Was passiert, wenn Brücken oder Tunnels nicht befahrbar sind? EU-Verkehrsexperten entwickeln Methoden, um das einzuschätzen. Ziel ist es, die Güterströme am Laufen zu halten.
Ob Terroranschlag, Verkehrsunfall oder Umweltkatastrophe – Tunnel und Brücken sind die Nadelöhre in der Infrastruktur. Sind sie blockiert, gerät der Verkehr ins Stocken – oder kommt sogar zu Stillstand. Die Folgen für die Wirtschaft sind dabei weitreichend.
Sicherheit der Infrastruktur erhöhen
Doch wo sind die neuralgischen Punkte? Und was gibt es für Gegenstrategien? Diesen Fragen ist das EU-Forschungsprojekt Seron (Security of Road Transport Networks) nachgegangen. Dahinter verbirgt sich ein Konsortium aus sieben Partnern. Das Projekt war Teil des 7. Forschungsrahmenprogramms der EU und beschäftigte sich mit der Sicherheit von Tunneln und Brücken. Denn diese spielen eine entscheidende Rolle für die zentralen Transportrouten der EU, dem transeuropäischen Verkehrsnetz.
"Im Rahmen von Seron haben wir eine innovative Methodik entwickelt, um Straßennetze und ihre baulichen Elemente zu analysieren und zu bewerten", sagt Dr. Georg Mayer, verantwortlicher Projektleiter bei der PTV Group. Diese Methode biete Eigentümern und Betreibern eine vollumfängliche Vorgehensweise, kritische Straßeninfrastrukturobjekte sowie kosteneffektive Schutzmaßnahmen zu ermitteln. Ziel sei es "die Sicherheit und Robustheit der Infrastruktur zu erhöhen." Dazu hat das Seron-Team ein vierstufiges Verfahren erarbeitet.
Erste Stufe: Risiko klassifizieren
In der ersten Stufe gilt es, das Risiko grob abzuschätzen und zu klassifizieren. Dazu werden alle relevanten technischen und verkehrstechnischen Daten der Objekte und des Straßennetzes im ausgewählten Korridor gesammelt. Für die Objekte umfasst dies die allgemeinen technischen Daten von Brücken und Tunneln wie Länge, Konstruktionsart, oder verwendete Baumaterialien. Die benötigten Daten des Straßennetzes sind die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke und der Anteil des Schwerverkehrs.
Bei Schritt zwei ermitteln die Eigentümer oder Betreiber, wie kritisch das Objekt für den Erhalt des Verkehrsnetzes ist. Hierbei sprechen die Forscher von einer "verhinderten Nicht-Verfügbarkeit". Dazu werden die Konsequenzen einer Nicht-Verfügbarkeit quantifiziert, monetarisiert und zu einem Wichtigkeitswert zusammengeführt.
Szenarien zur Risikoanalyse
In Schritt drei geht es darum, eine Risikoanalyse zu erstellen. Hierfür wird ein Szenario verwendet, um die Auswirkungen abschätzen zu können. Ein solches Szenario ist etwa ein brennender Lkw im mittleren Abschnitt eines Tunnels. Dabei ist unter anderem einzuschätzen, wie wahrscheinlich ein solches Ereignis ist und welches Schadenspotenzial es gibt.
In Stufe vier gilt es schließlich Maßnahmen zu ermitteln, die im jeweiligen Ernstfall greifen müssen. Ganz praktisch heißt dies, dass die Verkehrsexperten für Seron beispielsweise die Feuer- und Brandausbreitung in Tunneln simuliert haben. Erst dadurch lässt sich abschätzen. Welche Auswirkungen solche Ereignisse auf die Verkehrsteilnehmer im Tunnel haben. Zudem zeigt sich, wie gut das Lüftungssystem, die Brandmeldeanlagen sowie die Notausgänge im Ernstfall funktionieren.
Datenbank als Vorlage
Wer die Seron-Methode anwenden möchte, den lassen Verkehrsexperten nicht bei null anfangen: So gibt es eine sogenannte Knowledge Database. Die Projektpartner entwickelten diese Wissensdatenbank als Vorlage für das Erheben und Kategorisieren von Netzwerk- und Objektdaten. Diese Daten finden dann als Variablen Eingang in das Bewertungsverfahren. Um möglichst viele Infrastrukturbetreiber für die Seron-Methode zu gewinnen, können Interessenten die Wissensdatenbank unter seron-project.eu herunterladen. Die Knowledge Database findet sich unter dem Menüpunkt Project Information (unter der Überschrift Tools auf "More" klicken).
Das Projekt
Das Projekt Seron (Security of Road Transport Networks) wurde von 2009 bis 2012 bearbeitet. Das Projektkonsortium bestand aus sieben Partnern aus sechs verschiedenen europäischen Ländern: Projektkoordinator PTV (Deutschland), Niras (Dänemark), Ernst Basler + Partner (Schweiz), Bundesanstalt für Straßenwesen (Deutschland), Traficon (Belgien), Technische Universität Graz (Österreich) und Parsons Brinckerhoff (Großbritannien) Die EU förderte das Projekt mit 2,25 Millionen Euro.
Weitere Infos unter: www.seron-project.eu