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Handelslogistik Das Kleine muss ins Große

Lekkerland, Mehrkammerlogistik Foto: PETER OBENAUS

Die Lebensweise ändert sich und damit das Konsumverhalten. Als Folge bündeln die Akteure verschiedene Produkte. Gleichzeitig wird der Ruf nach größeren Fahrzeugen laut.

Der Trend geht zum Convenience-Food, also der verzehrfertigen  Lebensmittel. Davon ist Kay Schiebur, der beim Großhändler Lekkerland für die Supply Chain zuständig ist, überzeugt, wie er auf dem 20. Handelslogistik Kongress in Köln zu Protokall gab. Daher habe das Unternehmen auch bereits reagiert. "Es gibt zunehmend Single-Haushalte und darüber hinaus auch insgesamt die Neigung, sich unterwegs etwas zu essen zu holen", berichtet Schierbur.Daher hat Lekkerland mittlerweile 160 Mehrkammerfahrzeuge im Einsatz, um die rund 61.400 Kunden in Deutschland zu beliefern. "Früher konnte es sein, dass etwa eine Tankstelle gleich mehrfach von uns angefahren wurde. Da kam der 18-Tonner mit dem Trocken- und Frischesortiment, dann der Transporter mit den Tabakwaren und schließlich noch das Tiefkühl-Fahrzeug mit 12 Tonnen." Heute ist Lekkerland zunehmend mit Mehrkammer-Citysatteln unterwegs.

Elf längs und quer verschiebbare Wände

Der Clou: Innen drin gibt es gleich elf in Längs- und Querrichtung verschiebbare Wände. Damit lassen sich alle Produktbereiche - inklusive der Tabakwaren - mit einem Transport erledigen. "Für den Kunden bedeutet das eine Bestellung, eine Rechnung und eine Lieferung. Damit nimmt der administrative Aufwand ab und der Kunde hat mehr Zeit, um sich um den Verkauf zu kümmern", erläutert Schiebur.

Aber auch für Lekkerland lohnt sich das Ganze - selbst wenn das Gesamtinvest für die Umstellung bei rund 28 Millionen Euro lag. "Allein bei einem unserer Kunden, dem Tankstellenbetreiber Aral, haben wir 260.000 Stopps im Jahr eingespart", sagte der Lekkerland-Logistiker. Das seien 3,4 Millionen Kilometer weniger im Jahr - rund 2.000 Tonnen CO2.

Der erhöhte IT-Aufwand, beispielsweise in Handheld-Geräte zur elektronischen Abwicklung sowie in eine Telematik hat aber auch erhöhte Anforderungen an die Fahrer mit sich gebracht. "Dass der Betriebsrat der Ortung der Fahrzeuge problemlos zugestimmt hat, liegt an der erhöhten Sicherheit - gerade bei Tabaktransporten", erklärt Schiebur.
Doch nicht überall funktioniert dieser logistische Ansatz. Lekkerland wollte damit eigentlich auch in Osteuropa expandieren - zieht sich dort gerade  allerdings wieder aus dem Markt zurück.

Notwendigkeit für längere Fahrzeuge

Doch nicht nur verschiedene Produkte in eine Lieferung zusammenzufassen ist ein Trend. Das verdeutlichte Matthias Fleischer, der beim Lebensmittelkonzern Nestlé Deutschland für das Supply Chain Management zuständig ist. Er sieht darüber hinaus eigentlich auch die Notwendigkeit für längere Fahrzeuge. Doch aufgrund der politischen Schwierigkeiten, die den Logistikern die Arbeit erschweren, stellt er den Lang-Lkw mittlerweile infrage.
Dabei geht es Fleischer gar nicht mal um die Frage des Grenzübertritts. "Der Lebensmittelhandel ist lokal. 90 Prozent der in Deutschland gekauften Produkte kommen aus Deutschland", berichtete er. Dennoch stellt er drei Trends in der Handelslogistik fest: Zum einen investieren Großhändler immer mehr in eigene Verteilzentren. Das bedeute zwar weniger Lieferstellen - dafür aber auch größere Mengen. Auf der anderen Seite gibt es kleine Händler, die ein breites Sortiment wollen und daher eine gebündelte Lieferung benötigen. Und zu guter Letzt gibt es noch den Endkunden, der seine Ware als Paket direkt nach Hause bekommen möchte. In Deutschland seien das zwar bislang gerade einmal vier Prozent der Konsumenten, in anderen Ländern nutze diesen Service aber bereits jeder fünfte Endverbraucher.

Neuausrichtung der Logistik

Für Nestlé Deutschland beudeutet dies eine Neuausrichtung der Logistik. Diese reicht von dem automatisierten Anbinden von Distributionszentren über Anpassungen an den Standorten bis hin zu neuen Ladehilfsmitteln - etwa der Halbpalette. Weitere Herausforderungen in der Zukunft sind etwa tenperaturgeführte Lieferungen an Endkunden oder aber eine Automatisierung, die bis hin zum Verladen auf den Lkw reicht. Aber auch eine verbesserte Planungssicherheit mittels statistischer Auswertungen sind laut Fleischer ein Thema.

Was aber tun, wenn sich der Lang-Lkw nicht durchsetzen lässt, aber innovative Transportlösungen gefragt sind? Prof. Dietrich Stein, Geschäftsführer von Cargocab, will die Ladung kurzerhand unter die Erde bringen. Beim Cargocab handelt es sich um kleine, elektrisch betriebene Fahrzeuge, die in Röhren von zwei Meter Durchmesser je zwei Europaletten befördern sollen. "Das Ganze ist natürlich kein Thema für den Fernverkehr. Es ist aber die Lösung für die Innenstädte, insbesondere in verkehrsgeplagten Metropolregionen", sagte Stein.

Fahrzeug-Röhren sind betriebswirtschaftlich machbar

Eine fächerübergreifende Forschungsgruppe habe nachgewiesen, dass der Betrieb nicht nur technisch, sondern vor allem auch betriebswirtschaftlich machbar sei. Die benötigten Röhren würden im sogenannten Rohrvortrieb in etwa acht Meter Tiefe verlegt. Das bedeute, dass die Anwohner nichts davon mitbekommen. Rund 3,2 Millionen Euro kostet ein Kilometer Rohrstrecke, die auf diese Weise verlegt wurde. "Das ist weitaus günstiger, als neue Straßen zu bauen", sagte Stein. Auch die Cabs, also die kleinen Elektrofahrzeuge seien so gut wie fertig entwickelt. Gerade einmal 0,11 kWh pro Tonnenkilometer brauchen die Cabs, die mit einer Geschwindigkeit von 36 km/h unterwegs sind. RFID-Transponder sorgen per Funksignal dafür, dass sie an der richtigen Stelle abbiegen. Da es sich bei den Röhren um Einbahnstraßen handelt, kann es auch zu keinen Unfällen kommen. Auch die Wartung soll dank einer berührungslosen Stromabnahme auf ein Minimum beschränkt sein. "Wenn, dann betrifft es nur die Cabs und die können wir problemlos rausziehen", erklärt der Cargocab-Geschäftsführer. Für Prof. Stein ist Cargocab die neue Dimension des Kombinierten Verkehrs - hier allerdings auf Palettenbasis. Damit würden sich dann innerstädtische Händler rund um die Uhr ansteuern lassen.  "Denken Sie noch einen Schritt weiter. Zukünftig könnten dann über kleinere Röhren und Cabs sogar Haushalte angebunden werden", skizziert er seine Vision. Damit ließen sich unter Umständen dann sogar die eingangs genannten Convenience-Produkte direkt nach Hause liefern.


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