Absolute Fahruntüchtigkeit Auch für Kutscher ist bei 1,1 Promille Schluss

Wer eine Pferdekutsche führt, darf nicht mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut haben. Kutscher, die den Wert überschreiten, sind absolut fahruntüchtig, so das Oberlandesgericht Oldenburg (AZ: 1 Ss 204/13).

Das Leben könnte schön sein als Kutscher: Den ganzen Tag an der frischen Luft, ab und zu ein glückliches Hochzeitspaar kutschieren und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Den Rest machen die Pferde. Leider ist dem nicht so. Und gerade beim Thema Alkohol hört für die Gerichte der Spaß auf.

Kutscher hatte 1,98 Promille im Blut

Im August 2012 wurde in Lathen an der Hilter eine Pferdedroschke von der Polizei angehalten. Der Kutscher war weder Schlangenlinien gefahren, noch zeigte er gängige Ausfallerscheinungen. Dennoch stellte die Polizei bei der Routineprobe eine Blutalkoholkonzentration von 1,98 Promille fest. Grund genug für das Landgericht Osnabrück in einem sich anschließenden Prozess gegen den Kutscher, die Frage nach dem Grenzwert für absolute Fahruntüchtigkeit beim Kutschieren näher unter die Lupe zu nehmen. Die Richter entschieden sinngemäß: Kutsche fahren ist einfach und zudem sei eine Kutsche deutlich langsamer als ein Pkw. Sie lehnten deshalb die Anwendung des Grenzwertes der absoluten Fahruntüchtigkeit für Kraftfahrer von 1,1 Promille ab. Auch der Grenzwert für Fahrradfahrer von 1,6 Promille sei deshalb nicht vergleichbar, weil es bei der Kutschfahrt nicht auf den für die Fahrtüchtigkeit von Fahrradfahrern entscheidenden Gleichgewichtssinn ankomme.

So weit, so gut: Dumm für die Osnabrücker Richter war nur, dass der Fall in die nächste Runde ging. Die Richter des Oberlandesgerichts im etwa 100 Kilometer entfernten Oldenburg stellten nordisch unterkühlt und mit Hilfe eines Sachverständigen fest, dass Kutsche fahren doch nicht so einfach ist. Ein Kutscher müsse im Straßenverkehr vielfältige Anforderungen erfüllen. Fahrfehler, wie Verlust des Gleichgewichts, zu locker geführte Zügel oder Fehleinschätzungen der Verkehrssituation, könnten sich gefährlich auswirken. Ein Pferd, so die Richter, sei grundsätzlich zu keiner angemessenen Eigenreaktion fähig, sondern verlasse sich auf den Fahrer. Dabei könne jederzeit etwas Unverhofftes passieren, weshalb der Reaktionsfähigkeit des Kutschers große Bedeutung zukomme.

Auf die Ohren kommt es an

Der Kutscher sei gehalten insbesondere die Ohren der Pferde während der Fahrt zu beobachten und das Verhalten der Tiere zu reflektieren. Sollte ein Tier ausbrechen, könne die Kutsche in vollem Galopp eine Geschwindigkeit von mehr als 40 Stundenkilometern erreichen. Es sei in einer solchen Situation aufgrund des Fluchtinstinktes schwierig, die Pferde und die Kutsche zum Stehen zu bekommen. Oft ließen sich die Tiere erst durch Hindernisse aufhalten.

Ergebnis von so viel Sachverständigkeit und richterliche Strenge war schließlich, dass die Oldenburger Richter nun doch auf der Einhaltung des Werts von 1,1 Promille als Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit bestanden. Denn: Die typischen alkoholbedingten Einbußen in der Leistungsfähigkeit, wie etwa die Verringerung der Aufmerksamkeit oder des Reaktionsvermögens wirkten sich ebenso aus wie beim Kraftfahrer. Dass Argument der geringen Geschwindigkeit des Landgerichts Osnabrück wischten die Richter dabei ebenfalls vom Tisch: Auch für langsam fahrende Kraftfahrzeuge wie Mofas gelte schließlich die 1,1-Promille-Grenze.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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