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Finanzierung "Mautspreizung ist Blödsinn"

Spediteur Roland Rüdinger Foto: Rathmann; Montage: Grobosch

Spediteur Roland Rüdinger bietet an, auf dem gesamten Straßennetz und für alle seine Fahrzeugtypen Maut zu bezahlen. Damit könnten Ortsumfahrungen gebaut werden. Anreize für Euro-6-Lkw lehnt er ab.

Fußgänger und Lkw sollten sich in den Innenstädten nicht ins Gehege kommen. Die Menschen sollten beim Einkaufen ihre Ruhe haben. Für die Fahrer bedeuteten diese Fahrten ebenfalls unnötigen Stress, sagt Roland Rüdinger, Geschäftsführer der Rüdinger Spedition in Krautheim, im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann. Ein Königsweg zwischen den Interessen beider Gruppen seien Ortsumgehungen. Der Spediteur ist bereit, Maut auf dem gesamten Straßennetz zu bezahlen, damit noch mehr solcher Umgehungen gebaut werden können.

trans aktuell: Herr Rüdinger, alle warten auf Anreize für Euro-6-Lkw. Nur Sie nicht. Warum?

Rüdinger: Weil sich das Thema nun erledigt hat. Eine Mautspreizung wäre zum jetzigen Zeitpunkt völliger Blödsinn. Sie würde nur zur Abwertung des Bestandsfuhrparks führen. Der Transportunternehmer kann daran kein Interesse haben.

Mit dieser Aussage dürften Sie sich in der Branche aber wenig Freunde machen, oder?

Ich halte meine Argumentation für stichhaltig: Eine Mautspreizung würde den Altbestand verteuern und die vorhandene Technik auf dem Gebrauchtwagenmarkt entwerten. Die einzigen, die davon profitieren würden, wären die Fahrzeugbauer. Sie sollten lieber Lkw entwickeln, die Transporteure freiwillig kaufen. Wenn man aber neue Technik nur mit staatlicher Hilfe absetzen kann, hat man etwas falsch gemacht. Der Staat hat nicht die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die überzogene Einnahmeerwartung des Daimler-Konzerns befriedigt wird.

Aber vielleicht hat der Staat die Absicht, die Flottenerneuerung hierzulande anzustoßen?

Das ist mit der Einführung von Euro-5-Fahrzeugen längst geschehen. Man kann nicht behaupten, dass das Dreckschleudern wären. Euro-5-Lkw haben massive Verbrauchsvorteile. Wir haben einen durchschnittlichen Flottenverbrauch von 28 Litern, mit Ausreißern nach unten, die 25 Liter schaffen. Wobei ich ergänzen muss, dass unsere Auslastung im Schnitt nur fünf bis zehn Tonnen beträgt.

Wenn Sie Mautanreize für Euro-6-Lkw ablehnen, nehmen Sie beträchtliche Mehrkosten bei der Anschaffung hin, ohne dafür einen Ausgleich zu erhalten. Das kann doch nicht im Sinne eines Kaufmanns sein, oder?

Langsam, das ist eine Milchmädchenrechnung. Die Bundesregierung bietet uns keine Mautsenkung, sondern eine Mautspreizung an. Wesen einer Mautspreizung ist, dass neue Lkw billiger und ältere teurer fahren. Das bedeutet in Summe eine deutliche Kostenerhöhung, weil der Bestandsfuhrpark größer ist, als das, was neu beschafft wird. Das ständige Drehen an der Gebührenschraube ist für uns alles andere als hilfreich. Es führt dazu, dass man Fahrzeuge nur noch kurz fahren und dann wegwerfen kann.

Wie groß sollte der zeitliche Abstand bis zur nächsten Tarifänderung Ihrer Meinung nach dann sein?

Je nach technischer Spezifikation kann bei Fahrzeugen eine Haltedauer von zehn bis zwölf Jahren sinnvoll sein. Wir fahren in der Regel mit Einfahrerbesetzung. Wenn man sich an die Lenk- und Ruhezeiten hält, kommt man auf etwa 100.000 Kilometer im Jahr. Die Fahrzeuge können aber locker 750.000 bis 900.000 Kilometer leisten. Dessen sollte man sich bei der Mautgestaltung bewusst sein. Den Wahnsinn, den wir betreiben müssen, mutet man keinem anderen Verkehrsträger zu. In der Luftfahrt beschwert man sich frühestens nach 25 Jahren, wenn das Flugzeug zu laut ist. Und wir befeuern den Wahn, dass Lkw nach zwei bis drei Jahren veraltet sind.

Während Sie eine Mautspreizung zugunsten von Euro 6 ablehnen, werben Sie für eine Bemautung des kompletten Straßennetzes. Warum?

Weil das dem Güterverkehr helfen würde. Ich mache das am Beispiel der Kommunalwahlen fest. Immer verliert die Verkehrswirtschaft. Irgendein cleverer Kandidat sagt: Lkw raus − und trifft damit die Sympathie vieler. Ich bin der Ansicht, dass der Lkw vor Ort nur die nötige Akzeptanz erfährt, wenn er nicht nur seine Belastung hinterlässt, sondern auch Geld. Dann bringt der Güterverkehr einer Region einen wirtschaftlichen Vorteil und wird positiv gesehen. Wenn wir Kommunal-, Land- und Kreisstraßen bemauten, wird sich ein Straßenneubau rechnen − vor allem von Ortsumgehungen. Derzeit tut sich beim Bau von Landstraßen leider nichts − zumindest nicht im Hohenlohekreis.

Warum sind Ihnen gerade Ortsumgehungen so wichtig?

Sie sind der Königsweg zwischen den Interessen des Güterverkehrs und der Lärm geplagten Bevölkerung. Ich halte nichts davon, Lkw durch Dörfer oder Innenstädte zu jagen.

Und trotzdem gehören sie in allen Städten zum Straßenbild.

Damit tut man aber weder der Innenstadt noch dem Verkehr einen Gefallen. Die Leute sollen in Frieden in ihren Orten leben und in Ruhe einkaufen dürfen. Das ist wichtig. Wenn die Leute nicht mehr in Ruhe einkaufen dürfen, sind sie sauer, machen einen Doppelklick, und es kommen noch mehr Lieferwägen. Davon abgesehen, dass es ökologisch nicht besonders sinnvoll ist, einen Lkw durch die Innenstadt zu schicken. Die Anfahrvorgänge kosten unnötigen Treibstoff. Auch ist es eine erhöhte Belastung für den Fahrer.

Mal abgesehen von den fehlenden Ortsumgehungen − wie ist es generell um den Zustand der Straßen im nachgeordneten Netz bestellt?

Ganz schlecht, hier muss dringend etwas passieren. Die Kreisstraßen bei uns sind in einem schlimmen Zustand, aber noch in einem besseren als die Landstraßen. Auf der L 515 aus Krautheim rauszukommen ist eine Katastrophe. Es passieren ständig Unfälle im Begegnungsverkehr. Doch das kostet nicht das Land Geld, sondern uns. Der Ausbau ist nötig, damit unsere Fahrer sicher auf die 18 Kilometer entfernte Autobahn kommen.

Warum ist nicht schon längst etwas in Richtung Ausbau passiert?

Weil unser grüner Landesverkehrsminister Winfried Hermann erst eine bestimmte Fahrzeugzahl auf der Straße sehen will, früher passiert nichts. Die Parameter sind so hoch gesetzt, dass es in dieser Legislaturperiode auf keiner Landstraße im Hohenlohekreis vorangeht. Diese Tatenlosigkeit ist charakteristisch für den Minister.

Wie meinen Sie das?

Ich meine, dass sein Konzept zum Güterverkehr und Straßenbau schlecht für uns ist. Mit diesem Konzept ist man in Baden-Württemberg auf dem falschen Platz. Wenn Minister Hermann dann noch verkündet, dass er keine Spatenstichpolitik macht, verzichtet er außerdem leichtfertig auf wichtiges Geld. Die Konzentration auf durchfinanzierte Projekte hat dazu geführt, dass Baden-Württemberg sechs Millionen Euro zurückgeben musste, weil wir sie nicht verbauen konnten. Weitere 70 Millionen Euro von anderen Bundesländern konnten wir nicht annehmen. Der ländliche Raum ist bitter enttäuscht. Wir wissen nun, was wir bekommen, wenn Grün eine Wahl gewinnt.

Um auf Ihr Angebot zurückzukommen,  freiwillig auf dem nachgeordneten Straßennetz Maut zu bezahlen: Glauben Sie, dass die Logistikbranche mitspielen würde?

Warum nicht? Wir haben ein Wirtschaftssystem, in dem der Kunde bezahlt. Wenn bei einem Wohnungsneubau erhöhte Isolationsmaßnahmen anfallen, ist es völlig normal, dass anschließend die Miete erhöht wird.

Der Vermieter kann vielleicht den Mieter zur Kasse bitten. Sie können Ihre Kunden aber nicht noch stärker in die Pflicht nehmen, oder?

Gehen wir davon aus, dass die Maut 12 bis 15 Prozent der Gesamtkosten ausmacht, dann dürfte klar sein, dass das kein Transportunternehmer aus seinem Gewinn finanzieren kann. Da beantwortet sich die Frage, wer die Maut bezahlt, von allein: der Kunde. Ich persönlich verkaufe lieber teure Leistungen als billige. Ich warne auch davor, dass wir uns vor die Industrie stellen und sagen: Wir müssen euch vor der Maut schützen. Diesen Kampf muss die Industrie führen. Eines muss auch die Gesellschaft begreifen: dass mein Leben teurer wird, wenn ich eine höhere Maut will.

Apropos höhere Maut: Was zahlen Sie monatlich an Maut?

Rund 80.000 Euro im Monat. Wir hatten aber auch schon Phasen, wo es etwa 100.000 Euro waren. Der Autobahnanteil liegt bei etwa zwei Dritteln.

Das lässt erahnen, was auf Sie zukäme, wenn alle Straßen mautpflichtig wären.

Wobei die Frage ist, ob die Landstraße gleich teuer sein muss wie die Autobahn. Die Frage dahinter ist, was man beabsichtigt. Will man die Ausländer belasten? Dann muss man die Autobahnmaut erhöhen. Will man das ganze Netz belasten? Dann trifft es auch den Rübenbauer.

Und Sie wären auch bereit, für alle Fahrzeugklassen Maut zu bezahlen?

Wir würden unseren Beitrag für alle Klassen leisten. Denn eines ist auch klar: Es ist völlig illusorisch zu denken, dass mit Einführung einer ­Pkw-Vignette die Klassen darüber unbemautet bleiben.

Zur Person

Roland Rüdinger (51) lenkt seit 1988 die Geschicke der Rüdinger Spedition im baden-württembergischen Krautheim (Hohenlohe
kreis). Die Geschäftsführung teilt er sich mit seiner Frau Anja. Das Paar steht für die dritte Generation des 1930 von Franz Rüdinger gegründeten Familienunternehmens. Im Ehrenamt ist Roland Rüdinger Präsidiumsmitglied des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg sowie Vorsitzender der Landverkehrssparte. Vor Ort engagiert sich der Unternehmer als Vorsitzender des Verkehrsausschusses der IHK Heilbronn-Franken.

Das Unternehmen

Flotte:
"Der Standard-Sattel ist ein Garant für Armut", sagt Roland Rüdinger. Daher hat dieses Fahrzeug in seiner Flotte keine Bedeutung. Er setzt auf Spezialfahrzeuge − seien es Doppelstock-Lkw, verbreiterbare Auflieger für Maschinentransporte unter Plane, 14,90 Meter lange Auflieger oder Ultraleicht-Lkw. Die 140 eigenen Lkw sind im Regional- und Fernverkehr unterwegs. Daneben unterhält die Firma eine Bussparte mit 20 Fahrzeugen.
Bereiche:
Spezialität des Unternehmens sind XXL-Teilladungen. Das können etwa Langgüter wie Markisen oder 2,60 Meter hohe Frontlader sein. Auf diese Sparte entfällt 40 Prozent des Umsatzes. Die Maschinentransporte stehen für 30 Prozent und Sammelgut für 20 Prozent. Der Rest entfällt auf Services wie Verzollungen, Luft- und Seefracht. Die Spedition ist Mitglied bei der Stückgutkooperation Online und dem Ladungsverbund Elvis.
Soziales:
Bemerkenswert sind vor allem zwei Zahlen: Mehr als 20 Prozent der Mitarbeiter sind Azubis, insgesamt sind es 60 junge Menschen über alle drei Lehrjahre und Ausbildungsberufe hinweg. 45 Prozent der Mitarbeiter sind Migranten, vor allem Russlanddeutsche.
Zahlen:
Das Unternehmen beschäftigt etwa 250 Mitarbeiter und verfügt in seinen Lagerhallen über 20.000 Meter Logistikfläche.

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