Lkw im Ernteeinsatz Hand in Hand

Foto: Norbert Böwing 13 Bilder

Im Nordosten Deutschlands gibt es riesige Felder. Kein Wunder, dass bei der Ernte auch Lkw zum Einsatz kommen. Ein Besuch in Mecklenburg.

"Bei uns haben die Lkw nicht die Traktoren ersetzt und sie werden das auch niemals schaffen. Der Einsatz von Lkw erfolgt sozusagen Hand in Hand mit den Traktoren. Vor allem sind die Lastwagen wichtig, um die Ernte schnell vom Feld zum Trocknen in die Betriebe oder zur Verschiffung in den Rostocker Hafen zu bringen." Der Mann, der das sagt, ist Landwirt und Spediteur in einer Person. Und jedes Wort, das über seine Lippen kommt, ist das Ergebnis jahre­langer Erfahrung. Schon deshalb weiß ­Jürgen Cummerow ganz genau, dass ­Erntetransporte mit dem Lkw für die Landwirtschaft an der Mecklenburgischen Seenplatte ein Muss sind. Der 59-jährige Diplom-Argraringenieur hat es selbst ausgerechnet: „Wirtschaftlich ergeben sie ab einer Strecke von etwa sieben Kilometern Sinn. Denn die Ernte mit dem Traktor zum Hof oder in den Hafen zu fahren, dauert viel zu lange und ist einfach zu ­kostenintensiv.“
Keine Angst, Cummerow ist kein Theoretiker. Denn in der Praxis hat er mit den gleichen Sorgen und Nöten zu kämpfen wie die meisten Speditionsbetriebe. Und es sind nicht nur die Unterhaltskosten für die Lkw-Flotte. Denn während es andernorts festgelegte Zeitkorridore für das Auf- und Abladen von Frachten gibt, ist Cummerows Geschäft praktisch unkalkulierbar. Vor allem die Lenk- und Ruhezeiten machen es dem Geschäftsführer der Ivenacker Eichen Prohad GmbH schwer, alle Aufträge just in time ­abzuwickeln: „Da gibt es die Wartezeiten auf den Feldern. Dann die weiten Strecken im Inland, auf denen man einfach nicht vorankommt. Und wenn wir dann zum Entladen im Hafen stehen, ist oft der ganze Tag ge­laufen. Da muss man genau überlegen, auf was man sich einlässt.“
Neun MAN TGX, ein Mercedes-Benz ­Actros, 17 DAF  XF95 beziehungsweise XF105 und ein DAF CF85 mit Anhänger ­stehen im Dienst der Prohad. 33 Fahrer ­beschäftigt das Unternehmen, wovon gut ein halbes Dutzend ständig in Diensten der Landwirtschaft unterwegs ist und einen Ernteeinsatz nach dem anderen bestreitet. Beim Termin mit dem FERNFAHRER herrscht Hochbetrieb. Allerdings machen schwere Gewitter den Mitarbeitern und Landwirten das Leben schwer. Um das Getreide von einem fast 150 Hektar großen Feld abzufahren, sind gleich drei Lkw im Einsatz und mehrere Traktoren.
Zunächst wird das Korn mit einem Um­ladewagen vom Mähdrescher aufgenommen und dann in die Auflieger der gelben Lkw gepumpt. Dass hier in jeder Beziehung in anderen Größenordnungen gearbeitet wird, zeigen die mächtigen Xeron-Traktoren von Claas, die 380 PS haben. Und die Schneidwerke der Claas-Drescher messen stattliche zwölf Meter.
Doch so schnell die Mähdrescher auch arbeiten – ein schweres Gewitter macht alle Anstrengungen zunichte. Das war’s, denn der Einsatz muss aufgrund heftiger Regenfälle nach nur zwei Stunden abgebrochen werden. Für die Fahrer der Trucks bedeutet dies, dass sie das Gedroschene beim Auftraggeber abliefern können. Und was machen sie den Rest des Tages? Es geht zurück auf das Firmengelände nach Ivenack, einem idyllischen Ort, der rund 30 Kilometer von Neubrandenburg entfernt liegt. Dort wartet der Disponent mit dem nächsten Auftrag.
Der Einsatz von Lkw in der Landwirtschaft hat sich inzwischen derart bewährt, dass die Zugmaschinen jetzt problemlos für andere Arbeiten herangezogen werden können. Auf den abgeernteten Feldern muss die Gülle ausgebracht werden. Und der Nachschub für die riesigen Containerbehälter auf den Äckern wird ebenfalls mit Lkw an­geliefert. Jetzt werden die Sattelauflieger abgehängt und gegen spezielle Silotanks ausgetauscht.
„In der Saison können das Dutzende Fahrten an einem Tag sein. Ganz wichtig ist aber, dass die Lastwagen nur auf befestigtem Grund fahren. Alles andere ist einfach zu riskant, weil sie sonst absacken könnten“, berichtet Jürgen Cummerow. Jeder Fahrer achtet deshalb peinlich genau darauf, nur in den Fahrspuren unterwegs zu sein. Alles andere könnte zur Folge haben, dass der Lkw mit Hilfe eines Kranwagens wieder flott­gemacht werden muss. Doch als Mitarbeiter einer Spezial-Spedition kennen die Fahrer die besonderen Risiken ihres Berufs. Viele von ihnen sind gelernte Landwirte und daher vom Fach. Ganz abgesehen davon steckt das Leben eines Fahrers bei Prohad immer voller Überraschungen. Und die Anfor­de­rungen können sich von einem Tag auf den anderen ändern: „Während normale Lkw-Fahrer oft nur mit dem Lkw unterwegs sind, kann es bei uns auch vorkommen, dass
sie als Traktorist oder Fahrer eines Mäh­dreschers einspringen müssen“, erklärt Cummerow.
Dass die Prohad ihren Weg als Fachspedition überhaupt gehen konnte, hat zweifelsohne mit dem besonderen Know-how ihres Chefs zu tun. Und damit, dass auch in der Disposition die richtigen Leute sitzen. Während Dispo-Chefin Ina Schur gerade im ­Mutterschaftsurlaub ist, erledigen Thomas Prüssel und Annkatrin Schimmel die Arbeit. Zu stemmen ist das schwierige Alltags­geschäft aber nur, weil ständig befreundete Subunternehmer im Einsatz sind.
Obwohl die Prohad zweifelsohne eine Kernkompetenz im Bereich landwirtschaft­licher Frachten hat, darf man nicht vergessen, dass sie auch als ganz normale Spedi­tion unterwegs ist. Etwa mit Stückgut, das in der Schweiz abgeliefert werden muss. Und außerhalb der Erntezeit gibt es auch noch den Transport von Futtermitteln und Saatgut. „Ganz von der Landwirtschaft zu leben ist extrem schwierig“, gibt Geschäftsführer Cummerow zu bedenken, „dazu sind wir einfach zu sehr vom Wetter abhängig.“
Derweil hat es aufgehört zu regnen. Jetzt muss schnell wieder neu disponiert werden, damit die Ernte endlich vom Feld kommt.

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