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Lang-Lkw Regelbetrieb löst unterschiedliche Reaktionen aus

Streck Transportgesellschaft mbH /// Luftaufnahme /// Freiburg Foto: FLYMOTIONS Felix Hosenseidl

Während Nordrhein-Westfalen die Verweigerungshaltung gegenüber Lang-Lkw aufgibt, setzt Baden-Württemberg eher auf die Schiene.

Der vom Bundesverkehrsministerium zum Jahresbeginn verfügte Regel­betrieb für Lang-Lkw hat unterschiedliche Reaktionen ausgelöst. Während Nordrhein-Westfalen sein kategorisches Nein aufgegeben hat und inzwischen sicherstellen will, dass heimischen Unternehmen keine Nachteile gegenüber Wettbewerbern aus anderen Bundesländern entstehen, feilt Baden-Württemberg noch an einer Studie zur Umweltverträglichkeit. Bis es län­der­über­greifend Klarheit gibt, wird es noch dauern.

Spedition Streck würde gerne Lang-Lkw einsetzen

Die Spedition Streck in Freiburg würde gern längere Fahrzeug einsetzen. "Wir hätten optimale Voraussetzungen, um in einigen Regionen drei Lkw durch zwei lange Einheiten zur ersetzen", sagt Geschäftsführer Gerald Penner. Obwohl klassisches Stückgut befördert wird, wäre das nach seiner Einschätzung nicht nur wirtschaftlich, sondern auch umweltfreundlich. Aber ihm sind die Hände gebunden. Der nächste Auffahrpunkt auf die A 5 auf das von der Bundesregierung veröffentlichte Positivnetz für Lang-Lkw wäre für Streck Karlsruhe. Das ist von Freiburg satte 136 Kilometer entfernt.

Das Netz kann auf Antrag des jeweiligen Bundeslandes in Berlin erweitert werden. Aus dem Stuttgarter Verkehrsministerium ist anderes zu hören: "Baden-Württemberg verfolgt weiterhin primär das Ziel, den Straßenverkehr zu reduzieren und mehr Güter auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern", sagt Sprecherin Julia Pieper zu trans aktuell.

Ergebnis der Studie soll im Frühjahr vorliegen

Derzeit laufe eine Studie, ob Lang-Lkw das Klima wirklich schonen und wie viel Verkehr eingespart werden kann. Das Ergebnis soll im Frühjahr vorliegen.
Seit dem Beginn der ein­ge­schränk­ten Teilnahme an dem Lang-Lkw-Feldversuch des Bundes 2015 wird im grün-schwarzen Baden-Württemberg wissenschaftlich untersucht, ob die 25 Meter langen Fahrzeuge tatsächlich CO2 und Diesel einsparen. "Das Gutachten geht inhaltlich über die Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen hinaus, da eine vollständige Bilan­zie­rung der Klimawirkungen von Lang-Lkw erfolgt, bei der auch indirekte Effekte wie die zu befürchtende Verlagerung von Bahntransporten auf Lang-Lkw und induzierter Verkehr beleuchtet werden", erläutert Pieper. Dafür hatte sich das Land auf zwei Versuchsstrecken mit Daimler zusammengetan.

Penner sieht dem Ergebnis skeptisch entgegen. "Die systemtechnischen Vor- und Nachteile fließen in solche Betrachtungen vielfach nicht ein", befürchtet er. Es werde immer nur gesagt, die Straße gewinne zu Lasten der Bahn. "Das stimmt auch grundsätzlich. Aber Ursache und Wirkung werden ausgeblendet."

In den Zahlen schlage sich schließlich auch nieder, dass in Deutschland insgesamt weniger Massengüter umgeschlagen würden, die bislang auf der Bahn unterwegs waren (siehe Interview unten). Für andere Güter seien die entsprechenden Umschlaganlagen häufig gar nicht beziehungsweise nur mit erheblichen Umwegen erreichbar oder die Lauf- und Abfahrtzeiten der Bahn entsprächen nicht den Anforderungen.

NRW sieht Lang-Lkw kritisch, prüft nun aber bestimmte Strecken

Auch im rot-grünen NRW werden Lang-Lkw nach wie vor kritisch gesehen. In einem Entschließungsantrag des Landtags zum Thema heißt es, wissenschaftliche Untersuchungen gingen davon aus, dass durch die langen Fahrzeuge pro Jahr zusätzlich 1,7 Millionen Lkw-Fahrten verursacht würden, was bundesweit 7.000 Fahrten täglich entspreche. Trotzdem soll das Verkehrsministerium in Düsseldorf sicherstellen, "dass den Unternehmen in Nordrhein-Westfalen bezüglich des Einsatzes von Lang-Lkw unter Berücksichtigung aller Umstände keine Wettbewerbsnachteile gegenüber Mitbewerbern aus anderen Bundesländern entstehen".

Aus diesem Grund werden jetzt in NRW Streckenvorschläge von Firmen auf ihre Eignung für das sogenannte Positivnetz hin geprüft. "Über die Ergebnisse wird das Verkehrsministerium schnellstmöglich dem Verkehrsausschuss berichten", sagt Ministeriumssprecher Bernhard Meier. Kriterien sind, dass durch Lang-Lkw weder die Ver­kehrs­sicher­heit beeinträchtigt noch die Stauanfälligkeit erhöht oder die Infrastruktur übermäßig belastet werden. Geeignete Strecken würden dann dem Bundesverkehrsministerium für die Aufnahme in die Positivliste gemeldet, erläutert Meier. Davon kann Gerald Penner in Baden-Württemberg bislang nur träumen.

Streck-Geschäftsführer Gerald Penner will drei Lang-Lkw einsetzen

trans aktuell: Herr Penner, warum folgt Streck nicht dem politischen Ziel des Stuttgarter Verkehrsministeriums und verlagert Transporte auf die Schiene?

Gerald Penner: Von unserer Niederlassung Freiburg aus starten täglich rund 100 Lkw im Fernverkehr. Damit lassen sich in der Tat zwei Züge füllen. Nur fahren diese Lkw in alle Himmelsrichtungen und lösen sich nach etwa 200 Kilometern in Einzeleinheiten auf. Das ist eine Struktur, die die Bahn nicht abbilden kann. Und wer kann es sich leisten, ständig Container umzuladen? Die nötige Infrastruktur mit entsprechenden Bahnhöfen und Umschlaganlagen existiert in der notwendigen Dichte auch gar nicht. Wo eine Direktverbindung nicht möglich ist, müsste die Fracht auf der Bahn entsprechende Umwege in Kauf nehmen, mit allen negativen Konsequenzen hinsichtlich Laufzeit, Kosten und dem Energieverbrauch. Der Lkw kann einfach durchfahren. Das ist umweltfreundlicher, denn auch die Bahnen verursachen ja Emissionen.

Dass die Schiene Marktanteile verliert, liegt also nicht nur an hohen Trassenpreisen und teurem Bahnstrom?

Nein. Die Verkehrsträger Straße und Bahn haben ganz unterschiedliche Stärken und Schwächen. Die Stärke der Bahn liegt im Massengütertransport, aber die entsprechenden Wirtschaftszweige verschwinden hierzulande zusehends. Werden Kohlekraftwerke abgestellt, die Stahlverarbeitung heruntergefahren oder Papier außerhalb Deutschlands hergestellt, sinkt das Güteraufkommen der Bahn. Ebenso ist die Bahn sehr erfolgreich in den Zu- und Nachläufen von und zu den großen Seehäfen. Auch hier nutzen wir die Bahn, weil das Angebot stimmt. Hierbei darf aber nicht vergessen werden, dass ein Merkmal der florierenden deutschen Wirtschaft die Hidden Champions sind. Diese Unternehmen verteilen sich über ganz Deutschland auch in entlegenere Regionen wie beispielsweise den Schwarzwald. Das sind Strukturen, die per se den Lkw in den Vordergrund rücken, der Flexibilität und Flächenabdeckung mitliefert. Das kann die Bahn nicht. Ich muss ja immer zu einem Umschlagpunkt, wo ich dann große Mengen auf einen Zug bringen kann.

Wenn Streck mit Lang-Lkw fahren dürfte – wie viel Bedarf gibt es und was würde damit transportiert werden?

Ingesamt würde es für uns sicherlich zunächst um zwei oder drei längere Fahrzeuge gehen. Wir würden nichts anderes transportieren als heute auch, nämlich klassisches Stückgut. Es gibt Regionen, die wir täglich mit drei Wechselbrücken bedienen. Diese Relationen würden wir umstellen und drei Gefäße auf einen Lkw bringen. Es fiele also ein Lkw weg. Wir würden auf Hauptverkehrsadern von Speditionsanlage zu Speditionsanlage fahren, nicht durch Dörfer, nicht durch den Schwarzwald. Aber solange es keine andere Lösung gibt, fahren wir eben weiterhin mit drei Lkw statt mit zweien. Es gibt einen technischen Effizienzgewinn, den wir nicht nutzen können, weil ein anderer Verkehrsträger diesen Gewinn nicht hat. Das widerspricht in meinen Augen der Grundordnung unserer Wirtschaft und benachteiligt den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg.

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