Der Bus soll schließlich mindestens 95 Prozent der Zeit rollen.

Wie schätzen Sie das Potenzial der induktiven Ladung per Hochfrequenztechnik ein?

Wechlin: Theoretisch gibt es die Faustregel, je höher die Frequenz, desto kleiner werden die Komponenten. Mit einem häufigeren Feldwechsel wird die zu generierende Induktion höher. Sollen sehr hochfrequente Felder generiert und verarbeitet werden, braucht man aber auch entsprechend schnell schaltende Elemente. Auf dieser Seite gibt es heute natürliche Grenzen, schließlich müssen die Komponenten bezahlbar sein und zuverlässig arbeiten. Auch erreicht man mit hohen Frequenzen schnell Regionen, in denen andere Vorschriften gelten. Das heißt, es sind sehr viel mehr und andersartige Vorschriften, beispielsweise der Funk- und Radiotechnik, zu beachten. Typischerweise berücksichtigen diese keinerlei Aspekte einer Energieübertragungslösung. Ebenso sind Bauteile zur hochfrequenten Schaltung für die erforderlichen Stromgrößen derzeit nicht verfügbar. Bleibt man in den üblichen Spannungsbereichen, müssen viele Schalter parallel betrieben werden. Die Technik wird dann sehr komplex, teuer und störungsanfällig.

Mit welcher Frequenz laden die englischen Busse und in welche Richtung wird Ihrer Meinung nach die Entwicklung gehen?

Wechlin: Die aktuellen Systeme liegen im Bereich von 20 bis 40 Kilohertz. Mit heute verfügbarer Elektronik kann man Bereiche von 80 bis 90 Kilohertz erreichen. Bei den Entwürfen der Pkw-Standards zum kabellosen Laden ist die diskutierte Basis zwischen 80 und 85 Kilohertz angesiedelt. Es liegt also nahe, dies in künftige Standards beim Omnibus so zu übernehmen.


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