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Frank Lehner im Gespräch Nicht über die Preisschiene

Frank Lehner, Vorstand TX Logistik Foto: Rathmann/Wild

Ein Wachstum von mindestens zehn Prozent jedes Jahr – das ist die Vorgabe von Trenitalia für die deutsche Tochter TX Logistik. Wie das Bahnunternehmen das schafft, erklärt der neue Vorstand Frank Lehner.

Für 2013 erwartet die TX Logistik aus Bad Honnef gruppenweit einen Umsatz von 220 Millionen Euro. Das Unternehmen kann die Zahl deshalb schon jetzt nennen, weil ein jährliches Wachstum von mindestens zehn Prozent Teil der Strategie ist. Frank Lehner, seit April neuer Vertriebs- und Marketingvorstand, berichtet im Redaktionsgespräch mit trans aktuell, wie das Unternehmen sich dafür im Markt positioniert.

trans aktuell: Herr Lehner, hatten Sie denn schon Ge­legenheit, auf einem Zug der TX Logistik mitzufahren?

Lehner: Ja ich war auf einem unserer Wien-Züge unterwegs. Das war hoch interessant, die Fahrt und die Anforderungen auf so einer Maschine hautnah zu erleben.

Wie haben Sie im ersten halben Jahr das Unternehmen wahrgenommen?

TXL war kein Unbekannter für mich. In meiner früheren Tätigkeit bei ARS Altmann haben wir uns stark mit dem Thema Privattraktion beschäftigt und dort habe ich TX Logistik als Eisenbahntraktionär kennengelernt.

Wie war der Wechsel von der Speditionswelt in die Eisenbahnlogistik?

Der Wechsel war und ist eine große Herausforderung. Wir machen ja inzwischen nicht mehr nur Traktion, sondern bieten um das Thema Eisenbahn noch viele Leistungen mehr – Waggonmanagement, Terminalanbindung, erste und letzte Meile etwa.

Mit Ihren eigenen Erfahrungen aus dem Automobilbereich, ist es da Chefsache, den Bereich Automobil auch bei TXL zu stärken?

Das war sicher einer der Gründe für Trenitalia und dem TXL-Vorstand, sich mit meiner Person entsprechende Kompetenz an Bord zu holen. Das wollen wir auch künftig weiter forcieren.

Inwiefern gibt Trenitalia als Gesellschafter die Richtung vor?

Trenitalia lässt uns absolut autark arbeiten. Wir haben viel Freiraum, uns in Europa zu positionieren. Was Trenitalia von uns verlangt, ist das Thema Qualität und eine Strategie, die ein jährliches profitables Wachstum von mindestens zehn Prozent vorsieht. Das ist auch die Maßgabe, die wir selbst im Vorstand der TXL haben – meine beiden Kollegen Karl Michael Mohnsen und Pietro Mancuso und meine Wenigkeit.

Minimum zehn Prozent ist eine große Hausnummer ...

Bis dato haben wir das immer rein durch organisches Wachstum geschafft. Und das wird auch in Zukunft so sein.

Kann man Trenitalia vorhalten, dass es für das Tochterunternehmen andere Ansprüche hat als an sich selbst – etwa beim Wachstum?

Da muss man fair bleiben und betrachten, was in den vergangenen Jahren alles geschehen ist, vor allem im Personenverkehr. Die FS-Gruppe ist auf dem richtigen Weg und hat in den vergangenen Jahren beeindruckende Fortschritte erzielt.

Was machen Sie anders als Ihre Wettbewerber?

Im Gesamten ist der Schienengüterverkehr ein sehr schwieriges Geschäft. Eine Erklärung für unseren Erfolg liegt sicher in unserem guten europäischen Netzwerk. Unsere Kunden – eben auch die Spediteure des Straßengüterverkehrs – schätzen das ebenso wie unsere Neutralität als Anbieter. Ein weiterer Erfolgsgrund ist der hohe Stellenwert, den wir der Qualität in der ganzen Kette einräumen. Bei Problemen haben wir eine sehr schnelle Reaktionszeit und das bekommt der Kunde mit.

Welches sind die Regionen, in denen Sie noch wachsen ­wollen? Etwa im Osten?

Wir beschäftigen uns zwar mit Ländern wie Polen und Ungarn. Ganz oben auf der Projektliste stehen aber Frankreich und Spanien – national und im Transit. Spanien könnte auch in der Automobillogistik interessant sein. Es wird vielleicht ein paar Jahre dauern, bis sich die wirtschaftliche Lage wieder gefestigt hat, aber man muss jetzt schon anfangen.

Einige der großen Automobillogistiker agieren teilweise auch als Eisenbahn-Verkehrsunternehmen. Ist das ein Problem für Sie?

Das ist zwar meist nur regional begrenzt, aber klar, in diesem Fall ist der Kunde irgendwie auch Wettbewerber. Wir selbst investieren ja ebenfalls in Tragwagen im Intermodalbereich – jetzt etwa in 300 neue T-3000, die gerade in der Auslieferung sind. Wollen wir auch in das Thema Doppelstockwagen einsteigen? Zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Jetzt fokussieren wir uns auf einen Ausbau unserer Partnerschaften mit den Automobil­logistikern.

Welchen Anteil haben denn die automobilen Verkehre?

Den größten Anteil hat immer noch Intermodal.

Der Vollständigkeit halber: Wie sieht die Verteilung ­zwischen den vier Produktgruppen aus?

Der Gesamtumsatz der Gruppe wird 2013 bei etwa 230 Millionen Euro liegen. Intermodal macht davon rund 80 Millionen aus, der Auto­mobilbereich und Freight jeweils etwa 40 Millionen und der Rest ist Maritim.

Zugrunde liegt dieser Prognose eine Steigerung um mindestens zehn Prozent?

Genau. Und nächstes Jahr wollen wir natürlich weiter kräftig wachsen.

Im Intermodalverkehr besteht ein großer Wettbewerb, obwohl es etwa mit Kombiverkehr oder SBB Cargo sicher Überschneidungen gibt. Können Sie sich da eine Zusammenarbeit vorstellen?

Unsere Strategie ist, viel selbst zu machen. Wir arbeiten allerdings erstmalig seit September auf dem Schweiz-­Korridor mit einer anderen Bahn als Traktionär zusammen, was gut funktioniert.

Wenn TXL den Anspruch hat, alles selbst zu machen – wie definieren Sie dann Ihre Rolle im Markt?

Wir sehen uns nicht mehr als reine Güterbahn, sondern als Eisenbahnlogistikunternehmen, das sich mit der ganzen Kette beschäftigt und das abbildet, was der Kunde braucht. Das ist sicher auch unseren Mitarbeitern geschuldet, die sowohl aus der Bahn- als aus der Speditionswelt kommen. So können wir ein breites Kompetenzspektrum bieten. Das bringt uns nach vorne.

Wie operieren Sie?

Unser Herz ist das European Control Center in Bad Honnef, dort werden alle Züge, die wir europaweit fahren, gesteuert. Außerdem haben wir unter der Dachmarke TX Cargostar vier Profitcenter, die durch gelernte Spediteure geleitet werden. Bei Störungen, die wir beeinflussen können, können wir so sofort reagieren.

Viele Privatbahnen beklagen immer noch eine Benachteiligung im Wettbewerb – wie fühlt sich TXL denn behandelt?

Schaut man sich die Entwicklung der privaten EVUs an, dann sieht man, dass nach dem Hype um das Jahr 2000 nicht mehr so viele private EVUs europaweit übrig geblieben sind und viele wieder in Staatsbahnen integriert wurden – auch wir. Deswegen hat sich in der Hinsicht meiner Meinung nach in den vergangenen Jahren vieles getan.

War der europäische Eisenbahnmarkt also noch nicht fit für private Unternehmen?

Vielleicht. Es geht ja nicht allein darum, "Ich besorge mir eine Lokomotive und fahre Eisenbahn". Wer europaweit tätig sein will, muss wachsen, muss investieren – in Equipment, Personal, IT. Dazu brauchte es einfach die Finanzkraft, um in dem Markt bestehen zu können.

Stichwort Personal: Lokführer gehören mit zu den am schwersten zu besetzen-
den Stellen.

Wir suchen derzeit weitere Triebfahrzeugführer. Wir haben zwar seit Jahren ein Ausbildungsprogramm, kommen aber damit noch nicht unserem eigenen Bedarf nach. Und das Thema Dienstleister ist leider nicht immer zufriedenstellend – sowohl von der Qualität als auch von den Kosten her, die in den vergangenen Jahren doch erheblich gestiegen sind.

Wie stehen Sie als Operateur dem Thema Infrastruktur und Kapazitäten gegenüber – gibt es genügend?

Die Kapazitäten sind ausreichend, große Probleme gibt es aber bei der Infrastruktur, die wir leider nicht beeinflussen können. Meiner Ansicht nach müssen wir für Netz und Energie eine klare Regulierung haben. Da ist dann die Politik gefragt. Auf der Straße gibt es gute Beispiele von privaten ­Investoren, die in die Infrastruktur investieren. Warum kann das auf der Schiene nicht auch passieren?

Aber es gibt doch kein Land, wo das gesichert funktioniert.

Ja, das ist schwierig, aber wir müssen dennoch den Anspruch erheben. Sonst werden wir immer weiter immer größere Störungen haben. Wir müssen in die Infrastruktur investieren.

Was spricht denn Ihrer Meinung nach für die Schiene – gegenüber der Straße?

Wir von TXL sind in der Lage, mit einem System von Skandinavien durchgehend bis nach Italien zu fahren. Wir produzieren das aus eigener Hand und können daher auch die entsprechende Qualität liefern – in der Laufzeit und im Informationsverhalten. Eine weitere Rolle spielt auch das Volumen, das wir im Vergleich zur Straße bewegen können. Wir sind ja ausschließlich im Ganzzugverkehr unterwegs, wobei wir unter drei Rundläufen in der Woche kein System aufsetzen.

Spiegelt sich das auch im Preis wider?

Ja, wir sind zwar sicherlich nicht die Preiswertesten. Aber dafür bekommen unsere Kunden auch Qualität und dessen sind sie sich bewusst. Und mit dieser Strategie sind wir letztlich eines der ganz wenigen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Europa, das Geld verdient. Das können wir mit Stolz sagen.

 

Das Unternehmen

TX Logistik wurde 1999 in Bad Honnef als privates Eisenbahnverkehrsunternehmen gegründet und gehört seit 2011 dem italienischen Schienenunternehmen Trenitalia, der Tochtergesellschaft der italienischen Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (FS). TX Logistik bietet die vier Produktgruppen Automobil, Freight (konventionelle Verkehre), Intermodal und Maritim und fährt mit 70 Mehrsystemlokomotiven wöchentlich 360 Ganzzüge in zehn europäische Länder. Die Unter­nehmensgruppe hat europaweit rund 420 Mitarbeiter.

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