Lkw-Rettung Feuerwehr übt am Simulator

Aufstemmen der Fahrertür Foto: Jacek Bilski 12 Bilder

Lkw-Kabinen zum Aufschneiden sind für die Feuerwehren kaum zu bekommen. Abhilfe schafft ein Simulator.

Markerschütterndes Geschrei dringt aus der Kabine: "Hilfe! Ich bin eingeklemmt!" Bernd Schubert drückt einen Knopf und dichter Qualm breitet sich aus. Doch der Rauch ist ungiftig, der Verletzte eine Puppe und das Geschrei kommt digital aus dem Lautsprecher. Das alles ist nur Show, allerdings nicht zum Vergnügen. Bernd Schubert berät Feuerwehrleute zu Rettungsgeräten der Firma Weber Rescue Systems. In Ravensburg führt er beim örtlichen Mercedes- Händler sein vielleicht größtes Modell vor: den gemeinsam mit der Firma Dräger konstruierten TRT 7000. Was sich anhört wie die Bezeichnung der siebten Terminator-Generation, ist tatsächlich zum Zerstören geboren.
Allerdings macht der TRT 7000 nichts kaputt, sondern er selbst soll das Ziel der Angriffe sein.
Dabei ist dieser geniale Rettungssimulator so konstruiert, dass alle Teile, die von Glassägen, Hydraulikscheren und Spreizern bearbeitet wurden, ganz leicht auszutauschen sind. So können die Rettungskräfte jeden Schnitt beliebig oft wiederholen. Nur die rot lackierten Austauschteile müssen neu eingesetzt werden. Auf diese Weise erhalten die Übenden einen sehr realen Eindruck von den Kräften, vom Arbeiten mit dem schweren Gerät und auch von der Höhe, die so ein Lastwagen jedem Pkw voraushat.

Der Simulator leistet Widerstand

Der acht Tonnen schwere Anhänger, der auf den ersten Blick tatsächlich wie ein Lastwagen aussieht, beeindruckt zudem mit einer großen Bandbreite an Übungen. Dies beginnt beim Abschalten des "Motors", was sich wahlweise durch Abklemmen der Batterie oder schneller per CO2-Löscher mit einem gezielten Zisch in den angedeuteten Ansaugschacht erledigen lässt. Austauschbare Glaseinsätze lassen die Elektrokettensäge zum Einsatz kommen, auf dass der Notarzt schnellstmöglich zum Verletzten kommt. Auch auf der Rückseite der Kabine ist ein leicht tauschbares Blech verbaut. Hier können die Übungsteilnehmer per Flex einen Zugang schaffen. Rot lackiert sind auch der wechselbare Schweller und Teile der A-Säule. Hier packen die Hydraulikwerkzeuge an, wenn zuvor die hoffentlich per Gurt gesicherte Tür herausgestemmt wurde.

Die Krönung ist danach das Vordrücken der Fahrzeugfront, wobei der Simulator in etwa den gleichen Widerstand leistet wie ein echter Laster. Dafür sorgt eine eigens installierte Hydraulik, welche die Kräfte des Spreizers aufnimmt und unkontrollierte Bewegungen des Aufbaus unterbindet. Ist das Wegbiegen der Front geschafft, müssen die Einsatzkräfte nur noch die jammernde Puppe aus ihrem karg verblechten Cockpit holen. Keine einfache Sache, schließlich wiegt sie richtig viel und hilft kein bisschen mit – wie im echten Einsatz eben. Wenn der Plastikkollege dann festgeschnallt auf der Trage im Rettungswagen verschwunden ist, sind oft kaum 20 Minuten verganvergangen.

Wasser bei der Übung - Diesel im Ernstfall

Doch der TRT 7000 hat noch weitere "Gemeinheiten" für die Retter in petto. Denn auf der Ladefläche könnte der Übungsleiter leckgeschlagene Gefahrgutfässer aufstellen. Die Feuerkämpfer müssen dann zunächst erkunden, um was für Stoffe es sich handelt, und gegebenenfalls mit Atemmaske und Vollschutz versuchen, der Gefahrenstelle beizukommen. Atmungsaktiv ist dieser Gummianzug natürlich nicht, denn im Ernstfall könnte gerade das fatal sein. Die Helfer müssten in dieser Montur dann eventuell mit dem Ladekran, dem Gabelstapler oder per Hand abladen und die Löcher stopfen.

In Ravensburg zeigt Vorführer Schubert noch eine weitere Finesse des Simulators. Er verschwindet kurz hinter der Rückseite, legt zwei Hebel um und der weiße Tank zeigt plötzlich kleine und sogar ein ziemlich großes Loch. Zwar plätschert dort kein Diesel heraus, doch der kleine Wasserfall und die riesige Pfütze vermitteln einen Eindruck, was dies im Ernstfall bedeuten könnte. Die beiden "Gummimänner“ haben die Löcher allerdings schnell wieder verstopft. Als weitere Herausforderungen bietet der Übungstank noch einen "undichten" Flansch, einen größeren Riss und eine gebrochene Rohrleitung. Auch der Domdeckel könnte geöffnet werden, um einmal das Abpumpen von Flüssigkeiten zu trainieren.

Zuerst wird die Kabine gesichert

Viel Know-how, das in diesem Simulator steckt, hat Frank Bohm, Technischer Leiter der Ludwigshafener Berufsfeuerwehr, eingebracht. Er gilt als absoluter Spezialist im Bereich Lkw-Rettung und kennt die Not mit dem fehlenden Übungsmaterial. Einen Eindruck vom Ernstfall bekommen die Zuschauer noch durch einen echten Lkw. Denn die Nutzfahrzeug-Unfallanalyse von Mercedes-Benz hat dafür extra einen Actros MP3 mitgebracht. Kay Morschheuser und sein Team haben durch ihre Arbeit in der Sicherheitsforschung und im Crashbereich viele Erkenntnisse gesammelt, die sie sogar in einem Leitfaden für Rettungskräfte detailliert aufgeführt haben. Die Freiwillige Feuerwehr Ravensburg, unter Kommandant Claus Erb, zeigt dann auch genau, wie ein solcher Rettungseinsatz aussehen muss. Mit Notarzt Dr. Rainer Zinser erkundet Erb zunächst den "Unfallort", bis der Gerätewagen eintrifft. Während ein Teil der Leute die Hydraulikwerkzeuge anschließt und übersichtlich bereitlegt, sichern andere die ganze Kabine mit einem Spanngurt, der an den Vorderrädern verankert wird. "Die Aufhängung könnte beschädigt sein und die Kabine vom Fahrgestell fallen, wenn wir daran arbeiten", erklärt der Kommandant.

Gute Übrungskabinen fehlen

Auf der Rettungsbühne vor der Kabine sägt ein Feuerwehrmann die Frontscheibe heraus, damit der Notarzt zum Verletzten kann. Danach kommt die Plattform vor die Fahrertür und ein Hydraulikspreizer macht sich daran, dieselbige von der Kabine zu drücken. Dann wird die 80 Kilogramm schwere Tür mit einem Gurt gesichert und entfernt. Um den Eingeklemmten zu retten, schneidet nun eine gewaltige Blechschere den Schweller durch und beißt dann in die A-Säule. Danach setzen die Männer einen Hydraulikstempel in den Türrahmen. Hinten wird er noch von einer Blechkonstruktion abgestützt. Jetzt schiebt das Werkzeug das Frontblech nach vorne und das "Opfer" kommt frei.

Anschließend demonstriert Unfallanalytiker Andreas Häfele, selbst Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Stuttgart, an der Beifahrerseite, wie die Schnitttechnik beim neuen Actros aussehen wird. Da der Schweller dort härter ist, hält er sich damit gar nicht mehr auf, sondern schneidet einmal oben und einmal unten an der A-Säule. Das reicht aus, um dem Hydraulikstempel seine Arbeit zu ermöglichen. Auch Häfele weiß, wie schwer es für die vielen Feuerwehreinheiten hierzulande ist, an gute Übungskabinen heranzukommen: "Das ist einfach etwas ganz anderes als beim Pkw, schon allein die Arbeitshöhe macht einen großen Unterschied." Aber dafür gibt es jetzt den Rettungssimulator. "Kaufen muss man ihn ja nicht gleich, er lässt sich auch mieten zu verträglichen Kosten“, ergänzt Hydraulikmann Schubert.

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