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Lang-Lkw-Experte Dr. Marko Irzik im Gespräch BASt macht weitere Fahrversuche mit Lang-Lkw

Elflein, Zugmaschine Foto: Küppers

Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wird zum Lang-Lkw-Typ 2, dem Sattelzug mit Zentralachsanhänger, noch einen Einzelbericht an das Bundesverkehrsministerium erstellen. Dieses Fahrzeug hatte zunächst nur eine Genehmigung für ein Jahr im Regelbetrieb erhalten. Außerdem hat die BASt um Rückmeldungen zu Lang-Lkw-Typ 1, dem verlängerten Sattelauflieger, gebeten. Das berichtet Dr. Marko Irzik, Projektleiter der BASt beim Thema Lang-Lkw. Er zieht eine positive Bilanz der fünfjährigen wissenschaftlichen Begleitung des Projekts Lang-Lkw. Seit Jahresbeginn läuft der Regelbetrieb.

trans aktuell: Herr Dr. Irzik, vermissen Sie den Lang-Lkw?

Dr. Irzik: So ganz ist er ja noch nicht vom Schreibtisch runter, insofern nein. Ich freue mich aber, mich wieder mit voller Kraft mehr meinen anderen Aufgaben widmen zu dürfen.

Womit beschäftigen Sie sich aktuell denn?

Mit einem ganz spannenden Projekt, einer webbasierten Arbeitshilfe für Unfallkommissionen, die man unter makau.bast.de findet. Unfallkommissionen identifizieren Stellen im Straßennetz, wo es zu Unfallhäufungen kommt, und sollen dann Maßnahmen beschließen, um die Unfälle zu verhindern. Die Arbeitshilfe soll die Unfallkommissionen bei der Maßnahmenfindung unterstützen.

Ist das Ihr Spezialgebiet?

In gewisser Weise schon. Ich beschäftige mich mit Methoden und Verfahren, wie wir infrastrukturelle Problemstellen identifizieren und Defizite detektieren, um daraus Maßnahmen abzuleiten, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.

Wie kamen Sie dann zum Thema Lang-Lkw?

Das ist ein bisschen meiner Historie geschuldet. Schon als Student habe ich mich mit Schleppkurven und während meiner Dissertation mit dem Thema Überholen auf Landstraßen beschäftigt. Bei der BASt hatte ich mit dem Thema Entwurf von Autobahnen begonnen, später kam das Parken auf Rastanlagen dazu. Insofern hatte man bei mir wohl eine Bündelung von Themen gesehen, die auch beim Lang-Lkw eine Rolle spielen. Also hieß es: Das macht der Irzik.

War der Lang-Lkw Ihr komplexestes Projekt?

Definitiv. Es waren alle fünf Fachabteilungen der BASt involviert, ich habe Einblicke in völlig neue Gebiete wie die Fahrzeugtechnik und -ökonomie bekommen. Die psychologischen Aspekte waren ebenfalls nicht Teil meiner Ausbildung. Ich habe aber nicht nur die Komplexität, sondern auch die große Chance gesehen, das machen zu dürfen.

Hat es Ihre Arbeit erschwert, dass das Thema so emotional besetzt war?

Also nicht in der Form, dass ich persönlich angefeindet oder angegriffen worden wäre –  beziehungsweise unsere Arbeit darunter gelitten hätte. Aber wenn man sich mit einem Thema so intensiv befasst, wie ich fast sieben Jahre lang, kann man manchmal schon die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn man immer wieder mit Aussagen konfrontiert wird, die einfach nicht zutreffen.

Spielen Sie auf Kritiker an, die behaupten, dass die Schiene Schaden nimmt?

Ich will das gar nicht auf die Gegner schieben. Ich möchte auch nicht als Befürworter erscheinen – allein aus der Tatsache heraus, dass ich Dinge richtiggestellt habe.  Denn ich bin schon der Ansicht, dass ich die ganze Zeit über die fachliche Neutralität gewahrt habe. Es gibt auch Aussagen der Befürworter, die ich ebenfalls nicht stehen lassen kann.

Zum Beispiel?

Von Befürwortern hört man oft, dass der Lang-Lkw die Straße schont, weil sich das Gewicht auf mehr Achsen verteilt. Das Argument der Gegner trifft nicht zu, dass die Straße bei gleicher Tonnage mehr beansprucht wird. Umgekehrt wird sie aber auch nicht geschont – vergleicht man die Kollektive mit und ohne Lang-Lkw, ist der Effekt marginal, also unbedeutend.

Wie lautet Ihre persönliche Lang-Lkw-Bilanz?

Mein Job war es, die Fakten auf den Tisch zu legen, damit die Entscheider ein Urteil fällen konnten. Die Fragen, die wir beantworten konnten, haben wir beantwortet. Also hat die BASt doch einen super Job gemacht.

Ist die Überführung in den Regelbetrieb für Sie also eine Bestätigung Ihrer Arbeit?

Die Entscheidung ist die Bestätigung, unabhängig davon, wie sie ausgefallen ist. Das Schlimmste wäre gewesen, wenn das Verkehrsministerium gefragt hätte: Was sollen wir denn jetzt machen?

Trotzdem sind ein paar Fragen offen geblieben, sodass Lang-Lkw 2 noch eine Extrarunde unter Beobachtung drehen muss …

Typ 1 – der Lkw mit verlängertem Sattelauflieger – hat unsere Untersuchung ebenfalls kompliziert gemacht und erfordert noch Nacharbeit. Und bei Typ 2 – Sattelzug mit Zentralachsanhänger – trifft es zu, dass dieses Fahrzeug zunächst nur eine Verlängerung für ein Jahr bekommen hat. Unter Federführung meiner Kollegen aus der Fahrzeugtechnik sind weitere Fahrversuche gemacht worden. Es wird zu diesem Fahrzeugtyp noch einmal einen Einzelbericht an das Ministerium geben. Dann wird entschieden, ob die Befristung aufgehoben wird oder nicht.

Welche Nacharbeit fällt bei Typ 1 noch an?

Die siebte Änderungsverordnung fordert die Teilnehmer des Feldversuchs auf, uns besondere Ereignisse, Unfälle oder Probleme bezüglich der Befahrbarkeit zu melden. Was das Nachfragepotenzial angeht, ist ein Wert von 50 Prozent der Auflieger in den Fuhrparks im Schlussbericht genannt. Sie ist nicht empirisch abgesichert – es war eine Best-Guess-Annahme, das steht so auch drin. Wir haben diese Zahl von Experten genannt bekommen – es könnten aber auch 30 oder 70 Prozent sein. Wir sind im Gespräch mit dem BMVI, ob wir das Nachfragepotenzial noch mal genauer untersuchen.

Welche Fragen blieben sonst noch offen?

Zum Beispiel konnten wir keine Befragung anderer Verkehrsteilnehmer durchführen. Die Zahl der Verkehrsteilnehmer, die bewusst einen Lang-Lkw wahrgenommen haben, wäre einfach zu klein gewesen. Bei mir hat es privat ebenfalls bis nach dem Feldversuch gedauert, bis ich einen gesehen habe.

Weil Sie in Nordrhein-Westfalen wohnen …

Das spielt natürlich eine Rolle. Ich bin aber mit dem Auto bundesweit unterwegs, etwa in Niedersachsen, Hessen und Bayern. Auf der Hin- und Rückfahrt in den Osterurlaub habe ich zwischen München und Frankfurt nun aber auch mal drei Lang-Lkw gesehen.

Hat es Ihrer Arbeit geschadet, dass die Zahl der Lang-Lkw überschaubar geblieben ist?

Am Anfang war ja immer die Zahl 400 kolportiert worden. Die Auswirkungen auf den Verkehrsablauf hätten wir auch bei dieser Zahl nicht beantworten können. In der Wissenschaft ist es legitim, Dinge zu simulieren oder experimentell zu beantworten. Beim Anprall von Lang-Lkw an Schutzeinrichtungen ist das auch sinnvoll – den wollen wir real doch gar nicht erleben.

Die Ergebnisse zur Tunnelsicherheit und der Parkplatzverfügbarkeit zeigen ein paar Herausforderungen auf. Was bedeutet das?

Dass ich mir zum Beispiel beim Thema Gefahrgut derzeit keine Öffnung im Rahmen des Regelbetriebs vorstellen kann. Gleichzeitig gebe ich aber zu, dass ich dazu wenig Expertise habe. Wir müssten das Thema neu betrachten, wenn das aktuell würde. Und was die Rastanlagen angeht, ist es wie bei einer Farbpalette: Ich muss mir die Rastanlage anschauen, um zu entscheiden, in welchen Farbtopf ich den Pinsel tauche, um damit dann die passende Lösung zeichnen zu können.

Sie haben mit einer Vielzahl an Instituten einerseits und Speditionen andererseits gearbeitet. Welche Seite war Ihnen lieber?

Die haben uns beide prima unterstützt. Was die Wissenschaft angeht, haben wir mit hoch renom­mierten Kollegen zusammenarbeiten dürfen. Allen war die Brisanz und der Zeitdruck bewusst, da konnte ich mich super darauf verlassen. Jede Verzögerung hätte sich auf den Gesamtabschluss ausgewirkt und mich in die Bredouille gebracht. Und was die Spediteure betrifft, waren alle sehr kooperativ und engagiert.

Bleibt die Stimmung in der Bevölkerung: Hat sie das Prinzip des Lang-Lkw mittlerweile verstanden?

Ich denke nach wie vor, dass es ein hohes Informationsdefizit gibt. Das merke ich bei Gesprächen mit Leuten, die man kennenlernt. Da kommt meist: Ach, du machst das mit den Monster-Trucks oder mit den 60-Tonnern. Eine Versachlichung der Diskussion mag stattgefunden haben, ich erkenne aber immer noch das besagte Informationsloch.

Zur Person

  • Dr. Marco Irzik ist stellvertretender Leiter des Referats Straßenentwurf, Verkehrsablauf, Verkehrsregelung bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt)
  • Verkehrswissenschaftliches Studium und Promotion an der Leibniz-Universität Hannover
  • Jahrgang 1974, verheiratet, Vater von zwei Jungen. In der Freizeit engagiert im Jugendfußball, Interesse am Bergwandern
Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
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