Geschäftsidee Abenteuer im Laster

Koffer, Frankreich Foto: We Truck, Montage: Mannchen

Ein junger Franzose startet eine Mitreiseplattform im Internet. Mit "We Truck" setzt er auf den Lkw als bislang ungenutztes Transportmittel für den Personenverkehr.

Angefangen hat alles damit, dass der 24-jährige Victor Clément nach einer Reise zu den Schlössern an der Loire seine Großmutter im Burgund besuchen wollte. Mit dem Auto wäre das ein Klacks gewesen, eine gute Stunde Fahrt. Ohne Auto hatte er eine teure Zugfahrt mit einem großen Umweg über Paris von mehr als drei Stunden zur Auswahl und eine einzige Mitfahrgelegenheit im Pkw morgens um 6:30 Uhr.

Der Lkw  - das ideale Transportmittel

Der Management-Student aus Rouen entschied sich für Letztere und stellte dabei fest, dass zahlreiche Laster in seine Richtung unterwegs waren. "Da habe ich mir gedacht: Der Lkw wäre für mich das ideale Transportmittel gewesen." Nachdem ihm auch noch Studienkollegen berichteten, dass für sie der öffentliche Verkehr hin zu einem Flughafen teurer geworden war als der Flug selbst, beschloss er, Lkw-Unternehmen und Reisende zusammenbringen. Die Beta-Version der Plattform "We Truck" soll im Frühjahr an den Start gehen.

Freie Plätze in den Fahrerkabinen aller Lkw von 3,5 bis 44 Tonnen

Clément sieht für beide Seiten viele Vorteile. Der Straßengütertransport mit seinen geringen Margen erschließe sich so eine neue Einnahmequelle. Die Preise sollen bei zehn Cent pro Kilometer für die Fahrgäste liegen, We Truck will davon eine Provision einbehalten, der Rest geht an die Fuhrunternehmen. Angeboten werden sollen freie Plätze in den Fahrerkabinen aller Lkw und auch kleinerer Nutzfahrzeuge von 3,5 Tonnen bis 44 Tonnen. Nachdem erste Artikel über sein Vorhaben in französischen Zeitungen erschienen sind, habe sich eine große Zahl interessierter Firmen bei ihm gemeldet, berichtet Clément. Für sie soll sich der Aufwand in Grenzen halten, sie müssen nur ihre Angebote auf der Plattform einstellen und sich mit den Reisenden verabreden.

Auch die Versicherer sehen das Angebot positiv

Die Branche profitiere in mehrfacher Hinsicht von dem neuen Geschäftsfeld, betont Clément, der vor Kurzem sein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hat. Sie könne über den direkten Kontakt mit den Reisenden ihr Image aufpolieren, weg vom Stauverursacher und Umweltverschmutzer hin zu einem sympathischen Dienstleister. Zudem fühlten sich viele Fahrer einsam und seien froh über einen Beifahrer und damit verbesserte Arbeitsbedingungen. "Auch die Versicherer sehen das neue Angebot positiv. Das größte Unfallrisiko ist im Lkw immer noch die Müdigkeit und die stellt sich mit einem Reisegast an der Seite nicht so schnell ein."

Lkw fahren in die entlegendsten Winkel

Für den Lkw spricht zudem, das er im Gegensatz zu Bus, Bahn und Flugzeug in die entlegensten Winkel fährt. Gerade im ländlichen Frankreich, abseits der wenigen großen Zentren, ist die Verkehrsanbindung ein Problem. "Lkw fahren in Regionen, die vom normalen öffentlichen Verkehr kaum bedient werden oder abgeschnitten sind", betont der Initiator des Startups aus der Normandie. Das gelte auch für Vororte und Grenzregionen zu den Nachbarländern, wo der Laster ebenfalls Bus und Zug ergänzen soll.

Lkw fahren zu allen Tageszeiten

Aber das Ganze lasse sich nicht nur geografisch betrachten, meint er. Dadurch, dass die beförderten Güter Teil von Logistikketten der Industrie seien, seien die Lkw an "Fahrpläne" gebunden, die oft konträr zu herkömmlichen Angeboten der Personenbeförderung liefen. "Lkw fahren zu allen Tageszeiten, auch bei Nacht. Das erlaubt uns zeitliche Ergänzungen der Angebote von Bus und Bahn."

Für die Mitfahrenden gebe es noch weitere wichtige Gesichtspunkte. So seien die Fahrer Profis, die sich an Lenk- und Ruhezeiten hielten, die Fahrzeuge gut gewartet und ließen sich meist über GPS orten. Das gewähre ein hohes Maß an Sicherheit. Außerdem seien Lkw für Langstrecken konzipiert und böten entsprechenden Komfort. Auch beim Gepäck sieht Clément kein Problem: Selbst ein großer Koffer finde problemlos auf dem Bett des Fahrers Platz. Expressdienste könnten oftmals sogar zwei Personen mitnehmen.

Roadmovie und Abenteuer

Die Fahrgäste nutzten auf diese Weise aber nicht nur eine bislang verschwendete Ressource und verringerten so den ökologischen Fußabdruck von Mobilität. Gleichzeitig handele es sich um eine neue Art zu reisen: "Da denkt jeder sofort an Roadmovies und Abenteuer."

Internetseite soll Europa abbilden

Die Internetseite werde ähnlich aussehen, wie die herkömmlicher Anbieter von Mitfahrgelegenheiten und solle über kurz oder lang ganz Europa abbilden, sagt Clément. Derzeit wird an der Testversion gearbeitet, die den Kontakt zwischen Reisenden und Transporteuren ermöglichen soll. Für We Truck stellen sich dabei auch viele juristische oder versicherungstechnische Fragen. "Wer ist wofür verantwortlich?", lautet nur eine davon. Der Firmenchef arbeitet sich derzeit ganz praktisch mit etwa zehn Unternehmen und einigen Freunden als Mitreisenden an die Umsetzung in die Realität heran. "Ich selbst reise regelmäßig im Lkw und stehe ständig in Kontakt mit Transporteuren, um zu verstehen, wie sie organisiert sind."

Modell der Sharing Economy

We Truck ist ein neues Modell der sogenannten Sharing Economy. Aber mit Anbietern von Plattformen wie Uber oder Airbnb will Clément sein Projekt nicht verglichen sehen. Während es dort darum gehe, Millionen zu scheffeln, sieht er seinen Schwerpunkt im zwischenmenschlichen Bereich. Er will Reisemöglichkeiten verbessern für Menschen,
die isoliert sind und es sich sonst nie hätten erlauben können wegzufahren. Außerdem will er Leute zusammenbringen, die sich andernfalls nicht treffen würden.

Seine Kosten müsse er natürlich irgendwann decken, sagt Clément, der seit etwa einem Jahr an dem Projekt arbeitet. Einen Erfolg kann er bereits vorweisen: Der Reifenriese Michelin hat ihn im November zu einer Präsentation bei seiner Veranstaltung für nachhaltige Mobilität im ­Straßenverkehr, dem "Challenge Bibendum", ins chinesische Chengdu geholt.

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