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Kabotage Koalition gegen Sozialdumping

Protest, Autohof, Kraftfahrer-Club Deutschland, KCD

Der Autohof Lehre-Wendhausen liegt an der A 2 im Osten von Braunschweig – und damit unmittelbar an der sogenannten Warschauer Allee. Auf einer der wichtigsten Achsen durch das Transitland Deutschland hat der Anteil der osteuropäischen Lkw seit der Marktöffnung 2004 rasant zugenommen. Die Rastplätze sind an den Wochenenden fest in der Hand der Fahrer aus den EU-Beitrittsländern.

Eigentlich ein idealer Standort für eine Aktion gegen Sozialdumping und zunehmende Kabotage durch Billigflotten aus Osteuropa. "430.000 deutsche Arbeitsplätze sind durch den EU-Irrsinn in Gefahr", erklärt der Kraftfahrer-Club Deutschland (KCD). Dahinter steht eine Handvoll Lkw-Fahrer, die im Februar 2011 in Königslutter den Verein gegründet haben. Einzelhandel-Bereichsleiterin Sylvia Steinbach-Schulze hat ihren Mann, den Kraftfahrer Ingo Schulze, oft begleitet und ermuntert, sich mit Kollegen zu organisieren. "Ziel des KCD ist es, den Menschen am Steuer in der Öffentlichkeit in ein besseres Licht zu rücken", so Vorstandsmitglied Steinbach-Schulze.


Man kann das Engagement für bessere Arbeitsbedingungen der deutschen Fahrer loben. Zumal die Protestwelle gegen die Billigkonkurrenz osteuropäischer Lkw-Flotten, die gerade unter dem Label der belgischen Owner Drivers United und dem niederländischen Unternehmerverband Vern durch zehn Logistikstandorte in Europa rollt, hinreichend beachtet wird.


Interessen der Fahrer vertreten

Auf der mit mehr als 1.000 Zuschauern erfolgreichen Protestaktion der Owner Drivers United im April in Antwerpen war auch eine Delegation des KCD. Der kleine Verein nutzt das Vakuum, das die Gewerkschaft Verdi gerade bei der Interessenvertretung der Fahrer hinterlässt, und bietet den schlagkräftigen Organisationen aus den Nachbarländern zwar eine Plattform – aber kein nennenswertes Publikum.


Ohne eine professionelle Struktur und ausreichendes Kapital mobilisiert der KCD zu Monatsbeginn nicht mal 30 Menschen – die größte Gruppe kommt per Bus aus Dänemark. Vor allem die eigenen Kollegen lassen die Fahrergemeinschaft im Stich. Mangels Lkw muss ein geplanter Protestkonvoi durch die Stadt abgesagt werden. Die neue Unternehmervereinigung Pro Lkw, die sich vor allem im Norden Deutschlands für eine qualitativ gleichwertige Berufskraftfahrerausbildung und ein besseres Image der Branche einsetzt, kann im letzten Moment noch den gemieteten Trailer vermitteln, damit die Veranstaltung über die Bühne gehen kann.


Kabotage und Lohndumping

Dabei ist die konzertierte Aktion von höchster Relevanz: In Skandinavien fordert die Nordic Logistics Associatia, ein Bündnis aus dänischen, schwedischen und norwegischen Transporteuren, die EU-Kommission auf, die Kabotage in Europa vorerst auszusetzen. So seien die Frachtraten unter dem Preisdruck der Billigkonkurrenz aus dem Osten in Nordeuropa um fünf Prozent gesunken – trotz steigender Dieselpreise. Doch die EU verweist darauf, dass die Kabotage laut amtlicher Statistik in den meisten Ländern unter drei Prozent liegt – und damit keine ernste Marktstörung festzustellen sei.


Die andere Front um die Owner Drivers United prangert das Sozialdumping in Belgien und den Niederlanden an. Dort sind einige Firmen aufgeflogen, die osteuropäische Fahrer über Schein- und Leihfirmen für maximal 380 Euro Monatslohn im nationalen Verkehr auf den Lkw setzen. Nun scheinen sich die Billigheimer dank Kabotage auch in Deutschland auszubreiten, sorgt sich der KCD. "In den Nordseehäfen wie Hamburg oder den Ro-Ro-Terminals an der Ostsee wimmelt es von Osteuropäern", sagt der Vorstand. In der Tat beschäftigen immer mehr deutsche Firmen legal Fahrer aus Polen. Zum Teil, weil sie keine guten deutschen Fahrer finden, zum Teil, um Forderungen der eigenen Belegschaft nach höheren Löhnen zu unterbinden.


Und so gibt es, nachdem bei den Veranstaltern aus Enttäuschung über den Misserfolg kurz die Nerven blank liegen, am Abend noch ein versöhnliches Ende. Die Vertreter der anwesenden deutschen Organisationen wie Pro Lkw und Camion Pro haben mit dem KCD und den europäischen Gruppierungen über die Gründung eines neuen Bündnisses beraten: Focus Europe. Diese Allianz soll die Kräfte der einzelnen Organisationen zu einem schlagkräftigen Widerstand gegen die angeblich verfehlte EU-Politik in der Branche bündeln. Im September – so ist geplant – rollt der Konvoi der neuen Koalition gegen Sozialdumping dann nach Brüssel.

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