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Interview mit Jochen Eschborn Wirtschaftlichkeit der Ladungsverkehre erhöhen

Die Kooperation Elvis arbeitet mit Hochdruck daran, die Wirtschaftlichkeit der Ladungsverkehre zu erhöhen. Ein wichtiger Schritt ist dabei der Aufbau von
Knotenpunkten, um den Partnern den Tausch von Brücken und Aufliegern zu erleichtern. Vorstand Jochen Eschborn setzt außerdem auf ein neues Netz für Teilpartien. Mit dem King of Rock 'n' Roll hat die Ladungskooperation Elvis nicht allzu viel gemeinsam – vom Namen abgesehen. Doch auch bei dem Unternehmen aus Alzenau ist Musik drin. Startete es Anfang 2006 mit 13 Mitgliedern, gehören der Kooperation zum Oktober bereits rund 100 Unternehmen an. Das Interesse ist immens: Jede Woche kämen fünf bis zehn neue Bewerbungen, erzählt Vorstand Jochen Eschborn im Gespräch mit trans aktuell.

trans aktuell: Herr Eschborn, im Juli 2009 sprachen Sie für 53 Mitgliedsfirmen mit 4.200 Lkw, ein Jahr später schon für 82 Mitglieder mit 8.500 Lkw. Ist bei Elvis so viel Musik drin?
Eschborn: Das Wachstum ist enorm. 2006 haben wir mit nur 13 Mitgliedern begonnen. Aktuell läuft ein Aufnahmeverfahren, sodass Elvis im Oktober rund 100 Partner mit etwa 10.000 Lkw umfassen wird. Wir haben 16 Mitglieder in der Schweiz, einige in Polen und Tschechien. Das zeigt, dass wir zukünftig verstärkt ins Ausland blicken. Die Elvis-Partner bewegen sich schließlich europaweit. Wir würden uns zum Beispiel eine Landesorganisation in Frankreich oder Italien wünschen.

Was heißt das für weitere Interessenten aus Deutschland?

In Deutschland sind wir in der Fläche gut vertreten, knapp 75 Partner im Land sind genug. An Interessenten mangelt es aber weiterhin nicht. Wir erhalten wöchentlich fünf bis zehn Bewerbungen. Grundsätzlich stellt Elvis gewisse Anforderungen: Nur Betriebe ab 40 Lkw und mit der erforderlichen Infrastruktur wie IT-Systemen oder Zertifizierungen haben eine Chance. Ein reiner Trucker passt nicht zu uns.

Haben Mittelständler nur dann eine Überlebenschance, wenn sie sich einer Kooperation anschließen?
Davon bin ich fest überzeugt. Man muss ja auch sehen: Der einzelne Frachtführer steht mit seinen 50 Lkw und seinen zehn Millionen Euro Umsatz heute globalen Konzernen gegenüber. Er begibt sich in Abhängigkeiten und wird zum Spielball. Um das zu verhindern, braucht es ein Gegengewicht wie Elvis. Die Kunst dabei ist es, die mittelständischen Strukturen zu erhalten und trotzdem die erforderliche Größe zu haben.

Können Sie überhaupt ein Gegengewicht darstellen?
Das setzt unter anderem einheitliche Prozesse und eine einheitliche Außenwirkung voraus.
Unsere Konzeption sieht vor, dass die Partner ihre Individualität erhalten und die Masse in die Gruppe geben. Dadurch kann Elvis als standardisierter Frachtführer auftreten und ein entsprechendes Gewicht am Markt erreichen. Nach außen hin treten wir schon heute einheitlich auf, beispielsweise im Vertrieb. Erreicht ein Auftrag eine gewisse Dimension, steuern wir das Ganze zentral für die Partner von Alzenau aus. Wir können Konzepte erarbeiten, die ein Einzelner nicht erbringen kann.

Wann tritt der Partner in Aktion und wann die Zentrale?
Immer dann, wenn der Partner ein Geschäft alleine bedienen kann, ist es sein Geschäft. Immer dann, wenn der Kunde sehr komplexe Anforderungen oder große Mengen hat, die der einzelne Partner nicht erfüllen kann, kommen wir ins Spiel. Das gilt etwa, wenn die Abholung an gleich mehreren Versandstellen in Deutschland erfolgen soll.

Und inwiefern tauschen sich die Mitglieder untereinander aus – etwa beim Ladungstausch?
Das geschieht sehr intensiv. Die Elvis-Partner vergeben untereinander Ladungen, die sie nicht selbst abfahren können. Somit dient die Kooperation auch als Plattform, um sich Ladeaufträge und Fahrzeuge untereinander zuzuweisen. Wir stellen dazu ein entsprechendes Laderaumportal zur Verfügung, das zurzeit neu aufgebaut wird. Hintergrund ist das Streben nach höherer Flexibilität. Die Lehren aus der Krise sind die, dass wir erst einmal nicht Kapazitäten aufstocken, sondern uns eine gewisse Flexibilität bewahren.

Wie viel Prozent müssen Sie trotzdem nach außen geben?
Etwa 85 Prozent bewegen wir mit eigenen Fahrzeugen. Die restlichen 15 Prozent müssen wir an Dritte vergeben.

Was unternehmen Sie, um die Produktivität weiter zu erhöhen?
Wir setzen alle Hebel in Bewegung. Der Druck ist groß, denn derzeit haben wir nur eine Produktivitätsquote von 27 Prozent. Diesen Wert haben wir selbst erhoben, er bezieht sich auf den einzelnen Lkw und auf einen 24-Stunden-Zeitraum. Effektiv läuft der Lkw also nur sechs bis sechseinhalb Stunden am Tag. Er sollte im Idealfall aber rund um die Uhr laufen. Die meiste Zeit vergeuden wir mit Ladetätigkeit und Wartezeiten, für die wir nicht bezahlt werden.

Was ist Ihr Zielwert bei der Produktivität?
Ziel muss es sein, sie mittelfristig um mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Bei der Umsatzrendite streben wir einen Wert von drei Prozent an. Momentan sind wir im Lkw-Segment erst bei ein bis zwei Prozent. Die Verbesserung ist dringend erforderlich, um die Betriebe besser aufzustellen.
Und wie wollen Sie dorthin kommen?
Wir müssen den Fixkostenanteil drastisch reduzieren. Beispiel: Ein Lkw fährt 10.000 Kilometer im Monat und hat Fixkosten von 3.000 Euro, macht einen Anteil von 30 Cent je Kilometer. Würde man doppelt so viel fahren, wären die Fixkosten bei 15 Cent. Wir müssen es also schaffen, Systeme mit einem verbesserten Lkw-Einsatz zu schaffen. Das fängt ganz simpel mit dem Bewusstsein an, dass man Lkw, Fahrer und Auflieger entkoppeln muss.

Daran arbeitet die Branche doch schon seit Jahren.
Ja, aber noch immer sind viele Unternehmer der Überzeugung: Der Willi passt gut auf meinen Lkw auf, für den ich 80.000 Euro investiert habe. Und den Trailer lassen wir besser auch gleich dran. Vor diesem Hintergrund gibt es verschiedene Optionen. Option 1: Willi runter, das wird schwierig. Option 2: Trailer vom Lkw trennen, daran arbeiten wir mit Hochdruck. Oft genug wartet der Fahrer stundenlang vor verschlossenen Toren. Besser wäre es, den Trailer stehen zu lassen und in der Zwischenzeit für einen Elvis-Partner in der Region eine Tour zu fahren.

Das setzt einheitliches Equipment voraus, oder?
Deshalb haben wir begonnen, 100 Pooltrailer anzuschaffen. Die laufen bisher hervorragend im Begegnungsverkehr und verbessern die Produktivität der Partner. Der Begegnungsverkehr ist der erste Schritt in Richtung einer Industrialisierung.

Um die Industrialisierung voranzutreiben, wollen Sie auch Tauschpunkte für Fahrer und Fahrzeuge aufbauen. Wie geht es hier voran?
Das Konzept der Fahrer-Tauschpunkte haben wir aufgegeben. Fahrer zu tauschen, ist ein schwieriges Unterfangen. Es geht nicht nur um Dinge wie die Sauberkeit der Kabine, sondern auch um die unterschiedlichen Erfahrungen der Fahrer auf unterschiedlichen Zugmaschinen. Wer auf einem MAN Bestwerte beim Verbrauch erzielt, braucht seine Zeit, um die auch bei einem Mercedes zu erzielen. Es gibt auch rechtliche Probleme – Stichwort Arbeitnehmerüberlassung.

Was machen Sie stattdessen?
Wir haben gesagt: Lasst den Fahrer auf seinem Lkw sitzen und uns mit dem Equipment-Tausch – also Wechselbrücke und Auflieger – beginnen. Aktuell sind wir dabei, Knotenpunkte aufzubauen. Dazu brauchen wir nicht nur die nötigen Mengen, sondern auch das erforderliche IT-System. Zudem müssen wir festlegen, wie diese Stützpunkte aussehen sollen. Derzeit sind wir mit dem Fraunhofer-Institut noch in der Erhebungsphase. 2011 können wir das Konzept noch nicht umsetzen, aber wohl schon einen Testlauf fahren.

Angeblich wollen Sie dieses Netz dann auch für Teilpartien öffnen. Stimmt das?
Das Thema Teilpartien ist überaus spannend. Vor Jahren hat der Stückgutbereich das Paketsegment verloren. Nun erleben wir, dass der Stückgutbereich auch das Segment der Teilpartien verliert. Das kommt nicht von ungefähr: Man kann sie schlecht mit dem kleinen Fahrzeug abholen, für den Umschlag fehlen die Geräte, sie blockieren die Brücke, kurzum: Sie stören im System. Daher sind wir davon überzeugt, dass im Segment der Teilladung Marktpotenzial für uns steckt.

Teilpartien dürften doch aber nichts Neues sein, oder? Fast jeder Komplettladungsprofi holt doch auch Teilpartien ab.
Das mag sein – aber nur im Milkrun, also auf den starken Linien. Den Rest muss das Unternehmen an Dritte abgeben. DSV hat eben erst angekündigt, ein eigenes Netz für Teilladungen in Deutschland aufzubauen. Das impliziert die Aussage, dass Teilladungen im Stückgutnetz nicht ideal aufgehoben sind. Insofern freuen wir uns auf neue Geschäfte.

Zur Person
Jochen Eschborn (52) ist alleiniger Vorstand der Kooperation Elvis aus Alzenau. Zugleich führt er die Geschäfte der Spedition Maintrans, die ihren Sitz ebenfalls in Alzenau hat. Der Unternehmer, der 2006 den Elvis-Verbund gründete, bringt jahrzehntelange Speditions- und Logistikerfahrung mit. Zuvor war er unter anderem Chef des deutschen DSV-Vorgängers DFDS Transport, außerdem wirkte er im Strategiekreis der Stückgutkooperation IDS mit. Eschborn ist gelernter Speditionskaufmann. Nach Abi und Ausbildung absolvierte er ein Studium zum Verkehrsfachwirt. Mehrere Jahre lang arbeitete er in unterschiedlichen Funktionen beim Logistikdienstleister Deugro, zuletzt als Mitglied der Konzerngeschäftsführung.

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