Fahrbericht Mercedes-Benz Travego Ein richtig starker Typ

Mercedes Travego Edition 1 Foto: Mercedes 10 Bilder

Neuer Motor nach Euro 6, neues Getriebe und eine neue Bedienung – der routinierte Mercedes Travego Edition 1 reift zu großer Klasse.

Ortsausgang von irgendeinem halbvergessenen Nest zwischen Rheingau und Taunus. Steigung vielleicht drei, vier Prozent, Tempo 50 Sachen, fünfter Gang, um 1.300 Touren. Ein kurzer Tritt aufs Gas, schon schnellt der mächtige, 14 Meter lange Dreiachser wie ein Sprinter aus dem Startblock. Brennt Zeiten in den Asphalt, die kein Autofahrer dem Koloss zutraut. Es kribbelt im Bauch, während der Riese unwiderstehlich an Fahrt gewinnt. Schnell und fast unmerklich schaltet das Getriebe hoch: sechster Gang, siebter, schließlich bei 80 Sachen in den großen Gang. Mit 1.000 Touren orgelt der Diesel bergauf. Gänsehaut auf dem Rücken, Grinsen im Gesicht.

Mercedes hat sein Flaggschiff weiterentwickelt

13 Jahre hat der Mercedes Travego mittlerweile auf dem Buckel, der Senior unter den Reisehochdeckern. Fortwährend hat Mercedes sein Flaggschiff weiterentwickelt, es ist der wohl bestgepflegte Reisebus. Auch hat Mercedes den Travego ab und zu herumgeschubst: Mal wird er für Mitteleuropa in Deutschland gefertigt, mal in der Türkei. Die vielen Änderungen halten den Bus jung. So fit, dass sich manch Jüngerer eine dicke Scheibe davon abschneiden kann. Speziell jetzt als Travego Edition 1 mit neuem Motor, Getriebe und Cockpit.

Die Ingenieure haben noch einmal ganz weit ausgeholt. Im Heck ackert der neue OM 471, der erste Reisebusmotor nach Euro 6. Nun lässt sich trefflich darüber streiten, ob dieses Vorpreschen Sinn hat. Wer nicht will, greift zum Travego nach Euro 5. Doch Vorsicht: Der bärenstarke Reihensechszylinder im Dreiachser ist eine Wucht. Das Triebwerk hat mit 350 kW (476 PS) nicht nur viel Leistung, es hat seine Muskeln auch dort, wo man sie braucht, im Hauptfahrbereich zwischen 1.000 und 1.500 Touren.

Ein neues Heck für Travego

Dort übertrifft die Maschine den früheren V8 um Längen. Diese Maschine hat Biss. Und sie klingt so stark, wie sie ist: fast turbinengleich, kraftvoll und doch sanft. Verschwunden ist das harte Verbrennungsgeräusch der Pumpe-Düse-Motoren, hier arbeitet ein feiner Common-Railer, der ohne Rüpelei auskommt und keine Vibrationen kennt. Ein mächtiger Trumm mit zwei oben liegenden Nockenwellen und weiteren technischen Finessen. Ergänzt von einer ausladenden zweiflutigen Abgasanlage.

Um alles unterzubringen, hat Mercedes dem Travego ein neues Heck verpasst. Der Lüfter wanderte auf die rechte Seite, eine Schottwand trennt ihn vom heißen Motor. Die Durchströmung des Hecks wurde unter die Lupe genommen. Ergebnis sind zwei Lüftungsgitter in der Motorklappe, sie geben dem Heck eine etwas verkniffene Optik. Nur das Gitter rechts ist notwendig, sein Pendant links eine Attrappe, vorgesehen nur wegen der
Symmetrie.

Die Bedienung der Schaltbox ist kinderleicht

Auch das automatisierte Getriebe hat nochmals zugelegt. Es verträgt jetzt bis zu 2.500 Nm, der Travego wird’s auf absehbare Zeit nicht brauchen. Aber er profitiert von den enorm flinken Schaltungen. Schnell und gleichzeitig butterweich wirft das Getriebe die Gänge ein, vor allem bei Rückschaltungen, dann mit einem kurzen Stoß Zwischengas. Selbst gute Fahrer können den Wettbewerb gegen dieses Getriebe nicht bestehen. Ohnehin nicht in heiklen Verkehrssituationen, wenn die Aufmerksamkeit der Straße gilt.

Die Bedienung der Schaltbox ist kinderleicht. Im Unterschied zum etwas kniffligen Umgang mit dem Vorgänger GO 240 ist kein Blick in die Anleitung notwendig. Rechts am Lenkstockhebel wählt der Fahrer zwischen D – N – R, kann bei Bedarf manuell eingreifen. Geschieht dies, springt die Technik nach kurzer Zeit selbstständig zurück in den Automatikmodus. Den Retarder betätigt der Fahrer wie gewohnt durch Ziehen des Hebels, er arbeitet etwas grob und mit lautem Knackgeräusch. Beim Rangieren hilft eine Kriechfunktion wie bei einer Wandlerautomatik. Bei Schleichfahrt kann der Fahrer den Hochdecker allein mit Antippen der Bremse sehr feinfühlig bewegen.

Das Multifunktionslenkrad und die Instrumente spendierte der neue Actros

Der Schalthebel stammt vom neuen Actros, kein Makel. Er spendiert auch das Multifunktionslenkrad und die Instrumente. Von beidem profitiert der Travego-Fahrer. Die Funktionen der Lenkrad-Tastatur sind wie die Schaltung selbsterklärend. Und die Instrumente wechseln nach dem mehrjährigen Ausflug in die Spielwarenabteilung zu einer perfekt ablesbaren Chronometer-Optik. Am besten gefällt dies bei Tag mit Kennzeichnung durch feine Striche. Sie verwandeln sich bei eingeschaltetem Fahrlicht in ein ebenfalls gut ablesbares Band.

Neu gegliedert hat Mercedes die Tasten. Sie sind zu übersichtlichen Funktionsgruppen zusammengefasst. Etwas Gewöhnung verlangt der neue Schlüssel, eher ein Identifizierungsgerät zur Freigabe. Einschalten der Zündung und der Motorstart erfolgen per Knopfdruck gleich nebenan.

Das komplette Cockpit ist klar und modern aufgebaut. Der Travego ein Oldie? Kein Gedanke. Nur im Fahrgastraum wirkt er mit etwas unruhiger Gestaltung oder der zusammengestoppelten Deckmittelbahn nicht taufrisch.

Der Travego gibt immer wieder die Norm vor

Die Sitze wiederum stammen aus der neuesten Evobus-Generation. Und auch die Sicherheit entspricht dem neuesten Schrei. Hier gibt der Travego immer wieder die Norm vor. Mit der Edition 1 hat Mercedes den Aufmerksamkeits- oder Müdigkeitswarner eingeführt. Er schließt aus dem Fahrerverhalten auf nachlassende Konzentration und Kondition, blendet dann in der Armaturentafel dezent das Symbol einer Kaffeetasse ein. Auch die nächste Generation des Notbremsassistenten namens Active Brake Assist (ABA 2) bringt Fortschritte: Sie leitet bei Gefahr eine Vollbremsung nun auch vor stehenden Hindernissen ein. Details wie LED-Tagfahrlicht oder die wahlweise lieferbare Reifendruckkontrolle
steigern das Sicherheitsniveau des Travego nochmals im Detail.

Rückfahrt vom ersten Ausflug mit dem Travego Edition 1: Jetzt rollt der mächtige Bus die Bundesstraße wieder hinunter. Ein Schild bremst Lkw auf Tempo 30 ein, Busse dürfen wie Pkw 70 Sachen fahren. Das Tempo lässt sich entspannt allein mit dem Retarderhebel regeln. Die Zusatzbremse reagiert feinfühlig und packt doch kräftig zu. Nur wenn der Fahrer den Hebel bis zum Anschlag zieht, überlegt die Technik kurz, wie sich das Zusammenspiel aus Retarder und Motorbremse zur vollen Wirkung entfalten soll. Danach aber verzögert der Retarder zuverlässig.

Beruhigend zu wissen: Der feine Mercedes Travego Edition 1 beschleunigt nicht nur verblüffend kraftvoll, er bremst auch mindestens ebenso souverän ab.

Download Mercedes Travego Edition 1 - Technische Daten (PDF, 0,02 MByte) Kostenlos
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