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Lkw-Führerschein Aller Anfang ist schwer

Fahrschule Mülln, Lkw Foto: Mülln

Wer gute Fahrer will, muss die Ausbildung selbst in die Hand nehmen. eurotransport.de zeigt, was der Gesetzgeber vorschreibt und welche Möglichkeiten es gibt, das eigene Personal zu qualifizieren.

Die goldenen Zeiten sind vorbei – bis vor wenigen Jahren kam der Fahrernachwuchs aus den Reihen der Wehrpflichtigen. Seit dem Ende der Wehrpflicht scheiden aus der Bundeswehr aber nur noch wenige Soldaten aus, die einen Lkw-Führerschein in der Tasche haben. Seither müssen sich Speditionen am Arbeitsmarkt stärker um ihren Nachwuchs kümmern und die jungen Leute meist selbst in die Fahrschule schicken. Denn angesichts des hohen Aufwands und der beträchtlichen Kosten machen Schulabgänger und Arbeitssuchende nur selten den Lkw-Führerschein aus eigenem Antrieb.

Gesetz über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer

Die größte Hürde – neben einem Mindestalter von 21 Jahren – ist das so genannte "Gesetz über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güterkraft- oder Personenverkehr". Wer einen Führerschein für Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse über 3,5 Tonnen machen will, der muss zuerst die Schulbank drücken und den Fahrerberuf in der Theorie kennenlernen. Die umfassendste Variante dafür ist die dreijährige Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Das Gesetz bietet aber auch eine kürzere Variante an, die Fahrer zwar weniger ausführlich schult, dafür aber schneller auf die Straße bringt. Dabei legt der Nachwuchsfahrer bei der IHK eine theoretische Prüfung zur "beschleunigten Grundqualifikation" ab. Die ist mit 140 Schulungsstunden á 60 Minuten bei einer anerkannten Stelle verbunden, wobei 10 Stunden davon auf dem Lkw stattfinden. Kostenpunkt für Schulung und Prüfung: Rund 2.400 Euro – je nach Ausbildungsstätte.

Eine Sparvariante gibt es nach dem Gesetz auch. Dann entfällt die Schulung, und der Fahranfänger macht bei der IHK eine Theorieprüfung über vier Stunden sowie eine praktische Prüfung über etwa 3,5 Stunden. Voraussetzung in diesem Fall ist der Besitz des Lkw-Führerscheins, den der Fahrernachwuchs für die beschleunigte Grundqualifikation noch nicht nachweisen muss. "Die Prüfung ist ohne Schulung kaum zu schaffen", sagt Burkhard Mülln, der im Umland von Stuttgart mehrere Fahrschulen betreibt. Die Anforderungen seien dafür zu hoch. Schließlich müssen die Prüflinge alles wissen, was Ausbilder sonst in den 140 Stunden lehren.

Der Lkw-Führerschein kostet richtig Geld

Mülln kennt die Sorgen der Nachwuchsfahrer gut. "Der Lkw-Führerschein kostet heute richtig Geld", sagt der Fahrlehrer. Am Ende der Ausbildung komme der Schüler mit Prüfungsgebühr und allen vorgeschriebenen Fahrstunden auf 6.500 Euro und mehr. Zudem kann er während der Ausbildung auf dem Lkw kein Geld verdienen. "Wenn wir die Ausbildung am Stück durchziehen, braucht der Fahrschüler zwei Monate." Deshalb sind mittlerweile fast alle Fahrschüler von Unternehmen gesponsert oder vom Arbeitsamt im Rahmen einer Umschulung.

Schneller als zwei Monate ist kaum machbar, denn parallel zu den 140 Schulungsstunden und der IHK-Prüfung findet die eigentliche Fahrausbildung statt. Dabei müssen die Nachwuchsfahrer für die Klassen C und CE noch mal 20 Doppelstunden Theorie pauken. "Vorgeschrieben sind je sechs Doppelstunden Grundstoff und zehn Stunden Zusatzstoff für C sowie vier für CE", erklärt Mülln. Am Ende der Theorie steht eine Prüfung, die sich aus drei Fragebögen zum Grundstoff und den beiden Klassen zusammensetzt.

Neben dem Theorieunterricht setzt Mülln seine Fahrschüler auch schon auf den Lkw. Die Fahrschüler müssen zehn Praxisstunden à 60 Minuten im Rahmen der beschleunigten Grundqualifikation ableisten. "Für C und CE empfehlen wir 34 Fahrstunden mit 45 Minuten", erklärt Mülln. 14 Stunden davon sind Sonderfahrten. Der Rest ist reine Übungszeit, um sich an die Fahrzeuge und den Verkehr zu gewöhnen.
"Wir beginnen den Unterricht ohne Anhänger." Erst wenn alle Stunden auf dem Motorwagen absolviert sind, dürfen die Schüler bei der Fahrschule Mülln mit Anhänger fahren. "Fürs Gefühl fahren wir zunächst mit dem Gliederzug", erläutert Mülln. Die eigentlich CE-Ausbildung findet dann aber auf dem Sattelzug statt. "Den fahren die meisten später auch im Unternehmen", sagt der routinierte Beifahrer. Zudem ist das Rangieren mit dem Sattelzug rückwärts.

Am Ende stehen zwei Prüfungen

Am Ende aller Übungs- und Pflichtstunden stehen zwei Prüfungen, vorausgesetzt die Theorieprüfung liegt erfolgreich hinter dem Fahrschüler. "75 Minuten dauert die Prüfung pro Klasse." Mülln setzt aus Erfahrung immer zwei Termine für die Prüfungen an. Denn besteht der Prüfling die C-Prüfung nicht, entfällt die CE-Fahrt automatisch.

Die Prüfungsaufgaben sind nicht zu unterschätzen. Besonders die jeweils 15 Minuten für die Abfahrtskontrolle und das Auf- oder Absatteln haben es in sich. Aber auch beim Fahren warten zahlreiche Tücken auf die Fahranfänger. Dennoch: "Die meisten unserer Schüler schaffen die Prüfungen beim ersten Mal", sagt Mülln.

EU-Kartenführerschein mit der Schlüsselzahl 95

Als Belohnung gibt es dann schließlich den EU-Kartenführerschein, der – dank der beschleunigten Grundqualifikation – auf der Rückseite bereits die Schlüsselzahl 95 vermerkt hat. Die braucht es ab kommendem Jahr, damit der Führerschein auch gewerblich eingesetzt werden kann. Mit dem Führerschein kann der Nachwuchsfahrer dann noch seine Fahrerkarte beispielsweise bei Dekra beantragen und ist damit bereit für den ersten Einsatz in der Spedition.

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