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Gotthard-Basistunnel Schneller nach Italien

Gotthard-Basistunnel – Güterzüge Foto: SBB

In einem Jahr öffnet der Gotthard-Basistunnel – Güterzüge rollen auf flacher Strecke bis zu 2.300 Meter unter dem Berg

Ziemlich genau in einem Jahr ist es so weit: Mit dem Fahrplanwechsel am 11. Dezember 2016 wird der Gotthard-Basistunnel in Betrieb gehen. Der Schienengüterverkehr wird damit von häufigeren und schnelleren Verbindungen profitieren, und das Wetter bleibt größtenteils außen vor. Pro Stunde und Richtung sollen anfangs zunächst bis zu fünf Güterzüge verkehren, mindestens 100 Stundenkilometer schnell. Der längste Tunnel der Welt ist nicht nur ein außergewöhnliches Bauwerk, sondern auch ein wichtiger Bestandteil der Schweizer Politik zur Verlagerung von Straßentransporten auf die Schiene.

Der Tunnel stehe für die Innovationskraft, die Präzision und die Zuverlässigkeit der Schweiz, betont Verkehrsministerin Doris Leuthard. "Die Schweiz darf stolz sein auf das Jahrhundertprojekt." Für den internationalen Transitverkehr ist der 57 Kilometer lange Gotthard-Tunnel ein erster großer Schritt, die Flachbahntrasse durch die Alpen zu verwirklichen. Michael Stahlhut, Chef von SBB Cargo, geht davon aus, dass sie die europäische Logistiklandschaft spürbar verändern wird. Er rechnet ab 2020 auf dem europäischen Korridor von Rotterdam nach Genua mit einer Volumensteigerung von bis zu 20 Prozent.

Testfahrten ab Februar

Ab Ende Februar 2016 finden zunächst einmal Testfahrten mit Güterzügen statt, denn künftig will SBB Cargo beispielsweise mit 750 Meter langen Einheiten ins Tessin fahren. Grundsätzlich läuft der Testbetrieb im Tunnel bereits seit Oktober auf Hochtouren, bis Ende Mai 2016 sind rund 5.000 Fahrten geplant. Fast von selbst versteht sich, dass die Gotthard-Achse nebenbei auch noch grüner wird. Bereits heute fährt die SBB zu 90 Prozent mit Wasserkraft. Der Anteil erneuerbarer Energien soll bis 2025 bei 100 Prozent liegen.

Ende 2019 soll auch der Ceneri-Basistunnel befahren werden können, der Lötschberg-Tunnel ist bereits seit 2007 im Betrieb. Damit Sattelauflieger mit vier Metern Eckhöhe auf normalen Bahnwagen transportiert werden können, müssen auch noch rund 20 Tunnel in der Schweiz angepasst werden, insgesamt gibt es dafür rund 25 Bauprojekte auf der Zulaufstrecke. Die Fertigstellung des Vier-Meter-Korridors zwischen Basel und Chiasso ist für 2020 vorgesehen. Grundsätzlich gilt dann: Die Alpen müssen nicht mehr überwunden werden, sondern man fährt einfach hindurch.

Sechs Güterzüge und zwei Personenzüge pro Stunde und Richtung sollen es später sein. Möglich werden die geringeren Abstände der Züge zueinander durch moderne Technik, das Zugsicherungssystem ETCS Level 2. Die Zugfolgezeit im Güterverkehr kann damit von heute vier auf künftig drei Minuten verringert werden. Der Bahntransport wird effizienter. Eine Mehrfachtraktion entfällt weitgehend, das maximale Gewicht, das von einer Lokomotive gezogen werden kann, verdoppelt sich von bisher 800 auf mehr als 1.600 Bruttotonnen. Außerdem verkürzt sich die Strecke durch die Schweiz um 30 Kilometer und – wichtiger noch – um etwa eineinhalb Stunden. Die SBB geht davon aus, dass ab 2020 bis zu 210.000 Lkw-Fahrten pro Jahr zusätzlich auf die Schiene verlagert werden können, bis 2030 soll diese Zahl auf insgesamt 240.000 Fahrten steigen.

Wären da nicht ein paar Hindernisse, die einer Kapazitätsauslastung des Tunnels und damit ökologischem Nutzen und Rentabilität im Wege stehen: So sollen die Förderungen des Schweizer Staates bei Nutzung der alpenquerenden Verbindung nach und nach wegfallen. Kritiker bewerten auch die vorgesehenen Trassenpreise als zu hoch, um gegenüber der Straße konkurrenzfähig sein zu können. Derzeit kommt noch ein niedriger Ölpreis hinzu, der dem Schienengüterverkehr insgesamt schwer zu schaffen macht.

Allenthalben werden steigende Frachtmengen prognostiziert. Mit dem Gotthard-Tunnel sorgt die Schweiz dafür, dass zwischen den Nordseehäfen und Italien, auf Europas wichtigstem Güterkorridor, zusätzliche Kapazitäten geschaffen werden können. Das kostspielige Engagement der Eidgenossen – sie investieren insgesamt umgerechnet mehr als 21 Milliarden Euro in die Tunnelprojekte – allein reicht aber nicht aus. "Voraussetzung ist, dass auch in Deutschland und Italien die notwendigen Zulaufstrecken weiter ausgebaut werden", sagt SBB Cargo-Mann Stahlhut. Und damit steht es nicht zum Besten.

Während die Schweizer Bevölkerung das Mammut-Tunnelprojekt unterstützt, es über eine Volksabstimmung quasi initiiert hat, haben im deutschen Rheintal Einwände von Bürgerinitiativen zu erheblichen Verzögerungen geführt, die bis zum Jahr 2020 wohl kaum aufgeholt werden können. Auch in Italien läuft nicht alles rund. Derweil formieren sich in Deutschland Befürworter und Gegner eines Projektes, das angesichts dieser Situation skurril anmutet: Um das  mittlere Rheintal vom Lärm der steigenden Zahl an Güterzügen zu entlasten, wurde der Bau eines Westerwald-Taunus-Tunnels auf 110 Kilometer Länge zwischen Sankt Augustin und Wiesbaden für den Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagen. Damit könnte man die Schweizer dann irgendwann immerhin in puncto Länge übertrumpfen.

Der Gotthard-Basistunnel

  • Verbindet Erstfeld im Kanton Uri mit Bodio bei Biasca im Kanton Tessin
  • Zwei Röhren mit 57 Kilometer Länge
  • Mit allen Quer- und Verbindungsstollen beträgt die Tunnelstrecke insgesamt rund 153 Kilometer
  • Fahrplanmäßiger Betrieb ab 11. Dezember 2016
  • Höchstgeschwindigkeit 250 km/h, für Güterzüge 120 km/h
  • Scheitelpunkt auf 549 Meter Höhe
  • Mächtigkeit des Gesteins über dem Tunnel bis zu 2.300 Meter

Hintergründe zum Tunnel

Die Eröffnung
Der Tunnel wird am 1. Juni 2016 mit einem Staatsakt eröffnet, zwei Züge starten ihre Jungfernfahrt in Erstfeld im Kanton Uri und in Biasca im Tessin. Die Bevölkerung darf das Jahrhundertbauwerk am 4. und 5. Juni feiern. Der Schweiz sind die Zeremonien umgerechnet elf Millionen Euro wert.

Das Tunnelsystem
Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) umfasst neben dem Gotthard-Basisstunnel auch den 15 Kilometer langen Ceneri-Tunnel und den 34,6 Kilometer langen Lötschberg-Tunnel, der 2007 in Betrieb genommen wurde. Die Tunnel sind wichtiger Bestandteil der Verkehrsverlagerungspolitik der Schweiz.

Die Qualifizierung
Die Schweizer Bahn investiert 20.000 Ausbildungstage, um 2.900 SBB-Angestellte und 1.000 Externe für die Herausforderungen des Tunnels fortzubilden. Es gibt auch eine neue Berufsgattung, den "technischen Tunnel-Operator". Auf jeder Seite des Tunnels sollen rund 125 Wartungsprofis dafür sorgen, dass der Betrieb über Jahrzehnte einwandfrei funktionieren kann. Sie sind zuständig für 153 Kilometer Fahrleitung, 43 Weichen, 178 Querschläge, vier Nothaltestellen und 380.000 Schwellen.

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