Fahrer vor Gericht Missglückter Versuch

Schaden, DEKRA, Prüfer, Kranen, Transporter Foto: Thomas KŸppers

Dreist versucht der Fahrer eines Mietwagens, Frank einen teuren Lackschaden anzuhängen.

Frank* sitzt im Empfang eines großen Autohauses und trinkt nach dem Entladen sein Tässchen Kaffee. Er liefert fast täglich auf seiner Linie die Ersatzteile, die hier in der zum Luxusautohaus gehörigen Werkstatt täglich verbaut werden. Gerade als Frank noch denkt, dass dies heute irgendwie nicht sein Tag ist, wird er plötzlich aus seinen Gedanken gerissen. Ein Polizeiwagen fährt auf den Hof. Drei Beamte steigen aus dem Wagen, zwei gehen auf Franks Laster zu und fotografieren. Der Dritte spricht den Werkstattmeister an. Der zeigt auf Frank. Ein paar Sekunden später wird Frank eröffnet, dass er vor einer Stunde eine Unfallflucht begangen haben soll. Er soll ein weißes Golf Cabriolet beschädigt haben und dann abgehauen sein. Der Polizist belehrt ihn, dass er nichts zu sagen braucht. Die anderen Beamten sind mittlerweile auch da und konfrontieren Frank mit Fotos auf ihrer digitalen Kamera. Auf diesen sind Kratzer am Laster zu sehen. Frank fühlt sich ziemlich in die Enge getrieben. Er weiß, dass das uralte Kratzer sind. Er macht das einzig Sinnvolle und bittet darum, kurz mit seinem Anwalt sprechen zu dürfen.

Schaden liegt bei 500 Euro

Über die Fernfahrerhotline erreicht er Frau Bekessus. Die macht einen Eilvermerk, der mir fünf Minuten später vorgelegt wird. Ich rufe Frank sofort zurück. Der erzählt mir kurz was vorgefallen ist. Ich lasse mir einen der Polizisten an die Strippe geben und erkläre ihm, dass Frank jetzt gar nichts sagen wird. Der versteht und will das Gespräch abrupt beenden. Ich kann grade noch fragen, wie groß der Schaden ist. "500 Euro höchstens", knurrt der Blauweiße. Ich registriere: unterhalb der Führerscheinentzugsgrenze. Gott sei Dank! Ich bitte Frank, nur seine Personalien anzugeben, sonst soll er den Mund halten. Außerdem bitte ich ihn, mich anzurufen, wenn die Polizei das Autohaus verlassen hat. Das macht er und beschwört, dass er den weißen Golf nicht berührt hat. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen am Tatort.

Details ergeben sich aus der Personalienaustauschkarte

Am nächsten Morgen schauen wir uns alles genau an. Frank hat noch die Personalienaustauschkarte mitgebracht, die er von der Polizei erhalten hatte. Aus ihr  ergibt sich, dass der weiße Golf ein Fahrzeug einer Erfurter Autovermietung war. Von der Bäckerei gegenüber des angeblichen Tatorts leihen wir uns ein Stück Kreide und zeichnen die Fahrzeugmarkierungen auf die Straße. Anschließend ist nicht nachvollziehbar, wie es hier zum Unfall gekommen sein soll. Die Straße ist breit genug und kerzengerade. Es gab keine überraschende Ausweichsituation. Messstellenüberprüfer Gruni misst, fotografiert und filmt. Was Frank erzählt, ist absolut nachvollziehbar.

­"Unfallflucht" ist ein Witz

Er musste halten, um einen Pkw ausparken zu lassen. Aus der anderen Fahrtrichtung kam das weiße Golf Cabriolet. Das hielt auch. Der Ausparkende rangierte eine ganze Zeit lang hin und her. Dann entschloss er sich, in der Parklücke zu bleiben. Sekunden später beschleunigte der weiße Golf ungeduldig, kam etwas weit nach links, jedoch ohne Franks Laster zu berühren. Schnell entfernte sich das Cabriolet. Von Unfallflucht zu reden ist bei dieser Konstellation ein Witz. Kein Unfall und schon gar keine Flucht – aber beweisen müssen wir das schon.

Auf dem Rückweg in die Kanzlei legen wir den Schlachtplan fest. Gruni wird die angebliche Unfallsituation mit Modellautos nachstellen und fotografieren, damit der Staatsanwalt den Hergang auch visuell nachvollziehen kann. Zusammen mit ein paar realen Fotos ergibt sich eine gute Darstellung des Geschehens. Diese Vorgehensweise hat sich schon vielfach bewährt. Zudem sollen Tobi und Gruni Montagfrüh nach Erfurt fahren, um den Golf bei der Autovermietung für einen Tag auszuleihen. Ich versuche unseren Kromsdorfer Sachverständigen Dr. Clauder für Montag zu organisieren. Der soll den Schaden am Golf begutachten und überprüfen, ob Schaden und behaupteter Unfall überhaupt plausibel zueinanderpassen.

Am Montagfrüh hat Tobi es geschafft. Er hat ihn gefunden, den weißen Golf, und ihn sich für einen Tag ausgeliehen. Der Lackschaden findet sich noch am Auto, perfekt. Dr. Clauder kommt um 15 Uhr nachmittags. Auf dem Hof vor der Zentrale der Autobahnkanzlei in Kromsdorf stellen wir die beiden Fahrzeuge nebeneinander, sodass es ungefähr dem angeblichen Tatort nahekommt. Doch nachdem er den Lackschaden am Cabriogolf unter die Lupe nimmt, sagt er nur knapp: "Ich brauch den Laster nicht! Hier ist was richtig faul." Der Sachverständige macht eine Menge Fotos. "Ich will nicht vorgreifen, aber das sieht gut aus", sagt er zum Schluss.

Bei selbstverursachten Schäden muss sich der Mieter mit 1.000 Euro beteiligen

Dr. Clauder lässt mich und Frank zwar zwei Wochen auf sein Gutachten warten – das hat es dafür aber in sich. Der Sachverständige schließt eindeutig aus, dass der Lackschaden am Golf beim Vorbeifahren entstanden sein kann. Alles klar: Der Cabrio­fahrer wollte uns einen Schaden unterjubeln, den er selbst verschuldet hat. Jetzt interessiert mich der Mietvertrag für das Auto. Ich gehe davon aus, dass der Anzeigeerstatter denselben Mietvertrag wie Tobi unterzeichnet hat, da solche Firmen standardisierte Formulare verwenden. Und siehe da, ich finde, was ich suche. Bei selbstverursachten Schäden muss sich der Mieter mit satten 1.000 Euro beteiligen. Anscheinend Grund genug, sich einen dummen Dritten zu suchen. Das mag manchmal funktionieren. Aber nicht mit uns! Gegen Frank wurde das Verfahren eingestellt.

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