In-Use-Conformity Kontrolle ist besser

In-Use-Conformity, Endrohr, Messrohr, Rußpartikel Foto: Daimler 4 Bilder

Hersteller müssen mit Einführung von Euro 6 nachweisen, dass ihre Fahrzeuge auch im Fahrbetrieb und nicht nur auf dem Prüfstand die Grenzwerte einhalten.

Dass sich ein Motor auf dem Prüfstand als Euro-6-konform erwiesen hat, reicht dem europäischen Gesetzgeber nicht mehr. Auch im alltäglichen Fahrbetrieb muss das Aggregat die Grenzwerte erfüllen. Mit Einführung von Euro 6 zu Beginn dieses Jahres soll das fortan kontrolliert werden. In-Use-Conformity heißt die einschlägige Bestimmung, zu Deutsch: Übereinstimmung während des Gebrauchs.

Altersprozesse sollen Wirksamkeit nicht einschränken

"Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass alle Bestandteile der Abgasreinigung auch über die Lebenszeit eines Fahrzeugs effektiv arbeiten und Alterungsprozesse nicht deren Wirksamkeit einschränken", erklärt Rolf Deisinger, Leiter Fahrzeuganalyse Mercedes-Benz-Lkw. Gemessen wird im Falle von Nutzfahrzeugen mit mehr als 16 Tonnen Gesamtgewicht über eine Laufleistung von 700.000 Kilometern. Für Nutzfahrzeuge zwischen 3,5 und 16 Tonnen sind es 300.000 Kilometer. Den ersten Nachweis muss ein Hersteller 18 Monate nach Typgenehmigung führen, dann alle zwei Jahre und das bis fünf Jahre nach Produktionseinstellung des jeweiligen Modells. Getestet werden muss jede Motorenfamilie. Jene Hersteller, die früh Euro-6-Motoren in den Markt eingeführt haben, müssen also bereits die ersten Nachweise erbringen.

Beispiel Daimler: Mitte 2011 hat der Fahrzeugkonzern die Motoren-Baureihe OM 471 eingeführt. Entsprechend der Vorschrift musste der Hersteller nun erste Kundenfahrzeuge aus Speditionen ziehen und mit dem sogenannten Portable Emission Measurement System (PEMS) ausrüsten. Wer angesichts des Begriffs "Portable", also tragbar, an einen handlichen Messkoffer denkt, liegt falsch. Das vollständige System ist raumgreifend und sehr kostspielig.

Freiwillige Prüfung der Rußpartikelmasse

Es besteht aus einer Einheit, die an das Abgasend­rohr angeflanscht wird und dem Abgasstrom Proben entnimmt. Das Abgas wird von den Mercedes-Ingenieuren auf Stickstoffverbindungen (NOx), Kohlenmonoxid (CO), Gesamtkohlenwasserstoffe (THC) und die Rußpartikelmasse (PM) geprüft, wobei Letzteres freiwillig geschieht. Noch – Experten rechnen damit, dass den Herstellern diese Pflicht in den kommenden drei Jahren auferlegt wird.

Die am Endrohr abgezweigten Ströme gelangen über beheizte Schlauchleitungen zum PEMS auf dem Testauflieger. Die gasförmigen Bestandteile werden durch 190 Grad Celsius heiße Schläuche geleitet. "Damit sich kein Kondensat in den Leitungen bildet. Das würde die Messungen verfälschen", erklärt Jürgen Luther, vom Team Versuch Abgasnachbehandlung Mercedes-Benz-Lkw. In der PEMS-Anlage werden alle Proben ausgewertet und protokolliert.

Dabei gilt ein Konformitätsfaktor von 1,5 und im Falle der Partikelmasse von 2,0. Das bedeutet, dass der PEMS-Messwert 1,5-mal beziehungsweise doppelt so groß sein darf wie der zulässige Prüfstand-Messwert. Zudem müssen mindestens vier Fahrzeuge je Motorenfamilie getestet werden. Dabei darf keines davon die Grenzwerte überschreiten. Der Hersteller kann aber bis zu zehn Fahrzeuge für eine Stichprobe heranziehen. Lediglich drei davon dürfen die Grenz­werte überschreiten, sonst gilt die PEMS-Messung als nicht bestanden.

Messungen bei 50 bis 60 Prozent der Nutzlast

Für die Messungen wird das Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb und mit einer Nutzlast zwischen 50 und 60 Prozent der höchstmöglichen Zuladung auf öffentlichen Straßen bewegt. Die Umgebungstemperatur muss zwischen minus 7 und plus 36 Grad Celcius liegen. Die Messung beginnt, sobald die Kühlmitteltemperatur 70 Grad Celcius überschritten hat oder 20 Minuten nach Motorstart.

Die Hersteller legen die Strecke selbst fest. Wie diese zusammengesetzt sein muss, ist aber wiederum vom Gesetzgeber geregelt – eine Mischung aus Stadt- (20 Prozent), Land- (25 Prozent) und Autobahnetappen (55 Prozent). Für die Verteilerklasse verschiebt sich der städtische Anteil auf 45 Prozent, während sich der Autobahnanteil auf 30 Prozent verringert.

Mercedes verwendet eine rund 180 Kilometer lange Teststrecke bei Stuttgart. Knapp drei Stunden  dauert die Umrundung, die gesetzliche Anforderung lautet, dass sie dem Fünffachen der Laufleistung des WHTC-Testzyklus entsprechen muss. Fünf Tage veranschlagen die Experten für alle Messungen, fünf weitere Tage für die vorbereitenden Tätigkeiten. Der Lkw-Betreiber erhält derweil ein Ersatzfahrzeug.

Mit Referenzgasen werden Gasanalysatoren kalibriert

Die eigentliche Messung ist gleichermaßen anspruchsvoll. Mit Referenzgasen – vier Gasflaschen mit jeweils ganz bestimmten Mischungen von Abgasen – kalibriert der Hersteller die Gas­analysatoren. Die Partikelmasse wird über ein Filtervlies gemessen, das vor und nach der Testfahrt gewogen wird.

Die Werte aus der Anlage werden mit Daten aus der On-Board-Diagnose (OBD) abgeglichen – vom Auflieger zum Diagnosestecker in der Kabine verläuft ein weiteres Kabelbündel. Dann werden nach statistischen Methoden in bestimmten Zeitintervallen die Emissionen gemessen und gemittelt. Daraus ergeben sich die In-Use-Grenzwerte für die verschiedenen Abgaskomponenten.

KBA kann mangelhafte Modelle zurückrufen

Verfehlen die ermittelten Durchschnittswerte die Grenzwerte, dann muss der Hersteller einen Mängelbeseitigungsplan vorlegen, der in einen Rückruf der betroffenen Modelle durch das KBA münden kann. Im schlimmsten Fall droht der Entzug der Typgenehmigung.
Bislang haben die Ingenieure von Mercedes und auch Iveco keine bösen Überraschungen erlebt. Die Italiener haben nach eigenen Angaben ebenfalls schon Ecktypen gemessen, pro Motorentyp mit drei Fahrzeugen. Spannend dürfte es werden, wenn die 700.000-Kilometer-Grenze erreicht ist. Vor allem jene Aggregate, die allein auf hocheffiziente Abgasnachbehandlung im SCR-Kat setzen wie der DC 13-115 von Scania oder die Iveco Hi-SCR-Cursor-Motoren, dürften dann wohl im Fokus stehen.

"Vor allem NOx- und N2O-Emissionen nehmen durch Alterung stark zu", erklärt Deisinger. Wobei die Hersteller nach eigenem Bekunden ausreichend Reserven im System vorgesehen haben, um der Alterung von Motor und Katalysatoren Herr zu werden.

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