Iveco Stralis Hi-Way 440 S 46 Auf Deutschlandtour mit dem neuen Flaggschiff

Iveco Stralis Foto: Oliver Willms 16 Bilder

Im 1.000-Meilen-Test quer durch die Republik muss das neue Euro-6-Flaggschiff von Iveco beweisen, wie praxistauglich es tatsächlich ist.

Mittwochmorgen, 6.15 Uhr. Der Startschuss für den 1.000-Meilen-Test mit dem Iveco Stralis Hi-Way 440 S 46 fällt. Zwei Tage und zwei Nächte dauert dieser Praxistest. Auf bekannten Routen geht es quer durch Deutschland – inklusive Stau und Pausen. Unter der großen Hi-Way-Kabine des Stralis werkelt der 460 PS starke Cursor-11-Reihensechszylinder. Allein mit SCR-Abgasreinigung verwirklicht der Stralis die Euro-6-Abgasgrenzwerte.

Kühlschrank und Kaffeemaschine

Der elf Liter große Cursor-Motor kann durch Verzicht auf Abgasrückführung frei durchatmen. Genial einfach, sagen die Iveco-Konstrukteure. Kostet Unmengen von Adblue und wird nicht auf Dauer funktionieren, kontert die Konkurrenz. Wir werden sehen. Der Harnstofftank ist ebenso wie der 770 Liter große Dieseltank randvoll. Bevor es losgeht, erklärt Iveco-Vertriebsmann Alexander Roas die wichtigsten Extras an Bord des "leipziggrauen" Lkw. Im voluminösen Kühlschrank unter der dreiteiligen Liege lassen sich jede Menge Wasserflaschen und Proviant bunkern. Daneben sitzt eine kompakte Waeco-Pad-Kaffeemaschine, die über einen 220-Volt-Wandler mit Energie versorgt wird – oder werden sollte.

Überaus variantenreicher fällt das Programm von Iveconnect aus. Das kombinierte Multimediagerät sitzt mittig auf dem Armaturenbrett direkt im Blick- und Bedienfeld des Fahrers. Es hat für seine aufpreisfreie Präsenz im Cockpit jede Menge zu bieten. Eine funktionable Truck-Navigation, deren Sprecher stark lispelt, aber ein feines Gespür für den richtigen Weg hat. Wahlweise gibt es eine Anbindung an Datentelemetrie und – als Motivations-Leckerli – ein Fahrstilüber­wachungsmodul, mit dessen Hilfe sich Erkenntnisse über Fahrweise, Verbrauch und Einsatz von Bremsen und Retarder ablesen lassen.

Flüstermotor mit 460 PS

Dann dreht sich die Kurbelwelle das erste Mal, und zwar flüsterleise. Dem umfangreichen Abgas-Nachbehandlungspaket im Auspuffstrang sei Dank säuselt der Stralis fast so leise wie ein Reisebus, als wir das Ulmer Iveco-Werk verlassen. 69 dB(A) am Fahrerohr, das ist ein wirklich guter Wert. Auch sonst klappert oder knarzt nichts im modern wirkenden Cockpit.

Die erste Station der Tour ist Burtenbach. Dort, im Kögel-Werk, steht die "Ladung": ein auf 40 Tonnen Gesamtgewicht ausgeladener Curtainsider. Auf dem Hof kommentiert Überführungsfahrer Alex unsere chromumrandete Batterie von acht Fernscheinwerfern auf Dach und Frontbügel mahnend: "Nach Österreich würde ich damit nicht fahren!" Haben wir auch nicht vor.

Erste Etappe: Hildesheim

Unser Tagesziel zur gesamtdeutschen Premierenrunde soll Hildesheim sein, der Stützpunkt der Iveco-Gebrauchtfahrzeug-Zentrale. Im strömenden Regen starten wir zur Fahrt quer durch Bayern, Hessen bis ins südliche Niedersachsen. Während der Fahrer den nicht vorhandenen Regensensor manuell simuliert, wird der Wunsch nach einem inhäusig gebrühten Kaffee laut. Doch die Kaffeemaschine lässt sich nicht zur Arbeit überreden. Die Fehlersuche endet am saftlosen Spannungswandler. ­Dafür bietet das Fahrertrainingsprogramm pädagogisch wertvolle Unterhaltung. Schade nur, dass die ambitioniert erfahrenen Ergebnisse mit einem Schlüsseldreh im Nirwana verschwinden. Besser wäre es, wenn die zusammen mit dem durchzugsfreudigen Sechszylinder erarbeiteten Resultate gespeichert werden könnten.

Denn was wir auf der zugegebenermaßen nicht allzu anspruchsvollen Strecke von Burtenbach zum Nachmittagsstopp in Crailsheim an Werten erfahren haben, ist aller Ehren wert. Knapp 30 Liter genehmigt sich der Stralis gerade mal, trotz des aerodynamisch fragwürdigen, aber optisch eindrucksvollen Zierrats. Auf dem nur leicht hügeligen Streckenprofil hat der Stralis mit seinem breit von unter 1.000 bis an die Grenze des Hauptfahrbereichs bei 1.500  Umdrehungen gestreckten Drehmomentbestwert leichtes Spiel. Die lange Hinterachsübersetzung lässt den Reihenmotor bei 85 km/h mit knapp 1.200 Touren vor sich hinsäuseln – kein anderer Lkw mutet so leise im Fahrgeräusch an wie dieser Euro-6-Stralis.

Direkte Lenkung vermittelt Fahrspaß

Über das Volant kann man sich ebenfalls nicht beschweren. Auch wenn der Verstellbereich für den lederbespannten Fahrersitz ruhig etwas länger ausfallen dürfte, sitzt man bequem hinterm Steuer und verspürt Spaß am Fahren. Die agile und direkte Lenkung verwandelt Richtungswechsel von Arbeit in Vergnügen und gibt sich auch auf der Autobahn absolut linientreu. Trotzdem ist es gelungen, die harten Schläge von Fahrbahnschäden draußen zu lassen. Der Tempomat lässt sich ebenso exakt einstellen, nur leider nicht vom Multifunktionslenkrad aus – ein Manko, das zur nächsten Modellpflege behoben werden sollte. Was auf der Autobahn aber wirklich fehlt, ist ein Getriebefreilauf, mit dem der drehfreudige Sechszylinder wohl noch sparsamer über die Runden käme.

Seine Bewährungsprobe, ob elf Liter wirklich echte 460 PS wert sind, legt der Stralis im abendlichen Aufstieg zu den Kasseler Bergen ab. Mit solider Motorleistung und hell pfeifendem Turbolader zieht der kompakte Reihenmotor die langen Steigungen hoch. Trotzdem wäre der Stralis flinker, wenn er eine etwas kürzere Hinterachsübersetzung verbaut hätte. So bleibt der ansonsten feinfühlig regelnde Schaltautomat an langen Anstiegen jenes Quäntchen zu lange im zwölften Gang, um das ganze Leistungspotenzial in flotte Fahrt umzusetzen. Und nur hier erscheint es sinnvoll, per Hebeldruck den Gang manuell zu wechseln. In allen anderen Fahrsituationen glänzt das Eurotronic-Getriebe völlig überzeugend mit noch weiter verkürzten Schaltzeiten, die wohl durchaus den Vergleich zu den Klassenbesten mitgehen könnten.

Kabine reicht für Solo-Schläfer

Das letzte Schaltmanöver des Tages ist ein schneller Wechsel zwischen Rückwärts- und erstem Gang, um den Zug auf dem Autohof Bockenem zur Nachtruhe zu parken. Wenn das Lenkrad hochgestellt wird und die obere einteilige Schlafliege herunterklappt, beginnt die Wohnphase im Stralis. Den seltenen Zweimannbesatzungen wird es sicher zu eng mit Gepäck und Kleiderwechsel. Als Soloschläfer reicht der Platz im neuen Stralis-Großraumfahrerhaus allemal.

Die dreiteiligen Staufächer im Dachbereich schlucken jede Menge Gepäck und Zubehör, die Bewegungsfreiheit über der oberen Liege fällt absolut ausreichend aus. Hier im Oberstübchen kann man über eine zentrale Steuereinheit Wecker, Fensterheber, Rollo oder Musik bequem regeln. Die Matratzendicke erlaubt auch Schwergewichten komfortable Nachtruhe.

Fazit: uneingeschränkt langstreckentauglich

Freie Fahrt herrscht am nächsten Morgen mit Kurs in Richtung Leipzig. Eine Pause nutzen wir zur Besichtigung des ehemaligen deutsch-deutschen Grenzübergangs Helmstedt-Marienborn an der A2. Später geht es zurück nach Ulm. Zeit für die Bilanz: Der neue Stralis punktet mit sehr gutem Federungs- und Fahrkomfort, arbeitet so laufruhig wie kein zweiter schwerer Lkw und verdient das Label "uneingeschränkt langstreckentauglich".

Abgesehen von der etwas umständlichen Iveconnect-Bedienung ist die Arbeit am Stralis-Steuer rundum intuitiv und simpel. Der kleine Elf-Liter-Motor gerät nicht zum Nachteil. Der Verbrauch hat sich für diesen durch und durch serienmäßigen Zug bei praxisähnlicher Leistungsabfrage mit guten 34 Litern pro 100 Kilometer eingependelt. Das ist absolut wettbewerbsfähig. Was den Harnstoffverbrauch betrifft: Der 80 Liter fassende Adblue-Tank war nach Tourende über gut 1.600 Kilometer noch nicht leer.

Was am Stralis stört, sind Kleinigkeiten: der Tempomat irgendwo am Lenkstock, die etwas zu lange Achse und das wirklich schlechte Abblendlicht. Diesbezüglich war der Stralis trotz seiner Armada von Zusatzscheinwerfern, deren Schalter wir übrigens nie gefunden haben, keine Erleuchtung.

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