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Karl Fischer im Gespräch Kombinierter Verkehr bleibt Nummer eins

Foto: Thomas Küppers 7 Bilder

Ob Alpenverkehr oder Krankenhauslogistik – das Logistik-Kompetenz-Zentrum Prien arbeitet für öffentliche und private Auftraggeber. Geschäftsführer Karl Fischer setzt stark auf die Verlagerung von der Straße auf die Schiene.

Eine Dachgesellschaft und 16 Partnerunternehmen aus den verschiedensten Disziplinen – das ist laut Geschäftsführer Karl Fischer das Erfolgsrezept des Logistik-Kompetenz-Zentrums (LKZ) in Prien. Welche Projekte derzeit auf der Agenda stehen, erklärt er im Gespräch mit der Redaktion trans aktuell.

trans aktuell: Herr Fischer, trans aktuell berichtete 1999 über ihr Projekt "München–Verona in sechs Stunden". Erinnern Sie sich?

Fischer: Natürlich. Mit dem Kombinierten Verkehr dauerte der Transport einer Wechselbrücke über die Alpen damals bis zu 14 Stunden, mit einer Qualität von 60 Prozent. Heute sind es siebeneinhalb Stunden mit einer Pünktlichkeit von 90 Prozent.

Ist der Kombinierte Verkehr heute noch Ihr Steckenpferd? Neuere Projekte des LKZ drehen sich ja auch um Krankenhauslogistik oder Telematik für das Bayerische Rote Kreuz.

Der Kombinierte Verkehr ist und bleibt Geschäftsfeld Nummer eins. Aber das LKZ gibt eben Antworten auf die verschiedensten Fragen. Unser Ziel ist, das logistische Wissen um das Supply-Chain-Management von der  Performance- in die Vorstandsebene zu bringen. Beispiel Krankenhaus: Die Abläufe im Krankenhaus werden aus unserer Sicht noch zu wenig prozessorientiert abgewickelt. Hier können wir mit unserem Wissen sehr schnell sowohl im Alltag als auch bei künftigen Planungen helfen.

Logistik dreht sich also nicht nur um die Bewegung von Gütern …

Genau, und die Optimierung der einzelnen Zelle entspricht nicht unbedingt der Optimierung des Gesamten. Es fehlt oft die Gesamtsicht. Und die können wir leisten: An unserem Standort konzentrieren wir insgesamt 16 Unternehmen. Das Wesentliche aber ist, dass wir keine Consultingfirma sind, wir wollen unseren Kunden keine Software verkaufen, sondern wir arbeiten nach dem Grüne-Wiesen-Konzept.

Sie betreuen auch viele Projekte der öffentlichen Hand. Eines Ihrer größten war Transitects mit 16 Projektpartnern. Wie ziehen Sie da Bilanz?

Man muss viel Engagement mitbringen – das Projekt ging über drei Jahren. Aber durch die grenzüberschreitende Arbeit auf Expertenebene haben wir nachhaltige Grundlagen geschaffen, die auch politisch aufgegriffen werden, weil so viele Leute sie mittragen. Was uns hier sehr freut ist, dass das Thema Anbindung an die Südhäfen gut funktioniert. Fünf Zugpaare von Triest nach München gibt es schon, und die  Zahl wird jetzt erhöht. 

Was ist mit dem Premium Dry Port Konzept, das auf die adriatischen Häfen als Alternative zu den Nordhäfen mit einem Zeitvorteil von bis zu fünf Tagen abzielt?

Ein Konzept dazu wollen wir bis zur Messe transport logistic in München fertig haben. Idealerweise wollen wir zuerst Koper und Triest zusammen koordinieren und dann an bestehende Züge anbinden. Wenn dann alle fünf nordadriatischen Häfen –Venedig, Triest, Koper, Rijeka und Ravenna – sich abstimmen, dann könnte man problemlos sechs Waggon Container etwa an einen Holzzug anhängen. Operativ ist das einfach, dafür braucht es dann nur noch einen professionellen Koordinator und ein professionelles EDV-System, das die nötige Transparenz schafft.

Gibt es denn schon Kunden, die sich dafür interessieren?

Wir haben eine Firma, die Tragetaschen produziert. Diese Taschen kommen aus China und haben im Vergleich mit dem Weg über die Nordhäfen einen CO2-Fingerabdruck, der um 85 Prozent geringer ist.

Auf der einen Seite trommeln Sie für die nordadriatischen Häfen, auf der anderen Seite machen Sie sich mit Hamburg 62+ für mehr Schienengüterverkehr zwischen Bayern und der Hansestadt stark. Ergänzen sich diese Aktivitäten denn?

Wenn wir das Problem der wachsenden Gütermengen lösen wollen, dann stellt sich diese Frage nicht. Die Ware sucht sich immer den besten Weg. Außerdem gebietet uns auch der Klimaschutz, dass man gewisse Dinge einfach verbessern muss.

Wie kann man überhaupt bewerten, wo die Ware am sinnvollsten ankommen soll –- ob in Hamburg oder Koper?

Das ist auch Politik der Reeder. Mit dem Slow-Steaming brauchen die Schiffe heute auch schon fünf bis sieben Tage länger als früher. Und in schlechten Zeiten haben sie sich die Gebühren für den Suez-Kanal gespart und sind die lange Route um Afrika gefahren. Letztlich denke ich, dass es künftig eine Mischung geben wird.

Was ist mit Hamburg?

Da heißt es: Der KV-Anteil von 65 Prozent ist doch schon gut.  Ich sage: Eben nicht, weil ab 300 Kilometer der Container auf der Schiene billiger ist. Wir haben etwa eine Firma gefunden, die die doppelten Raten für den Lkw auf der Straße bezahlte!  Was logisch ist, wenn der nicht paarig fahren kann und keine Leercontainer hat. Ein anderes Unternehmen hatte 35 Container am Tag, also ein halber Zug. Auch das ist mit seinen Containern jetzt auf der Schiene. Es ist also noch vieles machbar.

Und wie?

Wir brauchen unbedingt Umschlaganlagen, die nahe bei der Fracht sein müssen. Ein Unternehmer nimmt nicht die Schiene, wenn er 100 Kilometer im Vor- oder Nachlauf auf der Bundesstraße fahren muss, – da ist es mit der Wirtschaftlichkeit des Nachlaufs schnell vorbei. Daraus resultiert die Notwendigkeit einer gewissen Anzahl von Umschlaganlagen.  Das ist eine Philosophiesache: Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten. Wer Umschlaganlagen baut, wird mehr Verkehr verlagern. Das ist eine Grundsatzfrage, die ich auch beim Bürgerbeteiligungsverfahren zum Brennerzulauf stellen werde, das ich moderieren will.

Bei dem Deutschland noch nicht viel vorzuweisen hat …...

Es ist unglaublich, dass die Österreicher 2,6 Milliarden investieren und ihre Schiene fertig haben und wir auf der bayerischen Seite bauen einen Prellbock hin.

Verstehen Sie, dass mit dem Argument »sauberer Lkw auf der Straße« dennoch wieder die Sinnhaftigkeit einer Schienenverbindung diskutiert wird?

Ich kann am Brenner ganz einfach diskutieren: Es gibt 2,1 Millionen Lkw -– 700.000 auf der Schiene, 1,4 Millionen auf der Straße. Der wesentliche Punkt  - und das wird auch ein künftiges Projekt von uns sein -  ist, wie man einen Teil der Lkw auf die Schiene verlagern kann. Die Strecke ist eigentlich nicht das Problem, wenn man das intelligent steuert und nicht dann fährt, wenn alle anderen fahren.

Was ist dann der größte Hebel?

Der größte Hebel ist aus meiner Sicht die technische Seite. Wir haben im Rahmen von Transitects 43 Umschlagsysteme untersucht, von Mobiler über Modalor bis zu Cargobeamer. Alles schön und gut, aber es geht nicht, dass wir neue Terminals bauen sollen, nur weil es ein neues Umschlagsystem gibt.

Und was ist Ihr Ansatz?

Wir brauchen ein neues System mit folgenden fünf Parametern: keine Änderung an der bestehenden Infrastruktur, keine Änderung an der technische Norm, keine Änderung am Sattelauflieger, keine Änderung am Waggon und keine Änderung der auch international eingespielten Geschäftsprozesse. Wenn wir dieses technische Problem lösen, dann haben wir den größten Hebel, um wesentlich mehr Verkehre von der Straße auf die Schiene verlagern zu können.

Das ist dann auch Ihr Schwerpunkt für das Jahr 2013?

Wir werden es so konzipieren, dass es 2014 ein europäisches Projekt wird. Und dass wir damit anecken werden, ist normal. Aber man muss eben auch mal dagegenhalten, um etwas zu erreichen.

Erst kürzlich hat Kombi-Consult eine neue Studie zu den technischen Umschlagsystemen vorgestellt. Braucht es denn noch mehr Input zu dem Thema?

Eine Kombi-Consult denkt eben auch nur als Tochter eines KV-Operateurs.  Uns geht es aber um die Gesamtbetrachtung: Alle Systeme, die geprüft wurden,  hat man immer aus Sicht der Technik gesehen, nicht aus Sicht des Nutzers - –dem Transportunternehmer, der das bedienen und letztlich auch bezahlen muss.

Ist die Rollende Landstraße Teil der Lösung?

Eigentlich ist die Rola die Problemlösung für die Struktur des Gewerbes - – 75 Prozent mit einem bis zehn Lkw. Das eigentliche Problem der Rola ist aber, dass der Fahrer mitfährt. Das macht schon 50 Prozent der Gesamtkosten aus und ist also nicht rentabel. Aber wie können sich die mittelständischen Unternehmer organisieren, wenn die Rola mal wegfallen sollte? Hier müssen wir also auch noch Überlegungen anstellen.

Hat die Rola denn noch Zukunft?

Die Rola wird dann tot sein, wenn das System technisch nach 30 Jahren am Ende ist und keine finanziellen Mittel für Ersatzinvestitionen zur Verfügung gestellt werden. 

Kritiker sagen: Wenn alle auf die Schiene verlagern, sind die Kapazitätsgrenzen schnell erreicht.

Das Eingangsbeispiel München–Verona zeigt ja, dass jede Menge Rationalisierungspotenzial vorhanden ist. Oder nehmen sie im Seehafenhinterlandverkehr als Beispiel die Strecke Stendal–-Hof–-Reichenbach und weiter noch bis zu den Adriahäfen, das ist noch jede Menge Potenzial vorhanden. Letztendlich muss man nur überlegen, wo am sinnvollsten zu investieren ist: Mit dem Personenfernverkehr verdient die Bahn kein Geld. Wenn man stattdessen die Prioritäten auf den Güterverkehr und den ÖPNV und auf die entsprechende Infrastruktur legt –zum Beispiel der Brenner-Zulaufstrecke–, dann kann man auch problemlos verlagern.

Ein Argument vieler Kleinunternehmer ist, dass das System Schiene nicht flexibel genug ist.

Deswegen muss es wie im S-Bahn-Verkehr laufen. Die KV-Operateure müssen ein Netz anbieten und nicht wie bisher nur AB-Relationen, die feste Verträge verlangen. Und die Alpen sind doch die optimale Spielwiese dafür, die Schiene kann die Alpen einfach besser als der Lkw.

ZUR PERSON

Karl Fischer ist seit dem Jahr 2000 Geschäftsführer des LKZ Prien. Der Branche ist Fischer schon lange verbunden: Nach seinem BWL-Studium an der Hochschule Rosenheim war er von 1979 an zuerst Prokurist, dann Geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens Simssee-Transport, von 1987 bis 2006 zudem Geschäftsführender Gesellschafter der RO-Sped. Zudem engagierte er sich in  zahlreichen Branchenverbänden, etwa als Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Bayerischer Transportunternehmen (LBT).

DAS LKZ

Im Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) in Prien arbeiten derzeit 16 Unternehmen mit insgesamt 68 Mitarbeiter und einem konsolidierten Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro. Die Dachgesellschaft des Innovationszentrums mit seinen Schwerpunkten Logistik und Verkehr ist ein privates Unternehmen mit öffentlichen Gesellschaftern, vertreten durch den Landrat des Landkreises Rosenheim, den Bürgermeister der Marktgemeinde Prien sowie den Geschäftsführer der IHK München und Oberbayern.


 

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