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Interview: Matthias Wissmann VDA-Präsident Wissmann spricht mit trans aktuell

Matthias Wissmann Foto: Klonk

Interview: Die Auftragsbücher von Herstellern und Zulieferern füllen sich wieder. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) geht davon aus, dass die Belebung anhält. Die IAA Nutzfahrzeuge komme also genau zum richtigen Zeitpunkt, sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Er freut sich auf viele Neuheiten in Hannover.  

Das Engagement in den Auslandsmärkten zahlt sich für die deutschen Hersteller aus. Sie profitieren davon, dass der Export wieder stark anzieht und sie aus der Krise holt. Zwar nehmen langsam, aber sicher auch die Bestellungen aus dem Inland zu. Ohne den starken Export würde es den Unternehmen aber viel schlechter gehen, sagt der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann. 
trans aktuell: Herr Wissmann, die Arbeitslosenzahl soll im Herbst erstmals wieder unter die Marke von drei Millionen sinken. Die Industrie stellt wieder ein. Sind die Sorgen plötzlich verflogen?
Wissmann: Das erste Halbjahr ist wesentlich besser gelaufen, als viele erwartet hatten. Weltweit ziehen die Märkte an. Bis Juli hat der Export im Pkw-Bereich um rund 40 Prozent zugelegt. Das Nutzfahrzeuggeschäft entwickelt sichmit einem Exportwachstum  von fast 60 Prozent noch dynamischer. Bei Transportern liegt das Plus bei drei Vierteln, bei schweren Lkw bei einem Drittel. Natürlich haben wir das Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht. Aber die ganz großen Sorgenfalten, die wir noch im Winter hatten, sind verschwunden.  
Reicht Ihre Zuversicht bis ins Jahr 2011 hinein?
Wir hoffen, dass sich die Lage weiter stabilisiert, dass der Export in die Schwellenländer stark bleibt und dass der US-Markt seinen Wachstumskurs beibehält. Klar ist aber: Der Nutzfahrzeugsektor hängt elementar vom weiteren Verlauf der Gesamtwirtschaft ab. Ich glaube aber, dass alles für eine langsame Weiterentwicklung des Aufwärtstrends spricht.  Welchen Anteil hat die Politik daran, dass es wieder aufwärts geht?
Die Politik wird ja selten gelobt. Aber ich finde, im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise hat sie das meiste richtig gemacht – ich denke vor allem an die verlängerte Kurzarbeitregelung. Ohne sie hätten wir im Nutzfahrzeugbereich viel stärkere Rückgänge in der Beschäftigung gehabt – und nicht nur ein Minus von zwei oder drei Prozent.  

Und wie erfolgreich haben sich Ihre Mitgliedsfirmen in der Krise selbst geholfen?
Ich kann den Unternehmen nur mein Lob aussprechen. Die Anpassungs- und Innovationsleistung der deutschen Automobilindustrie ist einzigartig. Deswegen sind auch diejenigen, die die größten Sorgen hatten, erfolgreich durch die Krise gekommen. Zu nennen wären etwa die Hersteller von Anhängern und Aufbauten. Diese Firmen hatten in den kritischen Monaten Umsatzrückgänge von bis zu 90 Prozent zu verkraften. Oder denken Sie an die Lkw-Hersteller: Die hatten zeitweise mehr Ab- als Neubestellungen.  Wie werden sich Ihre Mitgliedsunternehmen künftig auf solche extremen Marktschwankungen einstellen?
Wichtig sind flexible Strukturen in der Produktion, aber auch bei der Beschäftigung. Dass wir Zeitarbeit und flexible Beschäftigungsmodelle brauchen, steht außer Frage. Wir hatten in der Krise aber zwei Grundprinzipien, die auch künftig gelten. Das eine lautet: die qualifizierte Stammbelegschaft halten. Das andere lautet: die Investitionen in Forschung und Entwicklung weiterhin auf sehr hohem Niveau halten. Was wir heute in Forschung und Entwicklung investieren, sichert morgen den Markterfolg. 
Die Belebung wird vor allem vom Export getragen. Rappelt sich auch der deutsche Markt wieder auf?

Unbedingt. Wir erkennen klar nach oben gehende Inlandszahlen. Bei den schweren Lkw wurden allein im Juli 28 Prozent mehr Fahrzeug neu zugelassen, in den ersten sieben Monaten ist der inländische Auftragseingang um 75 Prozent gestiegen, allein im Juli erreichten wir einen Order-Zuwachs von 92 Prozent. Bei den Transportern ist die Aufwärtsentwicklung verhaltener. Das liegt daran, dass das Vorjahr nicht ganz so schlecht lief wie bei schweren Lkw. Richtig ist aber schon: Ohne den Export wäre die Lage für die Unternehmen sehr viel ernster.  

In welchen Auslandsmärkten brummt es besonders?
Westeuropa zieht nur leicht an, der US-Markt legt deutlicher zu. Besonders stark ist die Entwicklung in Brasilien, China und Indien. In diesen Märkten legte das Nutzfahrzeuggeschäft im ersten Halbjahr jeweils um rund 50 Prozent zu. 2009 hatten wir das Problem, dass aus BRIC die Abkürzung BIC wurde, weil der russische Markt um mehr als 70 Prozent eingebrochen war. Inzwischen gibt es Anzeichen, dass sich der russische Markt auf niedrigem Niveau wieder stabilisiert. 
Wie wird es Ihrer Ansicht nach mit der Internationalisierung voran gehen?
Die deutschen Nutzfahrzeugbauer sind weltweit breit aufgestellt und wollen diese strategische Position natürlich halten und weiter ausbauen. Wer wie wir in den Auslandsmärkten produziert, hat nun auch wieder gut zu tun. So ist unsere Auslandsfertigung bei Lkw über sechs Tonnen im ersten Halbjahr um nahezu 50 Prozent gestiegen, Ähnliches gilt für die Transporter. 
Kommt die IAA angesichts dieser Wachstumszahlen also genau zum richtigen Zeitpunkt?
Absolut. Und manchmal hat die Industrie ja das Glück des Tüchtigen. Wir hatten mit der vergangenen IAA Nutzfahrzeuge das Glück, dass wir sie in der Schlussphase eines Fünf-Jahres-Booms abhalten konnten. Nun haben wir das Glück, dass wir weltweit eine konjunkturelle Aufwärtsentwicklung erleben. Die IAA als wichtigste Leitmesse der Mobilität, der Logistik und des Transports wird auch eine Ermutigung sein für eine durch die Krise schwer getroffene Branche, den begonnenen Wachstumskurs mit viel Elan weiter zu verfolgen. Die IAA ist die bedeutendste Nutzfahrzeugmesse der Welt.

Worauf freuen Sie sich am meisten in Hannover?
Beim schweren Nutzfahrzeug werden wir Fortschritte erleben, die sich im Motor, aber auch bei der Aerodynamik abspielen. Ich glaube, dass in der Aerodynamik in den kommenden Jahren sehr großes Potenzial liegt. Was dabei seit Jahrzehnten das große Thema ist, ist die Reduzierung des Verbrauchs. Auf der anderen Seite der Medaille bedeutet dies: Reduzierung der Emissionen.  
Welche Rolle spielen alternative Antriebe beim schweren Lkw?
Wir werden uns beim schweren Nutzfahrzeug weiterhin auf die Optimierung des Dieselmotors konzentrieren. Alternative Antriebsformen sind hier keine wirklich realistische Perspektive. Beim Transporter und Bus hingegen sind Hybridantriebe und Elektromotoren erfolgreich und nicht aufzuhalten. 
Haben die Kunden auch wieder das nötige Kleingeld, um zu investieren? Glücklicherweise ist die Belebung auch in der Transport- und Logistikbranche angekommen. Die Hersteller und Zulieferer wissen aber um die Nöte ihrer Kunden. Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Bundesregierung sich, was die Belastung durch die Lkw-Maut angeht, auf ein Moratorium festgelegt hat. Man muss sehen, dass die Mauterhöhung 2009 die Transportunternehmen zu einem Zeitpunkt getroffen hat, als die Krise ihren Höhepunkt erreichte. Deshalb brauchen die Betriebe jetzt eine Atempause.  Und was halten Sie von der Ankündigung des Verkehrsministers, die Maut auf vierstreifige Bundesstraßen auszudehnen?
Über mögliche Verlagerungen auf das untergeordnete Straßennetz lässt sich sicherlich diskutieren. Ich kann aber nicht behaupten, dass ich sehr glücklich über diese Entscheidung bin, die Maut auf mehrstreifige Bundesstraßen auszudehnen.

Zur Person
Matthias Wissmann ist seit Juni 2007 Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Zuvor war er seit 1976 für die CDU Mitglied des Bundestags. Von Mai 1993 bis Oktober 1998 war Wissmann Bundesverkehrsminister und vor seiner VDA-Tätigkeit Vorsitzender des Ausschusses für EU-Angelegenheiten. Wissmann, Jahrgang 1949, stammt aus Ludwigsburg.  

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